Spielberg: Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat

MotoGP-Superparty in der Steiermark mit Herzschlag-Finale: Ducati-Pilot Andrea Dovizioso lässt alle Kritiker verstummen und zeigt, dass er ein richtiger Kämpfer ist

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Andrea Dovizioso setzte mit seinem zweiten Saisonsieg ein klares Zeichen Zoom

Liebe Motorradfreunde,

nach einigen etwas zähen Rennen hat der Österreich-Grand-Prix für eine gewisse Erlösung gesorgt. Auch im vierten Jahr nach der Rückkehr in den Kalender feierten die Fans in der Steiermark eine sagenhafte MotoGP-Party und sahen vier unterhaltsame Rennen. Vom MotoE-Rennen bis zum Highlight - der Neuauflage des MotoGP-Thrillers Dovizioso vs. Marquez - wurde den Fans in Spielberg beste Motorsport-Unterhaltung geboten.

Und damit wäre ich auch schon direkt beim Gewinner des Wochenendes: Andrea Dovizioso. Wow, mit dieser mutigen Attacke in der letzten Kurve hat "DesmoDovi" ein dickes Statement gesetzt. Es war offensichtlich, wie sehr Marc Marquez auf Ducatis Paradestrecke gewinnen wollte. Drei Jahre lang gewannen die "Roten" in Folge. Mit einem Sieg hätte Marquez der Truppe aus Bologna eine schmerzhafte Niederlage erteilt.

Andrea Dovizioso auch ohne Topspeed-Vorteil vorn

Ich muss gestehen, dass ich mein Geld nach den Trainings und dem Qualifying nicht auf Ducati gesetzt hätte. Die Leichtigkeit der vergangenen Jahre fehlte. Umso beeindruckender ging Marquez zu Werke, der seine Gegner im Qualifying regelrecht vorführte.

Hondas Fortschritte beim Topspeed erleichterten Marquez im Vergleich zu den vergangenen Jahren die Arbeit ungemein. Im Rennen führten Dovizioso und Marquez die Topspeed-Wertung mit identischen Werten an: 316,7 km/h wurden im schnellen Bergaufstück gemessen. Zum Vergleich: Fabio Quartararo kam mit seiner Drehzahl-kastrierten Yamaha auf gerade einmal 302,5 km/h und war damit der langsamste Fahrer im Feld.

Andrea Dovizioso

Andrea Dovizioso riskierte viel und wurde für den Mut belohnt Zoom

Doch zurück zum Duell der WM-Rivalen: Dovizioso musste hart kämpfen und dabei überlegt vorgehen. Nach dem geglückten Manöver im finalen Rechtsknick sprach der Mann aus Forlimpopoli vom besten Rennen seiner Karriere. Es war ein Befreiungsschlag, denn die vergangenen Rennen verliefen enttäuschend. Zuletzt verlor Dovizioso immer mehr Punkte auf Marquez und kämpfte gegen den Ausnahmekönner mit stumpfen Waffen.

Luigi Dall'Ignas Zweifel an Andrea Dovizioso

In Spielberg sickerte durch, dass es zwischen Dovizioso und Ducati-Chefstratege Luigi Dall'Igna kriselt. Insider behaupten, dass Dall'Igna von Doviziosos Können nicht restlos überzeugt ist. Dieser Umstand nährte die Gerüchte, Jorge Lorenzo würde zu Ducati zurückkehren. Es ist kein Geheimnis, dass Dall'Igna seit der gemeinsamen Zeit bei Aprilia ein großer Fan von Lorenzo ist.

Mit der beherzten Aktion in der Schlusskurve holte sich Dovizioso die Anerkennung zurück, die er verdient. In der Pressekonferenz nach dem Rennen sprach der langjährige Ducati-Pilot sogar davon, dass die WM noch offen ist. Klar, 58 Punkte sind viel, doch die zweite Saisonhälfte hielt in den vergangenen Jahren oft Überraschungen bereit. Vor allem bei den Überseerennen am Saisonende ging es schon oft chaotisch zu.

Marquez war mit dem zweiten Platz sicher nicht so happy, wie er den Zuschauern beim Interview im Parc Ferme weismachen wollte. In der anschließenden Pressekonferenz gab sich die Nummer 93 große Mühe, Doviziosos Erfolg kleinzureden und machte unter anderem die Reifenwahl verantwortlich.

Andrea Dovizioso

Beim Österreich-Grand-Prix bleibt Ducati ungeschlagen Zoom

Kann Ducati die WM doch noch wenden?

Ich denke, Dovizioso ist clever genug, um diese Aussagen richtig zu deuten. Ausreden deuten ja bekanntlich auf eine gewisse Schwäche hin. Wenn Marquez einen Höhenflug nach dem anderen feiert, dann ist der Spanier nicht zu schlagen. Aber wenn Marquez Niederlagen verkraften muss, neigt er zu Fehlern. Auch der momentan beste Motorradfahrer der Welt ist nur ein Mensch, der ein Selbstbewusstsein hat, das mal größer und mal kleiner ist.

Um Marquez den Titel doch noch streitig machen zu können, muss Ducati aber an einem Strang ziehen. Der zu Saisonbeginn in den Vordergrund gerückte Teamgedanke ging zuletzt ein bisschen verloren. Alle wirkten unhappy. Dovizioso Sieg in Spielberg muss der Wendepunkt sein. Die nächsten Strecken könnten der Desmosedici liegen. Ich würde mich freuen, wenn wir beim Saisonfinale in Valencia eine ähnlich aufregende MotoGP-Party erleben wie in Österreich.

Ihr,

Sebastian Fränzschky

P.s.: Die Kolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" finden Sie auf unserer Schwesterseite Motorsport.com. Dieses Mal dreht sich alles um Danilo Petrucci.