Indianapolis 500 2016: Emotionale Pole für James Hinchcliffe
Ein Jahr, nachdem er auf dem Brickyard beinahe gestorben wäre, holt James Hinchcliffe von Schmidt-Peterson die Pole-Position für das 100. Indianapolis 500
(Motorsport-Total.com) - Der "Man from Hinchtown" beißt wieder zu: Einen Tag nach seinem Sensations-Run im Qualifying hat James Hinchcliffe auch am Pole-Day für das Indy 500 2016 den Brickyard gerockt: Mit einem Durchschnitt von 230,760 Meilen pro Stunde (371,372 km/h) über vier Runden hat der Kanadier den Schmidt-Peterson-Honda auf die Pole-Position für Amerikas größtes Autorennen gestellt. Da er im vergangenen Jahr auf dem Indianapolis Motor Speedway beinahe ums Leben gekommen war, war dieser Moment umso emotionaler.

© IndyCar
James Hinchcliffe machte in Indianapolis ein kleines Motorsport-Märchen wahr Zoom
Als Schnellster des Vortages ging "Hinchtown" als letzter Fahrer ins Pole-Shootout. Trotz relativ starken Gegenwindes auf der Gegengeraden blieb der 29-Jährige alle vier Runden über im sechsten Gang, was sehr untypisch für dieses Qualifying war. Auch seine Zeitenentwicklung entsprach nicht dem typischen Verlauf, bei dem die Zeiten immer langsamer werden. Hinchcliffe startete mit 230,885 mph, steigerte sich dann in der zweiten Runde auf 230,940 und fiel anschließend auf 230,765 und 230,450 mph.
Doch er machte damit alles richtig: Unterm Strich stand ein Durchschnitt von 230,760 mph zu Buche, womit er den bis dahin Schnellsten, Josef Newgarden (Carpenter-Chevrolet), noch vom besten Startplatz verdrängte. "Ich habe mir zu Beginn dieses Monats vorgenommen, dass wir durch etwas anderes als das, was vergangenes Jahr passiert ist, in die Schlagzeilen kommen, und da haben wir's!", jubelt Hinchcliffe, der gleichzeitig Honda die erste Pole-Position der Saison bescherte.
Sam Schmidt im Motorsport-Himmel
"Dieses Auto war eine absolute Granate", so der viermalige IndyCar-Sieger weiter. "Wir haben als Team alles richtig gemacht. Das ist die beste Mannschaft, die ich mir für das Indy 500 vorstellen kann." Seine Eltern, die im vergangenen Jahr nach dem schweren Unfall extra ihren Urlaub abbrechen mussten, sahen ihrem Sohn bei der Glanzleistung diesmal zu. Es ist auch Hinchcliffes erste IndyCar-Pole überhaupt.

© LAT
Josef Newgarden sicherte sich den hervorragenden zweiten Startplatz Zoom
Sam Schmidt erlebte einen Tag im Paradies. Vor der Pole-Position seines Schützlings durfte der seit einem Testunfall im Jahr 2000 an den Rollstuhl gefesselte Teamchef den Indianapolis Motor Speedway selbst befahren. Dazu wurde eine Corvette für ihn umgebaut. Er hielt sich nicht zurück und fuhr stellenweise fast 250 km/h. "Die Runden in der Corvette werde ich nie vergessen", schwärmt er.
Die Emotionen waren auch Schmidt anzusehen, als er über die Pole-Position redete: "Einfach unglaublich! Wir haben seit September so viel Arbeit in dieses Unterfangen gesteckt. Als wir heute miteinander geredet haben, sagte er einfach: 'Lass es uns anpacken!' Und jetzt, mein Gott, drei meiner Autos in den Top 10!" Es käme bei einem Team nicht auf die Größe an, führt er weiter aus. "Wir haben unglaubliche Teammitglieder und sehr viel Herz. God bless America!" Sein kanadischer Starfahrer wird ihm wohl die letzten Worte im Überschwang verzeihen können.
Drei US-Amerikaner auf den Plätzen zwei bis vier
Newgarden (2./230,700 mph) hielt lange Zeit mit einer aggressiven Herangehensweise die Pole-Position: Als Vierter auf die Strecke gegangen, attackierte er in der ersten Runde vollends und markierte die schnellste Einzel-Rundenzeit des Tages in 231,551 mph (372,654 km/h). "Ich bin die erste und zweite Kurve mit ausgedrehtem sechsten Gang voll im Begrenzer gefahren!", sprudelt er noch voller Adrenalin direkt nach seinem Versuch. "So schnell waren wir hier an allen Tagen noch nicht." Zwar wurde Newgarden in seinen weiteren Runden deutlich langsamer, blieb aber stets über 230 mph, was Rang zwei bedeutete.
Re-Live: Pole-Day beim Indy 500 2016
Damit ist er der einzige Chevrolet unter den besten Fünf, denn auf den nächsten Plätzen folgen mit Ryan Hunter-Reay (3./230,648), Townsend Bell (230,481) und Carlos Munoz (5./alle Andretti-Honda/230,287) drei weitere Hondas. Die Zuschauer durften sich bis zum Anlauf von Hinchcliffe sogar Hoffnungen auf eine komplette erste Reihe in US-Hand machen. Hunter-Reay wählte vermutlich in der ersten Runde mit dem fünften den falschen Gang - in seiner zweiten Runde, die er überwiegend im vierten fuhr, wurde er schneller.
Penske und Ganassi geschlagen
Bell hingegen fuhr fast die ganze Runde im vierten Gang und nutzte lediglich auf der Zielgeraden die fünfte Welle. Er ging es zu konservativ an und fuhr ein völlig untypisches Bild: Mit jeder Runde wurde er schneller statt langsamer. Hinter Munoz kam mit Will Power der beste Penske-Chevrolet nur auf Rang sechs. Penske wählte für das Qualifying zu viel Abtrieb: Power konnte problemlos die Kurven voll fahren, dafür fehlte es an Topspeed. Mit 229,669 mph geht er aus der zweiten Reihe ins Rennen.

© LAT
Townsend Bell wurde im Andretti-Honda bester Non-Regular Zoom
Seinen Teamkollegen erging es ähnlich: Simon Pagenaud (8./229,139) und Helio Castroneves (9./229,115) blieb nur die rote Laterne im Pole-Shootout. Davor klassifizierte sich noch Michail Aljoshin (Schmidt-Peterson-Honda), der mit 229,562 mph Durchschnitt auf den siebten Platz fuhr. Schnellster Qualifikant außerhalb der besten neun war Oriol Servia (SChmidt-Peterson-Honda), der mit 229,060 mph die Top 10 komplettierte.
Kurz vor dem Shootout hatte sich im regulären Qualifying noch ein Drama bei Juan Pablo Montoya abgespielt: Der Penske-Pilot fing sich bei seinem Versuch eine leere Mülltüte ein, die auf die Strecke geweht wurde, und musste daher abbrechen. Die Rennleitung hatte ein Einsehen und gab ihm einen zweiten Anlauf. Doch mit den gebrauchten Reifen war nicht mehr als Startplatz 17 möglich. Insgesamt erging es Penske noch wesentlich besser als dem anderen großen Team der Szene: Meister Scott Dixon startet als bester Ganassi-Pilot lediglich von Rang 13.
Tagliani bei Crash unverletzt
Für den einzigen Unfall des Tages sorgte Alex Tagliani, der am Ende seiner Aufwärmrunde mit der Mauer in Kurve Bekanntschaft machte. "Es hat mich wirklich kalt erwischt, weil es so spät passiert ist - fast schon am Kurvenausgang", sagt der Foyt-Pilot überrascht. "Wenn das Auto früh ausbricht, hat man eine Chance, es einzufangen. Aber so war es einfach Pech."
Indianapolis 500 2016: Die Highlights vom Pole-Day
James Hinchcliffe sicherte sich die Pole Position für das 100. Indianapolis 500 - Alle Highlights vom Pole Day auf dem Brickyard Weitere Formelsport-Videos
Bevor am kommenden Sonntag das große Rennen steigt, steht noch am Montag noch ein weiteres Training auf dem Programm, das um 17:00 Uhr MESZ beginnt. Am Freitag mündet der abschließende "Carb-Day" dann in Richtung der 100. 500 Meilen von Indianapolis.

