Priaulx-Kolumne: Sonnenschein und "Sebring-Gemetzel"
BMW Werkspilot Andy Priaulx berichtet in seiner Kolumne über den großen Erfolg beim ILMC-Auftakt in Sebring: Keine Zeit für ein Bier, aber für Delfine
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ILMC, Nordschleife und DTM-Tests: Es gibt auch 2011 reichlich zu tun
ich erwarte kein Mitleid von euch, möchte aber mal klarstellen, dass das Sebring-Wochenende bei Temperaturen von teils weit über 30 Grad ganz schön hart war. Ich finde, man sollte das Zwölf-Stunden-Rennen mal unbenennen in "Zwölf Tage von Sebring", denn mir kam es unendlich lang vor, bis es endlich ins richtige Rennen gehen konnte.
Das Wichtigste gleich mal vorweg: Wir haben gewonnen! Es war ein geniales Gefühl, dort am späten Samstagabend ganz oben auf dem Podium zu stehen. Dabei hatte ich nach den ersten Rennrunden meine Zweifel, dass wir ins Ziel kommen. Von einem Sieg in der GTE-Klasse mal ganz zu schweigen.
Das erste Rennen der Saison ist auch immer ein besonderer Test. Es gibt viele Unbekannte. Man kann nie abschätzen, ob man im Vergleich zur Konkurrenz tatsächlich ausreichend gut vorbereitet ist. Bei den Wintertests fährt man zwar viel, aber auch einsam herum. Auf einer leeren Strecke ist die Stoppuhr dein einziger Anhaltspunkt.
Am Montag waren wir erstmals auf der Strecke unterwegs. Abgesehen vom Mittwoch waren wir jeden Tag damit beschäftigt, das bestmögliche Setup zu erarbeiten. Auch wenn wir am Mittwoch nicht gefahren sind, heißt das noch lange nicht, dass wir uns ausruhen konnten. Eher im Gegenteil.
Die Amerikaner wissen, wie man PR-Events aufziehen muss. Wir schrieben unzählige Autogramme, standen für viele Interviews zur Verfügung. Ich war fast etwas erleichtert, als ich am Tag darauf wieder ins Auto steigen durfte, um mich davon etwas zu erholen. Wenn es einen Preis für Fleiß gäbe, dann hätten wir ihn verdient.

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Sebring: Man fährt Vollgas, aber immer wieder fliegen die LMP-Autos vorbei Zoom
Ich meine damit nicht mich persönlich, sondern unser BMW Team RLL. Alle haben wirklich maximalen Aufwand betrieben, um sicherzustellen, dass der Wagen bestmöglich vorbereitet ist. Als wir nach Sebring kamen, hatte es zunächst den Anschein, als würde es perfekt aufgehen. Aber ein Ferrari hat uns im Kampf um die Pole geschlagen. Das war nicht das, was wir uns vorgestellt hatten.
Das Rennen ging am Samstagmorgen um 10:30 Uhr los. Bei 60 Autos auf einer nur knapp sechs Kilometer langen Strecke war uns allen klar, dass es eng zugehen würde. Ich habe mir das Auto mit Joey Hand und Dirk Müller geteilt. Wir kennen uns alle sehr gut, waren schon im Vorjahr in dieser Besetzung in Sebring gefahren.
Dirk fuhr den Startstint und hatte dabei viel Pech. Zweimal wurde er abgeschossen und fiel dadurch ans Ende des Feldes zurück. In einem Rennen über zwölf Stunden ist aber immer alles möglich. Das Blatt wendete sich zu unseren Gunsten. Durch insgesamt neun Gelbphasen konnten wir herankommen und alle GTE-Konkurrenten überholen.
Ich hatte im Rennen viel Spaß, muss aber auch sagen, dass dieses Rennen in der GTE-Klasse das absolut härteste Rennen überhaupt ist. Es ist dermaßen viel Verkehr dort, immer wieder gibt es Berührungen, ein regelrechtes Gemetzel. Man muss jede einzelne Runde mit hundertprozentiger Konzentration angehen.
Es lief bei uns alles gut. Unser Auto war vom Start bis ins Ziel schnell, die Dunlop-Reifen waren für dieses Rennen absolut perfekt. Jetzt führen wir die Herstellerwertung an. Ich kann also mit viel Zuversicht in den nächsten Lauf des Intercontinental-Le-Mans-Cup gehen. Dass Spa-Francorchamps - unsere nächste ILMC-Station - eine meiner Lieblingsstrecken ist, wird zusätzlich helfen.
Leider kann ich euch nicht allzu viel über spaßige Aktionen in Sebring berichten, denn es war eine arbeitsreiche Woche. Nur zu gern hätte ich bei den Jungs und Mädels vorbeigeschaut, die dort beim Spring-Break sicherlich viel Spaß gehabt haben. Schade, ich hätte mir das gern angeschaut und vielleicht ein oder zwei Bier mitgetrunken.

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Diesen Moment auf dem Sebring-Podium habe ich sehr genossen Zoom
Zum Glück hat das Wetter richtig gut mitgespielt. Meine winterliche Blässe ist weg, ab sofort kommt wieder mein Sommerteint zum Vorschein. Ich lebe derzeit strikt nach einer neuen Diät, habe im Winter ein paar Kilos abgebaut. Im Auto fühlte ich mich trotzdem richtig fit. Die Diät habe ich aber nicht die ganze Woche durchgehalten. Die Amerikaner sind bekanntlich nicht gerade die Spezialisten in Sachen gesunder Ernährung...
Nach dem Rennen hatte ich noch einen Tag Zeit, bevor mein Flieger vom Flughafen in Tampa zurück nach Europa ging. Diese Zeit habe ich in Clearwater verbracht. Dort habe ich mich am Strand ausgeruht, stand auf dem Jetski und habe mit Delfinen schwimmen können. Clearwater ist super. Ich kann gut verstehen, warum sich Nigel Mansell in seiner US-Zeit dort niedergelassen hat.
Eines noch am Rande: Es hat sich schon etwas komisch angefühlt, nicht beim Saisonstart der WTCC in Curitiba dabei sein zu können. Es war das erste Mal seit sechs Jahren, dass ich nicht am Start stand. Tom Coronel hat mit den Plätzen vier und zwei einen super Job gemacht. Ich habe genau diesen BMW oft getestet. Ich weiß, wie viel Potenzial in dem Auto steckt. Es dauert bestimmt nicht mehr lange, bis Tom mal ganz oben auf dem Treppchen steht.
Alles Gute und bis bald,

