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  • 23.09.2017 19:23

  • von Stefan Ehlen & Julia Spacek

Kritik an "Gleichgewicht": DTM-Titelkampf als "Audi-Cup"?

Nach dem ersten Rennen in Spielberg kommt erste Kritik an der Abschaffung der performance-Gewichte auf - BMW-Pilot Marco Wittmann prangert an

(Motorsport-Total.com) - DTM-Titelverteidiger Marco Wittmann sieht seine Chancen auf den Gewinn der Gesamtwertung in der DTM 2017 aufgrund der Regeländerung vor dem Spielberg-Wochenende schwinden. Unmittelbar vor der vorletzten Veranstaltung der DTM-Saison 2017 hatten sich die Verantwortlichen und die DTM-Hersteller Audi, BMW und Mercedes darauf verständigt, die Performance-Gewichte mit sofortiger Wirkung abzuschaffen. In Spielberg treten die Fahrzeuge aller Hersteller daher erstmals wieder mit gleichem Gewicht an. Und Audi hat durch diese neue Situation vermeintlich einen Vorteil.

Titel-Bild zur News: Jamie Green

Marco Wittmann fühlt sich durch die neue Chancengleichheit benachteiligt Zoom

Das behauptet zumindest BMW-Fahrer Wittmann. Er meint gegenüber 'Motorsport-Total.com': "Es ist offensichtlich. Man sieht, was da passiert. Es kam Audi am meisten entgegen. Uns und Mercedes trifft es am meisten." Tatsächlich dominierte Audi in Spielberg am Samstag sowohl im Qualifying als auch im Rennen und erzielte neben den Startplätzen eins bis drei auch einen Dreifachsieg.

Wittmann fürchtet daher, der vor Spielberg erfolgte Eingriff ins Reglement könnte entscheidende Auswirkungen auf den Ausgang der diesjährigen DTM-Gesamtwertung haben. Denn das Samstagsrennen in Spielberg habe bereits für eine Vorentscheidung gesorgt. "Die spannende Meisterschaft geht jetzt flöten", sagt Wittmann. "Vielleicht wird es am Ende zu einer Art Audi-Meisterschaft."

In der Tat hat Audi drei Rennen vor Saisonende die besten Karten auf den Titelgewinn in der Fahrerwertung. Mattias Ekström führt mit 162 Punkten vor seinem Markenkollegen Jamie Green. Lucas Auer von Mercedes hat als Gesamtdritter bereits 31 Punkte Rückstand. Wittmann dahinter auf Rang vier liegt schon 37 Punkte hinter Ekström zurück.


Fotos: DTM in Spielberg, Samstag


Wittmann fühlt sich um seine Chancen gebracht. "Ich glaube, man hätte die Performance-Gewichte auch nach der Saison abschaffen können. An sich finde ich die Entscheidung gut, im Sinne des Sports und für die Fans. Aber ich glaube, der Zeitpunkt war vielleicht nicht ideal."

DTM-Experte Norbert Haug wiederum sieht hier keine bewusste Benachteiligung, sondern vielmehr ein gleiches Spielfeld für alle Marken. In der 'ARD' sagte der frühere Mercedes-Sportchef: "Es gab auch schon Rennen mit Performance-Gewichten, bei denen die Abstände groß waren. Das ist nun einmal echtes Racing. Und Audi hat hier den besten Job gemacht."

Norbert Haug: "Gibt jetzt mehr Vergleichsdaten"

Er vertrete "absolut" die Meinung, "dass man auch sehen soll, wer der Beste ist". Doch das Ergebnis eines Rennens müsse nicht automatisch einen Durchmarsch der entsprechenden Marke zur Folge haben. "Wir haben am Sonntag ein neues Qualifying. Es kann sein, dass eine Marke am besten mit den neuen Regelungen, den gleichen Gewichten, zurechtkommt. Das war jetzt ganz klar Audi."

"Aber es gibt jetzt auch mehr Vergleichsdaten", erklärt Haug und meint: "Natürlich ist Audi auch am Sonntag der Favorit. Ich glaube dennoch, dass wir ein besser gemischtes Feld haben. Wir haben Phasen gesehen, in denen BMW konkurrenzfähig war und auch Mercedes. Das wird sich durchmischen. Auch in Hockenheim werden noch einmal andere Voraussetzungen herrschen."

Davon ist auch Mercedes-Speerspitze Auer überzeugt. Er glaubt: Die DTM ist zu wechselhaft, als dass sich sichere Prognosen anstellen lassen. "Vor zwei Wochen hatten wir noch gesagt, Mercedes fuhr schwerer und haute am Nürburgring trotzdem alle weg. Jetzt ist jeder enttäuscht. Aber so ist es halt. Die DTM ist eng. Manchmal ist ein anderer Hersteller da, manchmal bist du da."

Lucas Auer: Keine Hochrechnung für Hockenheim

Ein eventueller Nachteil durch die neue Gewichtsregelung, wonach alle Marken mit je 1.115 Kilogramm schweren Fahrzeugen antreten, lasse sich rechnerisch nicht ermitteln oder gar vorhersagen, meint Auer. "Das kannst du nicht hochrechnen. Am Nürburgring waren wir schwer und haben alles niedergerissen. Manche Strecken passen dir, andere nicht. Also mal abwarten. Es geht schnell. Ein paar Zehntel und wir sind wieder dabei."

Audi-Pilot Rene Rast wiederum wähnt sich nach dem DTM-Samstagsrennen in Spielberg raus aus dem Titelkampf. "Schlimmer ging es nicht", sagte er nach einem Unfall und Platz 13, was ihn auf Tabellenplatz fünf zurückfallen hat lassen. "Nach einem solchen Ergebnis kannst du nicht zufrieden sein. Das brauchst du nicht schönzureden."

"Theoretisch" habe er noch Chancen auf den Gesamtsieg, meint Rast. "Aber da muss bei vielen Leuten schon viel schieflaufen."

Rene Rast: Platzt der Rookie-Traum?

"Klar ärgert mich das. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, wo wir herkommen. Es ist das erste Jahr. Was wir bis hierher erreicht haben, ist mit Sicherheit herausragend. Direkt um die Meisterschaft zu kämpfen hat bisher noch kein Rookie geschafft, meine ich. Von daher können wir darauf schon stolz sein. Natürlich gehören schlechte Tage dazu. Wir lernen aus den Fehlern, die wir machen. Heute ist so ein Tag, an dem wir viel lernen. Morgen greifen wir wieder an."

Noch ist schließlich keine Entscheidung gefallen, wenngleich sich Audi drei Rennen vor Schluss in der Fahrer- und Herstellerwertung in eine gute Ausgangslage gebracht hat. Am engsten geht es derzeit zu in der Teamwertung: Dort hat RMG-BMW hauchdünn die Nase vor Rosberg-Audi.