• 13.06.2013 16:12

  • von Dominik Sharaf

Nissans DTM-Absage? Zu teuer, zu deutsch, keine Story

Die Japaner stellen bei ihrem Motorsport-Engagement Marketingerwägungen in den Vordergrund, die die Serie trotz Super-GT-Angleichung nicht erfüllen kann

(Motorsport-Total.com) - Nachdem die DTM sich dank des BMW-Einstiegs in die Serie stabilisiert hat, versucht sie zu neuen Ufern aufzubrechen. Genauer gesagt nach Japan und nach Nordamerika, um lokale Hersteller für das Reglement zu begeistern. Im Land der aufgehenden Sonne, wo ab 2014 die Super-GT-Serie nach den Statuten der deutschen Tourenwagen-Klasse unterwegs ist, sind Toyota, Honda und auch Nissan das Objekt der Begierde. Der Konzern aus Yokohama allerdings scheint derzeit wenig interessiert.

Titel-Bild zur News: Nissan Nismo Headquarter Yokohama

Bei Nissan in Yokohama wird so schnell wohl kein DTM-Projekt initiiert Zoom

Gründe gibt es viele, wie sie Jerry Hardcastle im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' aufzählt. "Das Problem ist für mich: Welchen Effekt würden wir erzielen?", fragt der Motorsport-Chef von Nissans Haustuner und Rennsport-Label Nismo. Er fordert, die kommerziellen Aspekte in den Vordergrund zu stellen: "Am Ende ist Motorsport eine Marketingaktivität und wir wollen mehr Autos verkaufen." Das Problem: Diese Überlegungen sprechen ganz klar gegen die DTM und für die zahlreichen Alternativen in Europa.

Hardcastle schildert die Krux an einem Beispiel: "Ich bin in der Motorsport-Welt zu Hause, aber auch in Großbritannien. Da hat die DTM so gut wie gar kein Echo. Vielleicht bei einem Rennen, nämlich wenn die Serie nach Brands Hatch kommt. In Deutschland ist das eine große Sache." Aus der Sicht des Nissan-Verantwortlichen besitzt die Serie mit Audi, BMW und Mercedes vorrangig nationalen Charakter, sodass er sich sogar fragt: "Wollen die deutschen Fans nur deutsche Fabrikate gegeneinander fahren sehen?"

Auch China, Indien und Brasilien im Blick

Jerry Hardcastle

Jerry Hardcastles Herz schlägt für den Motorsport, sein Job hängt am Finanziellen Zoom

Diese Überlegung bleibt nicht auf die Basis-DTM beschränkt, sondern betrifft auch ihren jüngsten Partner, in dem Nissan seit geraumer Zeit mitmischt: "Es ist das Gleiche in Japan: Wir haben in die Super-GT eine Menge Geld investiert, dort Superstars geformt, wie Michael Krumm einer ist. In Großbritannien? Interessiert es keinen", sagt Hardcastle. Der deutsche Werkspilot gilt in Asien, wo er seit Jahrzehnten lebt und arbeitet, als echtes Aushängeschild - seine Prominenz währt aber nicht über Landesgrenzen hinaus.

"Ich mag falsch liegen, aber in Japan gibt es wohl kaum jemanden, der sich DTM-Rennen ansieht - aber Tausende, die Super-GT schauen", so der Nismo-Motorsportchef weiter. Eine deutsch-geprägte DTM, wie sie aus seiner Sicht derzeit besteht, würde dem Anspruch des Weltkonzerns Nissan wohl einfach nicht gerecht. Anforderung ist es, mindestens kontinentale Reichweite zu erzielen, macht in den alten Wirtschaftszentren in Zeiten aufstrebender Schwellenländer aber nicht Halt: "Priorität genießen Japan, Europa sowie Nordamerika. Wir müssen auch schauen, was in China, Indien und Brasilien passiert."

Nebenbuhler aus der GT- und Rallye-Szene

Hardcastle betont, sich als Ingenieur, der er von Ausbildungswegen her ist, gerne in einer Serie engagieren zu wollen, die in Sachen Technik und Fahrern zur "Champions League" des Geschäftes zählt - doch der rein sportliche Aspekt ist eben nicht der entscheidende, wie ein Blick in die Geschäftsbücher deutlich macht. Nissans Marktanteil in Europa liegt bei 4,3 Prozent, in Mexiko wird er mit rund 25 Prozent beziffert. "Es ist ein Kampf, wohin das Geld fließt", erklärt der in der Motorsport-Welt äußerst gefragte Hardcastle.


Fotos: DTM-Verantwortliche besiegeln US-Expansion


Denn ITR-Boss Hans Werner Aufrecht ist nicht der einzige, der bei ihm durchklingelt. "Stephane Ratel versucht entschieden, alle Hersteller in eine GT3-Klasse zu bekommen, die Formel 1 will neue Motorenhersteller anlocken, die Leute von der Rallye-Weltmeisterschaft rufen mich monatlich wenn nicht sogar wöchentlich an - jeder hätte Nissan gerne", erklärt Hardcastle. Mit der Luxusmarke Infiniti ist der auch mit Renault verbundene Konzern bereits in der Königsklasse engagiert. Wie viel Platz bleibt da noch für andere Spielplätze?

Das Marketing verlangt Geschichten

Michael Krumm

Mit Japan-Star Michael Krumm war Nissan im GT-R auf dem Nürburgring unterwegs Zoom

"Als Ingenieure würden wir das auch gerne alles verwirklichen, aber finanziell muss man eine Auswahl treffen und das Wichtigste sondieren", stellt der Brite klar. Momentan scheint diese Gunst ein anderes Projekt in Deutschland zu genießen, dessen Strahlkraft gemeinhin unterschätzt wird. Gemeint sind die 24 Stunden vom Nürburgring, die Nissan in diesem Jahr mit einem nach GT3-Reglement gebauten GT-R in Angriff nahm. Hardcastle misst einem möglichen Sieg beim Eifelmarathon einen mutmaßlich größeren Effekt bei als einem DTM-Titel.

Der Grund: Der in Asien äußerst beliebte Klassiker, der derzeit trotz der ungewissen Zukunft des "Rings" eine Renaissance erlebt, erlaubt es Nissans Marketingstrategen, eine Gesichte zu erzählen. "Bei der DTM bin ich mir nicht sicher, ob das geht", zweifelt Hardcastle und entdeckt noch mehr Argumente, die dem Tourenwagen-Championat mit vielen Einheitsteilen, aber auch viel Hochtechnologie, nicht zugute kommen: "Betrachte ich die finanziellen Aspekte, bin ich mir sicher, dass es teurer wäre, in die DTM zu gehen."

Tests nach DTM-Reglement nicht überzubewerten

Super-GT-Start in Suzuka

Super-GT-Start in Suzuka: Ab 2014 nach dem Technischen Reglement der DTM Zoom

Für zu anspruchsvoll hält Hardcastle die DTM für Nismo, in den vergangenen beiden Jahren Sieger der Super-GT, nicht: "Wir sind eine Rennsport-Truppe, wir können da mithalten." Ist das Gerüst erst einmal komplett identisch, könnten so die Kosten sinken und die DTM sowie ihr für 2015 geplantes US-Pendant vielleicht doch noch attraktiv werden. Schon im Sommer sollen in Japan vollständig nach dem ITR-Reglement gebaute Autos ausrollen. Dass das Monocoque für Fahrerwechsel angepasst werden muss, sieht Hardcastle eher als Bagatelle.

Den Test an sich will er nicht überbewertet wissen und weist es von sich, dass mit der Aktion irgendein spezielles Interesse an der DTM verbunden wäre: "Diese Geschichte lässt sich umdrehen, aber: Das japanische Auto wird natürlich getestet, weil wir an der japanischen Serie teilnehmen." ITR-Boss Aufrecht hatte anlässlich des Saisonauftaktes in Hockenheim verkündet, schon 2015 mit japanischen Herstellern in der Basis-DTM zu rechnen. "Wenn er sich sicher ist, meint er damit ganz sicher nicht Nissan", so Hardcastle gegenüber 'Motorsport-Total.com'.