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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Die längste Durststrecke seit 2003: Yamaha ist in der MotoGP seit mehr als einem Jahr ohne Sieg und muss sich vom WM-Titel wohl jetzt schon verabschieden

Titel-Bild zur News: Lin Jarvis

Lin Jarvis und Valentino Rossi warten seit mehr als einem Jahr auf einen Sieg Zoom

Liebe Leser,

würde Ihnen nach diesem spektakulären Rennen in Assen auf Anhieb ein großer Verlierer einfallen? Mir auch nicht! Der große Gewinner war sicherlich der MotoGP-Fan, der am Sonntag in Sachen Action und Zweikämpfen so richtig verwöhnt würde. Einen Piloten auszumachen, der in der letzten Nacht nach einer schwachen Leistung schlecht geschlafen hat, fällt mir persönlich da ziemlich schwer.

Dani Pedrosa wäre sicherlich eine Möglichkeit gewesen. Der Spanier hätte eigentlich an der Spitze mit Marc Marquez, Valentino Rossi, Andrea Dovizioso und Co. kämpfen sollen. Stattdessen erlebte er ein rundherum katastrophales Wochenende. Nach dem, was man aus dem Fahrerlager so hört, scheint er mit dem Kapitel Honda bereits komplett abgeschlossen zu haben. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Zeitpunkt.

Stattdessen fällt meine Wahl auf Yamaha-Teamchef Lin Jarvis. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht etwas verwunderlich, weil Rossi in der Spitzengruppe kämpfte und Fünfter wurde und Teamkollege Maverick Vinales als Dritter sogar auf dem Podest stand. Ein gutes Teamergebnis für Yamaha, das sogar weiter die Teamwertung anführt. Ein gelungenes Wochenende in Assen also? Ich sage ganz klar: Nein!

Längste Durststrecke seit 2003

Und zwar, weil man hier das Gesamtbild betrachten muss. Yamaha ist jetzt seit genau einem Jahr ohne Sieg. Zuletzt triumphierte Rossi bei der Dutch TT im Juni 2017. Um das historisch gleich einmal in den richtigen Kontext zu setzen: 365 sieglose Tage gab es für Yamaha in der Geschichte der MotoGP bisher nur ein einziges Mal. 2003 blieben die Japaner eine komplette Saison ohne Sieg.

Seit Rossi 2004 erstmals zu Yamaha wechselte, gab es eine solche Durststrecke nicht mehr. Jarvis wird das genau wissen, und deshalb kann er - trotz des auf den ersten Blick ordentlichen Ergebnisses - eigentlich nicht gut geschlafen haben. Zumal Assen wohl die beste Chance für Yamaha gewesen wäre, den Bann endlich zu brechen. Der TT Circuit galt in den vergangenen Jahren immer als perfekte Strecke für die M1.

Im Trockenen war Yamaha in Assen seit 2013 ungeschlagen. In diesem Jahr musste man sich nicht nur Honda (Marquez) sondern auch Suzuki (Alex Rins) geschlagen geben. Zudem kam Rossi hinter der Ducati von Andrea Dovizioso ins Ziel. Das zeigt einerseits, wie wunderbar abwechslungsreich das Rennen am Sonntag war. Aus Sicht von Yamaha wird man damit aber natürlich nicht zufrieden sein.


Fotos: Yamaha, MotoGP in Assen


Zumal die Chance, endlich wieder einmal ganz oben auf dem Podest zu stehen, in zwei Wochen auf dem Sachsenring kaum steigen dürfte. Dort ist Marquez klassenübergreifend seit 2010(!) ungeschlagen. In der MotoGP konnte ihn dort noch nie einer bezwingen. Und auch die ersten beiden Rennen nach der Sommerpause - Brünn und Spielberg - gelten nicht gerade als Yamaha-Strecken.

WM-Zug jetzt schon abgefahren?

Ohne Frage: Der Trend zeigte bei Yamaha in Assen nach oben. 2,3 beziehungsweise 2,9 Sekunden Rückstand im Ziel sind nach den Rennen der vergangenen Monate ermutigend. Zumal beide Piloten den Grand Prix sogar kurzzeitig anführen konnten. Gerade Vinales scheint einen Sprung nach vorne gemacht zu haben, er brach zu Rennbeginn mit vollem Tank nicht so sehr ein wie in den vergangenen Rennen.

Trotzdem bleibe ich persönlich skeptisch, ob diese Fortschritte auch nachhaltig sind. Auf dem Sachsenring sollte man - aus besagten Gründen - sowieso nicht zu viel von Yamaha erwarten. Daher wird sich wohl erst nach der Sommerpause ein klares Bild ergeben, ob die Japaner es endlich geschafft haben, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Nur: Im Hinblick auf die Saison 2018 könnte es dann sowieso schon zu spät sein.

In der Weltmeisterschaft liegen Rossi und Vinales jetzt schon 41 beziehungsweise 47 Zähler hinter Spitzenreiter Marquez. Dass sie damit noch auf den WM-Plätzen zwei und drei stehen, hat vor allem mit der fehlenden Konstanz der anderen Piloten zu tun. Vinales ist der einzige Fahrer im Feld, der in allen acht Saisonrennen punkten konnte. Doch nur mit Konstanz alleine wirst Du am Ende nicht Weltmeister.


Fotostrecke: Überblick: Das MotoGP-Fahrerfeld 2019

Marquez hat bereits zwei "Nuller" geschrieben und Vinales trotzdem um fast 50 Punkte - also zwei Rennsiege - distanziert. Ich persönlich denke nicht, dass man diesen Rückstand - ohne eine Verletzung von Marquez - noch aufholen wird. Ohnehin muss man bei Yamaha jetzt erst einmal kleinere Brötchen backen. Zunächst einmal muss es das Ziel sein, wieder auf die oberste Stufe des Podests zurückzukehren - um die erste sieglose Saison seit 2003 noch zu verhindern.

Wer sonst noch schlecht geschlafen hat
Alle MotoGP-Titelkandidaten: ... oder solche, die es gerne wären. Mit seinem Sieg in Assen hat Marquez seinen Vorsprung an der WM-Spitze weiter ausgebaut. Johann Zarco hat als WM-Vierter bereits einen Rückstand von 59 Punkten. Über Andrea Dovizioso, Jorge Lorenzo und Co. müssen wir aktuell gar nicht mehr reden. Ich lege mich fest: Ohne Verletzung ist Marquez der Titel 2018 nicht mehr zu nehmen.

Arjan Bos: Der Assen-Promoter sollte eigentlich schlecht geschlafen haben - zumindest hoffe ich das! Zwar gab es bis zum Sonntag nach Rennende keine Problem mit der Verkehrsführung rund um die Strecke, dafür brach danach aber alles zusammen. 2,5 Stunden standen wir am Parkplatz, bevor wir endlich von der Strecke kamen. Ein Wunder, dass wir unseren Rückflug am Abend noch erwischt haben. Andere dürften nicht so viel Glück gehabt haben. Das geht so nicht!

Ihr


Ruben Zimmermann


Ruben Zimmermann

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