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Einmal Rennfahrer sein: Test mit einem Formel 4 in Spielberg

Redakteur Gerald Dirnbeck klemmt sich auf dem Red-Bull-Ring hinter das Steuer eines Formel-4-Fahrzeugs und schildert seine Eindrücke als "richtiger Rennfahrer"

Titel-Bild zur News: Gerald Dirnbeck

Onboard beim Test eines Formel-4-Boliden auf dem Red-Bull-Ring in Österreich Zoom

Liebe Motorsportfans,

Wochenende für Wochenende sitzen wir vor dem Fernseher - oder sind vor Ort an der Strecke - und verfolgen unsere Helden auf den Rennstrecken dieser Welt. Wir fiebern mit, wie die Fahrer ihre Autos ans Limit bringen und sind fasziniert vom Fahrkönnen, aber auch von den technischen Meisterwerken auf vier Rädern. Wer einmal vom Rennfieber gepackt ist, den lässt es ein Leben lang nicht mehr los. Und es ist sicherlich für jeden von uns "Motorsportverrückten" ein Traum, einmal selbst in einem Formelauto Platz zu nehmen und sich einen Tag lang wie Sebastian Vettel, Lewis Hamilton und Co. zu fühlen.

Ich bin zwar schon verschiedene Rallyeautos gefahren, die auch extrem beeindruckend sind und mit einem normalen Straßenauto kaum etwas gemein haben, aber ein Formelauto ist eine ganz andere Geschichte. Es ist die Definition eines Rennautos. Ein Motor im Heck des Chassis, ein Lenkrad, vier Slick-Reifen - fertig. Vor allem das Verhältnis Leistung zu Gewicht macht ein Formelauto so extrem beeindruckend, agil und schnell.

Die Einsteigerklasse in den Formelsport ist die Formel 4. Der Wagen hat zwar "nur" 210 PS, aber bei einem Gewicht von 570 Kilogramm ist es ein verdammt schnelles Geschoß. Abgesehen von einer Servolenkung gibt es sonst keinerlei elektronische Helfer, an die wie uns in den Straßenautos mittlerweile gewöhnt haben. Es gibt nicht einmal einen Bremskraftverstärker! Traktionskontrolle oder ABS sind auch Fehlanzeige. Lediglich Wippenschaltung und ein Display für die Drehzahl sowie für die Öltemperatur sind neben den modernen Sicherheitsstandards der FIA vorhanden.

Keine Elektronik: Formel 4 ist pures Rennfahren

Eines ist klar, mit einem Formel 4 ist pures Rennfahren angesagt! Gleichzeitig ist die Leistung für einen Hobbyfahrer nicht so extrem wie bei einem Formel Renault 3.5 oder einem Formel-2-Auto, für die man Übung und Erfahrung braucht. Trotzdem ist der Respekt vor einem Formel 4 groß! An einem herrlichen Tag im April stehe ich nun in der Boxengasse des Red-Bull-Rings und vor mir stehen einige Formel-4-Boliden aufgereiht. Heute ist der große Tag, an dem ich selbst zum ersten Mal Rennfahrer spielen darf!

Zunächst geht es mit einem Porsche Cayman S auf die Strecke, um die Tücken des Red-Bull-Rings kennenzulernen und ein Gefühl für die Geschwindigkeit zu bekommen. Mit 350 PS hat der Porsche deutlich mehr Leistung als der Formel 4, aber das Straßenauto ist mit fast 1.500 Kilogramm auch deutlich schwerer. Dazu gibt es allerlei Elektronik und schon nach den ersten Runden merke ich, dass man das Gaspedal voll durchdrücken kann. Den Rest erledigt die moderne Technik.

Trotzdem ist es schwer beeindruckend, wenn man mit über 200 km/h durch den Linksknick auf die Remus-Kurve zuballert. Doch dann der erste Schreckmoment - wo muss ich bremsen? Auch wenn das Layout der Strecke auf dem Papier ziemlich einfach aussieht, ist es das ganz und gar nicht. Die richtigen Bremspunkte zu finden, ist eine Herausforderung. Und auch die nach außen hängende Schlossgold-Kurve hat es in sich! Den Einlenkpunkt zu treffen, ist gar nicht einfach. Außerdem spürt man am Kurvenausgang die Fliehkräfte, die einen nach außen drücken.

Porsche Cayman S

Mit dem Porsche Cayman S bekommt man ein Gefühl für Strecke und Geschwindigkeit Zoom

Kann ich wegfahren, oder stirbt der Motor ab?

Die ersten Runden mit hohem Tempo im Porsche waren schon beeindruckend, aber im Endeffekt ist das für einen erfahrenen Autofahrer kein Problem. Aber wie fühlt sich das alles mit einem richtigen Formelauto an? Diese Frage würde ich gleich beantwortet bekommen. Ex-Formel-1-Pilot Patrick Friesacher erklärt den Formel-4-Boliden und wichtige Details. So kann man beim Hochschalten auf dem Gaspedal bleiben und man muss nur beim Runterschalten lupfen. Die Kupplung braucht man nur beim Anfahren.

Und das ist auch schon die erste spannende Frage: Kann ich wegfahren, oder stirbt mir der Motor ab? Das wäre so peinlich! Aber Patrick beruhigt: "Wir haben noch jeden auf die Strecke gebracht". Na dann ist ja gut! Die nächste Herausforderung ist das Einsteigen. Bei den Formel-1-Stars sieht das immer so elegant aus, aber sie sind ja alle relativ klein. Mit meinen 185 Zentimetern ist es gar nicht so einfach, sich in so ein Auto zu zwängen. Aber schließlich schaffe ich es und rutsche in das Cockpit hinein. Die fast liegende Haltung ist total ungewohnt. Ist man einmal fest angeschnallt, kann man sich auch kaum bewegen.

Dann der entscheidende Moment. Das Auto vor mir setzt sich in der Boxengasse langsam in Bewegung und nun bin ich an der Reihe. Langsam lasse ich die Kupplung kommen - ja ein Formel 4 hat noch ganz "altmodisch" drei Pedale - und gebe behutsam Gas. Und siehe da, das Auto setzt sich in Bewegung. Das war gar nicht so schwer! Langsam fahre ich die Boxenausfahrt entlang und merke gleich eine entscheidende Sache in einem Formelauto. Die Lenkung ist so direkt und es gibt so wenig Lenkeinschlag, dass man genau aufpassen muss, um durch die Rechtskurve der Boxenausfahrt zu kommen.

Die ersten Meter: Wahnsinn!

Wie peinlich wäre es, wenn man die Kurve nicht schafft und in die Leitplanke fährt! Aber das ist auch schon Formel-1-Profis passiert. Viel Platz habe ich im Cockpit wirklich nicht, denn bei stärkerem Lenkeinschlag streift das Lenkrad auf meinen angewinkelten Oberschenkeln. Ich muss fast die rechte Hand vom Lenkrad nehmen, um durch die Linkskurven zu kommen. Plötzlich fällt mir Gerhard Berger ein, der früher immer über das zu enge McLaren-Cockpit geklagt hat. Aber wenn er so eingezwängt Grands Prix bestritten hat, dann muss auch ich da durch.

Wir fahren in einer Gruppe mit fünf Autos. An der Spitze ist Friesacher. Er gibt das Tempo vor und erteilt Anweisungen über Funk. Prinzipiell geht es nicht darum, auf Zeitenjagd zu gehen, sondern ein Gefühl für ein Formelauto zu bekommen. Und ich kann versichern, dass es ein richtig geiles Gefühl ist! Neben der direkten Lenkung ist die Beschleunigung der Hammer! Das Auto ist extrem präzise, aber auch einfach zu fahren. Es erinnert an ein Gokart - aber viel cooler!

Die Anfahrt Richtung Remus-Kurve fühlt sich um ein Vielfaches schneller an als mit dem Porsche. Man sitzt praktisch direkt über dem Asphalt. Dazu kommt der Wind, den man trotz Rennanzug pfeifen spürt. Der Helm wird nach hinten gedrückt und man hat pures Fahrfeeling! Der Rausch der Geschwindigkeit lässt den Adrenalinpegel nach oben schnellen. Jetzt fühle ich mich wie Vettel, Hamilton und Co.!

Formel 4 Test

An der Spitze der Gruppe gibt Patrick Friesacher Tempo und Linie vor Zoom

Doch dann plötzlich die gleiche Frage wie im Porsche: Wo ist der Bremspunkt? Patrick hat gesagt, dass es keinen Bremskraftverstärker gibt. Also drücke ich mit Kraft das Bremspedal durch - zu viel Kraft darf man aber nicht aufwenden, sonst könnten die Vorderräder blockieren. Es ist gar nicht einfach, die Verzögerung einzuschätzen, denn als Autofahrer ist man es überhaupt nicht gewohnt, ohne Bremskraftverstärker zu bremsen. Noch dazu bei rund 200 km/h! Zum Glück geht alles gut.

Ich will nie wieder aussteigen

An der Spitze unseres kleinen Feldes gibt Friesacher das Tempo und die Ideallinie vor. Ihm zu folgen ist in manchen Kurven gar nicht so einfach, denn man sucht ständig nach dem richtigen Bremspunkt und ist den Lenkwinkel überhaupt nicht gewohnt. Kaputt machen will man schließlich auch nichts! Von Runde zu Runde findet man aber mehr Vertrauen ins Auto und gewinnt immer mehr Gefühl. Man traut sich auch mehr, steigt früher aufs Gas, bremst später und spürt stärker die Fliehkräfte in den Kurven. Im Vergleich dazu ist der Porsche fast wie ein LKW.

Die beeindruckendste Kurve auf dem Red-Bull-Ring ist die Jochen Rindt. Wenn man mit hohem Tempo über die Kuppe kommt und vor einem die Strecke fast ins Bodenlose abfällt, dann muss man wirklich allen Mut fassen, um spät zu bremsen und das Tempo in die Kurve mitzunehmen. Dort hat sich einmal Michael Schumacher 1998 verschätzt und ist außen ins damals noch vorhandene Kiesbett gefahren. Wenn man einmal mit einem Rennauto durch diese Mutkurve gefahren ist, dann weiß man, warum sie nach dem ersten Weltmeister aus Österreich benannt ist.

Gerald Dirnbeck

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Gerald Dirnbeck bei seinem ersten Formeltest Zoom

Nach einigen Runden ist das unvergessliche Erlebnis schon wieder vorbei. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den ganzen Tag weiterfahren können, denn der Formel 4 ist das richtige Auto für einen Einsteiger und einen Hobbyrennfahrer. Es macht unglaublich viel Spaß und überfordert einen Anfänger im Formelauto nicht. Somit ist es das absolut richtige Fahrzeug, um einen Eindruck zu gewinnen. Ich kann nur jedem empfehlen einen Abstecher nach Spielberg zu machen und das selbst auszuprobieren!

Ihr


Gerald Dirnbeck

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