Ullrich-Interview: "DTM eine wichtige Plattform für Audi"
Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich über die bisherige Saison, das Heimrennen am Norisring, den Einstieg von BMW und die Zukunft von Audi in der DTM
(Motorsport-Total.com/SID) - Frage: "Bislang ist Rivale Mercedes in der DTM schneller unterwegs. Was läuft bei Audi in dieser Saison schief?"
Wolfgang Ullrich: "Dass Mercedes schneller ist, stimmt so nicht. Wir hatten beim Auftakt in Hockenheim sehr schnelle Autos, dort aber Probleme mit den Reifen. In Valencia war der Audi A4 eine Klasse für sich. Auf dem EuroSpeedway, einer Strecke, auf der wir uns traditionell etwas schwerer tun, ist Mike Rockenfeller die schnellste Rennrunde gefahren. Klar ist allerdings auch, dass wir aus den ersten drei Rennen aus verschiedenen Gründen nicht so viel herausgeholt haben, wie wir uns das vorgestellt haben."

© xpb.cc
Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich setzt auch weiter auf die DTM
Frage: "Am Wochenende steht das Heimspiel auf dem Norisring an. Gibt es eine spezielle Taktik für dieses Rennen?"
Ullrich: "Der Norisring ist ein ganz spezielles Rennen. Hier kommt es auf ganz andere Dinge an als auf anderen Rennstrecken. Es geht in erster Linie um Traktion, Topspeed und die Bremsen. Und aufgrund der kurzen Streckenlänge muss man in der Lage sein, noch schneller strategisch zu reagieren - zum Beispiel bei einem Safety-Car-Einsatz."#w1#
Frage: "Wie hat sich Audi auf das Heimrennen vorbereitet?"
Ullrich: "Sehr intensiv. Wir waren auf dem Flugplatz in Cochstedt in der Nähe des Lausitzrings und haben dort die Besonderheiten des Norisrings simuliert. Wir sind in den letzten Jahren unserem großen Ziel - dem Heimsieg auf dem Norisring - jedes Mal einen kleinen Schritt näher gekommen. Im vergangenen Jahr hätten wir es fast geschafft."
Frage: "Kann der Le-Mans-Sieg die DTM-Mannschaft beflügeln?"
Ullrich: "Ja, absolut. Der Erfolg in Le Mans war positiv für die ganze Mannschaft. Es hat sich wieder einmal gezeigt, was man erreichen kann, wenn man mit höchster Konzentration und perfekter Vorbereitung einen Null-Fehler-Job macht. Genau das ist auch am kommenden Wochenende auf dem Norisring gefragt."
Frage: "Titelverteidiger Timo Scheider schwächelt derzeit. Woran liegt das?"
Ullrich: "Ich möchte nicht sagen, dass Timo schwächelt. In der DTM entscheiden oft Details. Dazu zählt die neue Reifengeneration, auf die sich die Fahrer und die Techniker einstellen mussten. Zudem hat Timo seit diesem Jahr einen neuen Fahrzeugingenieur. Es braucht etwas Zeit, bis diese neue Kombination so perfekt funktioniert wie die alte. Diese Zeit sollten wir ihm geben. Und dann hatte Timo bei den ersten Rennen auch noch etwas Pech. Jeder, der ihn abschreibt, begeht einen großen Fehler."
¿pbvin|1|2870||0|1pb¿Frage: "Es gibt Gerüchte, dass Mercedes aus der DTM aussteigt, falls es mit dem Titel wieder nicht klappt. Wäre es nicht besser, wenn Sie den Rivalen in dieser Saison gewinnen lassen?"
Ullrich: "Audi steht mit Mercedes in einem harten Wettbewerb - auf der Rennstrecke genauso wie im Markt. Wir haben keine Geschenke zu verteilen. Audi verteilt keine Geschenke - und Mercedes tut das auch nicht. Das gibt es nicht."
Frage: "Haben Sie Angst vor einem Mercedes-Rückzug?"
Ullrich: "Ich denke, es geht mir wie den Fans: Eine DTM ohne Mercedes wäre nur schwer vorstellbar."
Frage: "BMW will 2012 in die DTM zurückkehren. Was halten Sie von dieser Entscheidung?"
Ullrich: "Diese Entscheidung ist positiv für die DTM und die Fans. Sie zeigt mir, dass Audi auf die richtige Rennserie gesetzt hat und dass wir gemeinsam mit Mercedes und der ITR eine hervorragende Bühne geschaffen haben, die auch für andere Premium-Hersteller interessant ist."
Frage: "Rechnen Sie in naher Zukunft mit weiteren Herstellern?"
Ullrich: "Es gibt viele interessante Gespräche und positive Signale."
Frage: "Müsste die DTM nicht noch mehr im Ausland fahren, also in Asien, Nordamerika und Australien, um andere Autobauer in die Serie zu locken?"
Ullrich: "Die Philosophie der DTM ist es, ihre starke deutsche Basis zu behalten und in den wichtigsten internationalen Märkten - aktuell in China - Rennen zu bestreiten. Diese Kombination ist für jeden Hersteller interessant."
DTM ja, Formel 1 nein
Frage: "Wie beurteilt Ihr Vorstand das DTM-Engagement? Wird Audi der Serie in jedem Fall erhalten bleiben?"
Ullrich: "Der Audi-Vorstand steht hinter dem Engagement. Dass kann man auch daran ablesen, wie oft Vorstandsmitglieder bei den Rennen vor Ort sind. Unser Motorsportprogramm steht mittelfristig auf drei Säulen: Sport-Prototypen, Kundensport und DTM. Solange die Rahmenbedingungen stimmen, gibt es für Audi keinen Grund, auf die DTM zu verzichten. Die DTM ist für das Unternehmen eine wichtige Plattform, wie Audi ein Baustein der DTM ist."
Frage: "Die DTM ist eine perfekte Marketing-Plattform. Verkauft Audi durch Erfolge in dieser Serie messbar mehr Autos?"
Ullrich: "Es gibt interne Studien, die das ganz klar belegen. Die Erfolge in der DTM sind gut für den A4 und gut für die Marke Audi."
Frage: "Wird Audi weiterhin beim berühmten 24-Stunden-Rennen von Le Mans antreten? Nach dem Dreifach-Sieg in diesem Jahr gibt es eigentlich nichts mehr zu gewinnen ..."
Ullrich: "Genau wie die DTM ist auch Le Mans bei Audi fester Bestandteil der mittelfristigen Planungen. Abgesehen davon, dass wir noch mindestens siebenmal siegen müssen, um auf Platz eins der ewigen Bestenliste zu kommen, engagieren wir uns in Le Mans, um neue Technologien im Motorsport zu testen. Das kann man in Le Mans besser und authentischer als bei jedem anderen Rennen."
Frage: "Wäre nicht die Formel 1 eine reizvolle Aufgabe für Audi?"
Ullrich: "Unserer Meinung nach passt die Formel 1 nicht zu Audi, solange die Technik, die dort zum Einsatz kommt, keine Relevanz für die Entwicklung unserer Serienfahrzeuge hat."
Frage: "Am Geld kann ein Formel-1-Einstieg jedenfalls nicht scheitern. In den nächsten drei Jahren soll sich der Etat in der Königsklasse fast auf DTM-Niveau bewegen ..."
Ullrich: "Die Kosten werden auch in der DTM weiter sinken. Mit dem neuen Reglement ist ab 2012 eine Entlastung der Budgets um etwa 50 Prozent angepeilt. Damit wird die DTM auch weiterhin ein Maßstab in Sachen Kosten-Nutzen-Verhältnis sein."
Frage: "Nirgends könnte man Vorsprung durch Technik im Motorsport besser unter Beweis stellen. Was also hält Audi vom Abenteuer Formel 1 ab?"
Ullrich: "Das sehe ich anders: Bei den Sport-Prototypen geht dies wesentlich besser, weil die Technologien, die dort zum Einsatz kommen, einen engen Bezug zur Serie haben und unsere Kunden somit unmittelbar vom Motorsport-Engagement profitieren. Das ist in der Formel 1 aktuell nicht der Fall."

