Aerokit-Entwicklung: Hersteller grübeln über richtiges Timing

2016 wird es den Herstellern erstmals gestattet sein, die Aerokits während der Saison zu entwickeln: Honda und Chevrolet suchen nach der richtigen Strategie

(Motorsport-Total.com) - Als zur IndyCar-Saison 2015 die lang ersehnten Aerokits eingeführt wurden, gab es einen leichten Dämpfer für diejenigen Fan uns Experten, die bei jedem Rennen auf jedes Detail an den Autos achten: Honda und Chevrolet einigten sich mit den Regelhütern darauf, die Aerokits für die Saison einzufrieren. Damit ist es für 2016 vorbei: An beiden Kits dürfen die Hersteller jeweils bis zu drei Veränderungen in sogenannten Entwicklungsboxen vornehmen. Allerdings gibt es keine Homologations-Deadline.

Titel-Bild zur News: Will Power

Mehr Unberechenbarkeit: Aerokits können während der Saison homologiert werden Zoom

Es ist also Entwicklung während der Saison erlaubt. Die Herangehensweise erinnert an das Token-System in der Formel 1 bei der Motorenentwicklung aus der Saison 2015. Auch hier durften die Hersteller in bestimmten Bereichen über die Saison hinweg Modifikationen vornehmen. Bei den IndyCars stellen sich dieselben strategischen Fragen: Wann sollen die Modifikationen gebracht werden? Gleich zu Beginn der Saison, um lange zu profitieren, oder erst später, um mehr Zeit für die Entwicklung zu haben?

Arron Melvon aus der Chevrolet-Designabteilung und HPD-Vizepräsident Steve Eriksen diskutieren bei 'Racer' die Herangehensweise an das neue Problem. "Unseres Erachtens gewinnt oder verliert man Rennen auf der Strecke, aber gewinnt oder verliert Meisterschaften beim Design", philosophiert der Chevrolet-Mann. "Uns ist klar, dass es schlecht ist, wenn man an der Strecke nicht gut vorbereitet ist. Aber für uns herrscht ein extremer Druck, jede Stunde zu nutzen, bevor wir neue Teile bringen."

Verführt das Indy 500 zu vorschneller Entwicklung?

"Das ist anders als in der ersten Saison", bestätigt Eriksen. "Damals mussten wir mit einem kompletten Kit zu einem festgelegten Zeitpunkt antanzen. Jetzt gibt es eine größere Flexibilität, was die Einführung angeht. Das macht es meines Erachtens nach interessanter." Während in der Formel 1 freie Aero-Entwicklung herrscht, müssen die IndyCar-Hersteller vorsichtiger sein: Ein neues Kit muss erst designt und getestet werden. Dann wird es an die Teams übergeben, die ihrerseits ein Rollout absolvieren müssen. Zudem muss ein Handbuch verfasst werden, wie die Teams mit den Änderungen umgehen sollen. Trial & Error funktioniert nicht.

"Unseres Erachtens gewinnt oder verliert man Rennen auf der Strecke, aber gewinnt oder verliert Meisterschaften beim Design." Arron Melvon

"Es ist alles eine Frage des Abwägens", so Melvon. Das Nullsummenspiel aus Entwicklungs- und Nutzungszeitraum bringt eine Komponente der Unberechenbarkeit ins Spiel. Besonders das Indianapolis 500 verführt dazu, gleich alle drei Entwicklungsmöglichkeiten des Low-Downforce-Kits direkt beim ersten Speedway-Rennen auszuschöpfen. Bei der 100. Auflage des Klassikers möchte jeder gewinnen. Für die Variante mit viel Abtrieb sieht die Sache anders aus, denn diese Kits werden maßgeblich die Meisterschaft entscheiden. Wer länger entwickelt, kann am Ende schneller sein, muss aber vorher einen Nachteil in Kauf nehmen.

Steve Eriksen rät den Fans bereits, bei jedem Rennen genau hinzuschauen. Honda darf zusätzlich im Bereich der Seitenkästen und der Motorabdeckung entwickeln, weil ein Windkanaltest nach dem Saisonfinale 2015 in Sonoma einen signifikanten Nachteil für die Honda-Piloten ans Licht brachte. Chevrolet zeigte sich über diese Zugeständnis enttäuscht.


Fotostrecke: IndyCar Aero-Kits 2015: Chevrolet vs. Honda