• 15.07.2016 20:22

  • von Markus Lüttgens & David Emmett

Sturzkurve 11: Sachsenring für die MotoGP zu gefährlich?

Nachdem am Freitag fünf MotoGP-Piloten in der gleichen Kurve stürzten, stellen einige Fahrer die Sicherheit des Sachsenrings in Frage

(Motorsport-Total.com) - Am ersten Trainingstag der MotoGP zum Grand Prix von Deutschland zeigte sich auf dem Sachsenring das, man muss sagen leider, gewohnte Bild: Fahrer, die mit Schwung ins Kiesbett rutschen, Motorräder, die im hohen Bogen durch die Luft fliegen und schwer beschädigt liegen bleiben. Die berüchtigte Kurve 11, von einigen Fahrern auch Wasserfall genannt, zeigte auch am Freitag ihre Zähne.

Titel-Bild zur News: Ana Carrasco, Maria Herrera

Stürze gehören am Sachsenring zum gewohnten Bild (Archivfoto) Zoom

Scott Redding, Stefan Bradl und Esteve Rabat kamen dort zu Sturz und befanden sich damit in guter Gesellschaft. Denn auch für Weltmeister Jorge Lorenzo und den Trainingsschnellsten Maverick Vinales war die Kurve zwischenzeitlich eine zu große Hürde. So wie die Stürze, alle Fahrer rutschten über das Vorderrad weg, glichen sich anschließend auch die Erklärungen - zumindest in so fern, dass die meisten Fahrer keine hatten.

"Ich kann mir den Sturz nicht erklären. Das Vorderrad ist ohne Grund weggerutscht", sagt Vinales. Rabat berichtet: "Der Sturz in Kurve 11 kam völlig überraschend. Ich hatte gerade in den fünften Gang geschaltet, lenkte ein und dann ging es dahin." Bradl traf der Sturz ebenso unerwartet, lediglich Redding war sich nicht sicher, ob er einen Fehler gemacht hatte oder nicht.

Erst ewig nach links, dann plötzlich nach rechts

Zum Glück blieben alle Fahrer unverletzt, was in den vergangenen Jahren jedoch nicht immer der Fall war. Kurve 11 ist einer der neuralgischen Sturzpunkte im Kalender der MotoGP, was vor allem mit der Streckenführung des Sachsenrings zu tun hat. "Vor Kurve 11 gibt es keine Rechtskurve, wodurch die rechte Reifenflanke kalt ist", erklärt Suzuki-Pilot Aleix Espargaro. Die sieben Kurven vorher gehen links herum, gut 25 Sekunden lang fahren die Motorräder nicht auf der rechten Reifenflanke, die dann in der Anfahrt zur Kurve 11 kalt ist und nur wenig Grip bietet.

Hinzu kommt, dass die Strecke am Scheitelpunkt der Kurve 11 abfällt, wodurch das Vorderrad entlastet wird und zudem eine leichte Bodenwelle Unruhe ins Motorrad bringt. Am Freitag spielten außerdem die sehr niedrigen Asphalttemperaturen von nicht einmal 20 Grad Celsius eine Rolle, doch auch bei schönem Wetter ist Kurve 11 nicht einfacher. "In der Vergangenheit haben wir dort auch schon bei wärmerem Wetter Stürze gesehen", merkt Aleix Espargaro an.

Der asymmetrische Vorderreifen mit einer weicheren Mischung auf der rechten Flanke konnte in den vergangenen Jahren das Sturzrisiko nicht deutlich verringern. Für Aleix Espargaro ist er vielmehr eine Art Schadensbegrenzung. "Ohne diesen Reifen könnten wir hier nicht fahren. Die weichste Mischung ist in der rechten Reifenflanke verbaut, aber selbst damit hast du kein Gewicht auf dem Vorderreifen und du stürzt."

Keine Kritik an Reifenlieferant Michelin

Reifenlieferant Michelin, für die es der erste Grand Prix auf dem Sachsenring ist, nahmen die Piloten jedoch unisono aus der Schusslinie. "Meiner Meinung nach hat Michelin die richtigen Reifen für diese Strecke gebracht, aber das Problem waren heute die niedrigen Temperaturen", sagt Andrea Iannone. Auch Cal Crutchlow bescheinigt Michelin einen "guten Job" gemacht zu haben, und Marc Marquez meint: "Egal ob mit Bridgestone, Michelin oder einem anderen Reifen - es wird immer gleich sein. Man muss in dieser Kurve aufpassen."

Mit vorsichtiger Fahrweise alleine wollen es aber nicht alle Fahrer bewenden lassen. Nach den neuerlichen Stürzen stellen einige Piloten die Sicherheit des Sachsenrings explizit in Frage. "Es ist eine sehr gefährliche Kurve. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir in Zukunft noch auf dem Sachsenring fahren werden", sagt Aleix Espargaro. "Wir hatten in den vergangenen Jahren Glück, dass nichts passiert ist."

Eugene Laverty antwortet auf die Frage, ob Kurve 11 sicher sei: "Nein, wenn man sich die Stürze ansieht. Man bräuchte davor eine Rechtskurve." Da es die im Layout des Sachsenrings aber nicht gibt, wurde vor Jahren die Installation einer Schikane getestet, nach Probefahrten mit einigen MotoGP-Piloten aber wieder verworfen.

Gefährliche Strecke oder unvorsichtige Piloten?

"Wir versuchten diese Kurve schon vor einigen Jahren in der Sicherheitskommission zu ändern. Es gab auch einige Tests, aber schließlich wurde entschieden, dass es bleibt", sagt Dani Pedrosa. "Vielleicht sprechen wir heute wieder für die Zukunft." Aleix Espargaro hat hingegen wenig Hoffnung, dass man die Sicherheit des Sachsenrings deutlich verbessern kann. "Wir arbeiten schon seit sechs, sieben Jahren an dieser Kurve. Das Problem ist, dass es dort keinen Platz gibt."

Allerdings schieben nicht alle Fahrer die Schuld für die Stürze auf die Strecke. Bradley Smith meint, dass sich einige seiner Kollegen an die eigene Nase fassen müssen und an dieser Stelle einfach zu viel wollen. "Wenn es am Scheitelpunkt von Kurve 11 einen nassen Fleck geben würde, dann würde meiner Meinung nach niemand stürzen", sagt er. "Alle, die heute gestürzt sind, hatten dort ihr Knie auf dem Boden oder fast auf dem Boden. Das zeigt, dass sie für diese Kurve zu viel Schräglage fahren. Wenn man dort zu aggressiv fährt, beginnen die Probleme."