• 28.01.2018 08:42

Im Herzen "Naturbursche": Lucas Auer über seine große Liebe

Mercedes-Pilot Lucas Auer erzählt seine Geschichte: Von der stürmischen Kindheit, über private und berufliche Rückschläge bis hin zu seinem Social-Media-Verhalten

(Motorsport-Total.com) - Schnell auf der Strecke, sympathisch daneben: So kennt die DTM-Welt den Tiroler Naturburschen Lucas Auer. Im Interview enthüllt er den Menschen hinter dem Rennfahrer vor. Seine "große Liebe", den Rennsport, hat er dabei schon sehr früh entdeckt - für Schule und Mädchen war da wenig Zeit. Trotzdem der Mercedes-Fahrer mit nur 23 Jahren schon vor seiner vierten DTM-Saison steht, hat er außerdem schon einige Rückschläge einstecken müssen.

Titel-Bild zur News: Lucas Auer

Hinter dem verschmitzten Auftreten von Auer steckt eine spannende Geschichte Zoom

Frage: "Herr Auer, wie haben Sie Ihre Liebe zum Rennsport entdeckt?"
Lucas Auer: "Ich bin in Kufstein aufgewachsen, wo ich auch heute noch lebe. Das ist mein Lebensmittelpunkt, wo sich meine Freunde und Familie befinden. Dort hatte ich eine wohlbehütete Kindheit, in der ich schon sehr früh mit dem Rennfahren begonnen habe. Ich habe schon immer viel Spaß mit Freunden gehabt und extrem viel Sport getrieben - Fußball, Baseball, Skifahren, einfach alles. Mit vier Jahren saß ich zum ersten Mal in einem Kart und habe mich auf Anhieb in die Motorsport-Welt verliebt."

Frage: "Wie sind Sie zum Kartfahren gekommen?"
Auer: "Ich kann mich leider nicht mehr selbst daran erinnern. Aber ich weiß aus Erzählungen, dass mein Papa und mein Bruder an einer Tankstelle vorbeigefahren sind. Dabei haben sie Rennkarts entdeckt und gleich angehalten. Dort hieß es: "Wir haben auch ein Mini-Kart - da kann der Bub sich gerne reinsetzen." Das war schon lustig. Ich glaube, sie wollten mich einfach nur da drin sitzen sehen... (lacht) Ab diesem Moment war ich verliebt."

Frage: "Ab wann wurde aus dem Kartfahren dann mehr als nur ein Hobby?"
Auer: Es war lange Zeit nur ein Hobby. Wir haben geschaut, wo ich bei uns in der Nähe überhaupt fahren konnte, aber ich war noch zu jung, um eine Rennlizenz zu machen. Mit fünf Jahren habe ich ab und zu getestet. Mit Sechs bin ich mein erstes Rennen in der Tiroler Meisterschaft gefahren. Das war cool. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich Sechster von acht Startern geworden bin. Da hatte ich noch ein bisschen Probleme." (lacht)

"Mit Sieben bin ich dann Zweiter geworden und ein Jahr später habe ich die Meisterschaft gewonnen. Das war damals zwar schon etwas Aufwand, aber alles noch in Tirol, also machbar. Später hat mich jemand beim Fahren entdeckt, der ein eigenes Team hatte und meinte: "Der Junge muss nach Deutschland!" Ab dem Moment war es schon mehr Aufwand für uns. Es musste ja immer jemand mitfahren, weil ich noch nicht alt genug war. Aber bis zum Alter von 14 Jahren war es sicherlich noch ein Hobby. Dann wurde es international und damit auch gleich viel professioneller. Da war uns klar: Jetzt wird es wirklich ernst."

Frage: "Wie verlief Ihre Schulzeit während hrer Anfängen im Kartsport?"
Auer: "Kartfahren war schon brutal, du fährst 15-18 Rennen im Jahr, musst dich ohne Ende vorbereiten. Ich hatte aber das Glück, dass ich eine super Lehrerin hatte. Hinzukam, dass ich auch nicht unbedingt der ehrgeizigste Schüler war. [lacht] Aber sie zeigte viel Verständnis und so konnten wir alles easy managen."


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Frage: "Sie haben ganz viele Freunde aus Ihrer Heimat Kufstein, die ganz normale Jungs sind. Wie wichtig ist dieser bodenständige Background für Sie?"
Auer: "Wichtig, aber das sind halt einfach meine Freunde. Auch wenn man sich mal länger nicht sieht, lacht man direkt. Man vertraut sich, kann sich über Dinge unterhalten und muss sich keine Sorgen machen, dass es gleich jeder weiß. Wir sind eine Gruppe und halten zusammen. Da gehöre ich hin. Das ist schon wichtig, speziell, wenn es mal nicht so gut läuft. Dann ist es cool, wenn du Freunde hast, mit denen du eine Gaudi machen kannst. Dann sind Kart, DTM und alles andere komplett egal."

Frage: "Der Kartsport hat Ihnen viel abverlangt. Haben Sie in Ihrer Kindheit etwas verpasst?"
Auer: "Ich habe bisher alles sehr positiv beschrieben, weil es meine Liebe ist. Aber es ist definitiv so: Wenn sie das nicht gewesen wäre, wäre es hart geworden. Egal in welcher Hinsicht. Es geht viel Zeit verloren. Für mich war es aber nicht schlimm, weil ich die Zeit auf der Rennstrecke verbracht habe. Natürlich verpasst man Dinge. Aber dessen war ich mir bewusst."

Frage: "Blieb trotzdem noch Zeit für Mädels?"
Auer: "Ja, das schon. Das ist durchaus interessant. Denn mit 14 oder 15 siehst du dann auch, ob du es wirklich willst. Dann kommst du in die Zeit, in der du eine Freundin hast, vielleicht mal ausgehen willst, dann siehst du gleich, was dir wirklich wichtig ist. Das war schon schwierig, aber für mich kein Problem, weil meine Liebe zum Rennsport die Größte von allen war."

Frage: "Fanden Sie die Mädels auch mal nur toll, weil Sie Rennfahrer waren?"
Auer: "Ich weiß nicht, warum, aber dieses Gefühl hatte ich nie. Sicher bekommt jeder mal was aus der Presse mit oder sieht dich im Fernsehen. Das zieht schon was nach sich. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich deswegen eine Extra-Behandlung erhalten hätte ..."

Frage: "Sie hatten es in Ihrer Karriere und Ihrem Leben nicht immer nur einfach. Wie hart war es, solche Schicksalsschläge zu verkraften?"
Auer: "Ich habe mit Zwölfeinhalb meinen Papa verloren. Da stand meine Zukunft im Rennsport schon auf der Kippe. Wir haben ein Logistikunternehmen und meine Mama musste danach Vollzeit dabei sein. Das war auch zur Zeit der Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2008, als generell alles schwierig war. Damals habe ich auch ein Jahr ausgesetzt und bin kein Kart mehr gefahren. Das hat mich etwas zurückgeworfen, was mir aber egal war, weil andere Sachen wichtiger waren."

"Das war eine harte Zeit. Das Gute war, dass meine Mama, mein Bruder und wir als Familie irrsinnig stark sind. Wir haben uns zusammengetan und uns gegenseitig geholfen. So sind wir auch zusammen gestärkt daraus hervorgegangen. "

Frage: "Trifft es Sie, wenn jemand behauptet, Sie hätten es in Ihrer Karriere leicht gehabt?"
Auer: "Ich muss eins sagen: Allgemein im Leben, aber speziell im Rennsport wird die Luft immer dünner, wenn du weiter nach oben kommst. Da zu denken, dass es jemand leicht hat, ist einfach falsch. Es ist ein steiniger Weg, für mich, aber auch für alle, die den Weg mit mir beschreiten. Umso schöner ist es, wenn du dann den Schritt in den Profisport schaffst und in der DTM für Mercedes fahren darfst, das ist dann schon ein riesiges Gefühl."


Fotos: Lucas Auer, DTM-Finale in Hockenheim


Frage: "Gibt es einen bestimmten Punkt in Ihrer Karriere, der dafür verantwortlich ist, dass Sie heute in der DTM fahren?"
Auer: "Ich habe zweimal einen wichtigen Schlag vom Leben bekommen. Das hat mir jeweils einen riesigen Schub gegeben. Das ist immer so: Du musst auf die Schnauze fallen, aufstehen und dann gehst du es anders an. Das erste Mal war mit 15. Damals war es ganz brenzlig, ob es nach dem Kartsport für mich weitergehen würde. Da war ich am Boden zerstört, weil ich es unbedingt wollte. Es war meine Liebe. In dem Moment habe ich realisiert, wenn du das liebst, was du tust, musst du es richtig angehen."

"Dann habe ich zum ersten Mal einen Plan erstellt, bin nach Asien gegangen, wo ich etwas auf mich alleine gestellt war, eine andere Kultur kennengelernt habe. Das hat mich irrsinnig weitergebracht. Das komplette Jahr 2011 war sehr wichtig für mich."


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Frage: "Und was war der zweite Moment?"
Auer: "Das war nach meinem ersten DTM-Jahr - damals war ich zerstört. Ich hatte zwar unter anderem meine erste Pole-Position geholt, aber ich musste auch ganz schön einstecken. Vorher fiel es mir viel leichter. Ich konnte immer im ersten Jahr um Siege mitfahren, war zumindest immer in den Top-5. In der DTM habe ich einen richtigen Schlag bekommen."

"Deshalb habe ich mich über den Winter hingesetzt und zusammengeschrieben: Was war positiv? Was war negativ? Was will ich tun? Ab dem Moment ging es steil bergauf. Ich habe davor auch hart gearbeitet, aber das war nichts im Vergleich zu Ende 2015 und Anfang 2016 - was ich dann in den Sport investiert habe. Von nichts kommt eben nichts. Wenn du alles reinsteckst, gehen auch Türen auf."

Frage: "Hat Sie der Hype in Österreich überrascht, der in diesem Jahr so rasch in den Medien entstanden ist?"
Auer: "Für mich hat es sich stetig mit der Leistung gesteigert. 2015 hieß es: "Okay, jetzt haben wir jemanden in der DTM." Das war noch relativ klein. Dann kam 2016 mein erster Sieg. Danach habe ich den nächsten Schritt bemerkt. Ich war besser vertreten und der Rummel wurde etwas größer. Dieses Jahr habe ich wirklich festgestellt, jetzt pusht jeder in eine Richtung. Du willst ja, dass deine Leistung kommentiert wird. So läuft der Sport. Das sehe ich cool und hoffe, dass ich noch weitere Schritte machen kann, sodass wir uns gegenseitig raufziehen."


Fotostrecke: Tops und Flops der DTM-Saison 2017

Frage: "Viele junge Fahrer beschäftigen sich viel mit Social Media. Bei Ihnen ist das noch nicht der Fall. Sind Sie eher der private Typ?"
Auer: "Ich glaube, ich selbst wäre schon ein Typ dafür. Ich behalte gewisse Sache natürlich für mich, aber ich kann auch etwas preisgeben. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Vielleicht muss ich da noch den richtigen Weg einschlagen. Ich muss aber auch dazu sagen: Ich habe nur ein begrenztes Interesse an Handys, Apps und Co. Das ist wahrscheinlich das, was den Ausschlag gibt. Ich bin eher ein Naturbursche."

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