• 28.04.2013 14:43

  • von Dominik Sharaf

Formel-1-Sprungbrett DTM: Träumen, testen, rosten?

Refugium für Talente: Wie immer mehr Nachwuchseine Perspektive ohne finanziellen Druck sucht und warum der Aufstieg in die Königsklasse so schwierig ist

(Motorsport-Total.com) - Die GP2 und die Renault-World-Series (WSbR) gelten als Patentwege in die Formel 1. Zwölf von 14 Piloten, die in den vergangenen drei Jahren den Sprung in die Königsklasse schafften, sind ihn gegangen. Eine von zwei Ausnahmen ist Paul di Resta: Der Schotte fuhr vier Jahre lang in der DTM, holte sich 2010 den Meistertitel und heuerte danach bei Force India an. Ein Beispiel, das Schule macht? In der Tat mehren sich die Zeichen, dass 2013 in den Autos einige Formel-1-Stars von morgen sitzen.

Titel-Bild zur News: Edoardo Mortara

Edoardo Mortara gehört zu den DTM-Piloten, die schon Formel 1 testeten Zoom

Gehört zum Beispiel Daniel Juncadella dazu? Der Spanier startet mit Mercedes in sein erstes DTM-Jahr und zeigt sich zufrieden mit seiner Entscheidung: "Ich denke, es ist der richtige Weg", sagt er 'Motorsport-Total.com' über die Perspektive, langfristig in die Formel 1 aufzusteigen. Die Stuttgarter scheinen mit dem jungen Kader das Ziel zu verfolgen, Talente an ihr Silberpfeil-Projekt heranzuführen. Denn die DTM hat durchaus ihre Vorzüge, wenn es um das Thema Nachwuchs geht.

Christian Vietoris erklärt: "Sie ist eine Serie, die eine gesunde Basis hat, die nicht wie die GP2 ein Stück weit überteuert ist. Man kann nicht viel fahren, in der DTM ist das anders", so der Gönnersdorfer, der selbst zwei Jahre im unmittelbaren Formel-1-Unterbau unterwegs war, im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Er schätzt das Umfeld der Werke: "Man bekommt viel Erfahrung und arbeitet mit professionellen Herstellern zusammen, wo man sich als Fahrer gut und in Ruhe weiterentwickeln kann."

Ende der Paydriver-Zeit?

Was Vietoris andeutet, ist ein ganz entscheidendes Argument für die DTM: Das Budget kommt von den Herstellern und deren Sponsoren, nicht aus der eigenen Tasche. Dass jeder Fahrer in der Startaufstellung bezahlt wird, macht die Tourenwagen-Serie zu einem Unikum unter den weltweiten Topkategorien. Wer wüsste das besser als Fabio Leimer? "Im Formelsport kostet alles sehr, sehr viel Geld", klagt der Schweizer. "Es gibt viele Talente, aber die haben dann nicht das Budget."

Christian Vietoris

Christian Vietoris war zwei Jahre lang in der GP2 unterwegs, auch parallel zur DTM Zoom

'Motorsport-Total.com' erklärt der 24-Jährige, der seit 2010 in der GP2 unterwegs ist, warum die DTM für ihn als Sprungbrett auf dem Weg nach oben "sehr, sehr wichtig" ist: "Da hat man noch eine Chance, als Talent reinzukommen, wenn man nicht so viel Geld hat." Für Vietoris ist dieser bedenkliche Trend nicht in Stein gemeißelt - zumindest, wenn es um die Königsklasse geht: "In der Formel 1 wird es irgendwann so sein, dass man von den Paydrivern weggeht. Talent setzt sich am Ende immer durch."

Der Mercedes-Youngster räumt jedoch ein, dass es bis dahin noch eine Weile dauern wird. "Dahingehend ist die DTM eine gute Basis, in der ich zur Not auch fünf bis zehn Jahre unterwegs sein kann", findet er. Denn hinzu kommt: Im Gegensatz zur GP2 oder der WSbR, wo nach drei Jahren oft das Verfallsdatum erreicht ist, erlaubt die DTM Karrieren mit guten Gehalt und sportlichem Erfolg, keine Dauer-Schleudersitze und Kämpfe gegen Windmühlen: "Ich fühle mich hier wohl und bin auch froh, wenn ich dabei bleibe", unterstreicht Vietoris.

"Talent setzt sich am Ende immer durch." Christian Vietoris

Glücklich auch ohne Formel 1

Dass an diesem Argument etwas dran ist, beweisen Karrieren wie die von Bruno Spengler oder Mattias Ekström. Der Kanadier war als Formel-3-Pilot selbst auf dem Weg durch die Monoposto-Klassen, eher er 2005 die Chance bei Mercedes erhielt und zu einer DTM-Größe wurde. "Natürlich träumt man als Rennfahrer immer ein bisschen von der Formel 1. Man braucht aber viel Geld, um dort reinzukommen. Das Geld hatte ich nicht", sagt Spengler 'Speedweek.de' und ist froh, wie sich die Dinge für ihn entwickelt haben.

Der amtierende Meister zeigt sich erleichtert, heute ein Auto zu entwickeln und Rennen zu gewinnen. "In die Formel 1 zu gehen und auf Platz 15 zu fahren, ist für mich keine Lösung", so Spengler. Ekström stimmt bei 'Speedweek.de' zu, auch bei ihm war das Bankkonto der limitierende Faktor: "Wenn man ein armer Junge aus den schwedischen Wäldern ist, dann dauert es ewig, bis man Geld für den Formelsport hat. Die Voraussetzungen habe ich nicht gehabt." Stattdessen schaffte der Schwede über die heimische Tourenwagen-Klasse den DTM-Einstieg.

Bruno Spengler

Am Ziel der Träume: Spengler hat als DTM-Champion seine Erfüllung gefunden Zoom

Genau wie Spengler trauert er der Karriere in der prestigeträchtigsten aller Motorsport-Klassen nicht nach. "Ich bin auch froh!", freut sich Ekström. "Ich habe so viel erlebt mit der NASCAR, Rallye, DTM und ein bisschen Le Mans. Ich bin glücklicher als viele Formel-1-Fahrer, die vergeblich versucht haben, Weltmeister zu werden." Die Karrieren der Meister und Dauerfavoriten der vergangenen Jahre zeigen, dass die DTM sicher nie ein reines Sprungbrett, sondern immer ein paralleler Weg in die Beletage sein wird.

Ein möglicher, aber steiniger Weg

Doch gibt es den Punkt, an dem ein Pilot ein DTM-Ass ist und kein Formel-1-Talent mehr. Vietoris jedenfalls hat mit 24 Jahren nicht ausgeträumt und fühlt sich dem Tourenwagen nicht auf Rennfahrer-Lebenszeit verschrieben. "Mit dem Ziel Formel 1 bin ich in den Motorsport gestartet. Es ist das Ziel, kurz- oder langfristig dahin zu kommen." Juncadella spricht offen aus, dass es den Punkt gibt, an dem die Karriere ihren Lauf genommen hat: "Wenn man zu lange in der DTM bleibt, ist man älter und kann nicht mehr Formel 1 fahren."

Fabio Leimer

Leimer testet den BMW M3 DTM, wollte aber kein Tourenwagen-Fahrer werden Zoom

Für Leimer ist das nicht nur eine Frage des Geburtsdatums, sondern auch der Philosophie. Er wurde im Winter von BMW zum Test des M3 eingeladen, unterschrieben hat er nicht. "Wenn ich in die DTM gehen würde, dann würde ich mich dort eher auf Tourenwagen konzentrieren", kommentiert er und stellt sich einen anderen Karriereweg vor, der derzeit von Erfolg gekrönt scheint. "Wenn ich in die Formel 1 gehen will, was ich im Moment noch plane, dann ganz klar über den Formelsport. Das ist der erste Weg für einen jungen Fahrer."

DTM-Autos gelten fahrerisch als eher mit einem Monoposto vergleichbar denn mit einem klassischen Tourenwagen - das zeigt die Tatsache, dass Youngster meistens in der Formel 3 rekrutiert werden. Die Einführung von DRS und Option-Reifen bedeuten mindestens einen symbolischen Schritt in diese Richtung. Doch die Vergleichbarkeit hat Grenzen, die Durchlässigkeit ihre Tücken, findet Leimer: "Es ist nicht einfach, weil der Fahrstil ganz anders ist als im Formelauto. Der Weg ist immer möglich, aber es ist nicht der einfachste."

"Der Formelsport ist der erste Weg für einen jungen Fahrer." Fabio Leimer

Urgewalt der Formel 1 beeindruckt Mortara

Einer, der 2012 zwischen den Welten wanderte, ist Edoardo Mortara. Der Italiener, der schon in der GP2 unterwegs war aber immer mit den finanziellen Voraussetzungen im Formelsport kämpfte, testete in Abu Dhabi anlässlich des Young-Driver-Tests den Lotus E20. Er erlebte sein blaues Wunder. "Wenn man aus der DTM kommt, ist es sehr schwierig. DRS und die Option-Reifen waren da nicht das Problem, es war die Geschwindigkeit", zeigt sich der Audi-Pilot gegenüber 'Motorsport-Total.com' beeindruckt von der schieren Kraft des Boliden.

Mortara, der gerüchteweise schon bei Williams gehandelt wurde, gibt offen zu: "Daran bin ich nicht gewöhnt. Es ist kein Problem, aber das muss Routine werden." Da hilft eigentlich nur Testen, das aber ist in der Königsklasse aus Kostengründen streng limitiert. Ob er wieder ans Steuer des Lotus darf, weiß Moratara noch nicht. "Im vergangenen Jahr sind viele Dinge zusammengekommen und es wird schwierig, das ein weiteres Mal zu realisieren. Es war eine einzigartige Erfahrung für mich." Hoffentlich aber nicht die einzige.

Künftig mehr Testchancen für DTM-Talente?

Für den 26-Jährigen stellt sich zusätzlich das Problem, dass er mit Audi und Lotus zwei Arbeitgeber unter einen Hut bringen muss. Das könnte im Daimler-Konzern einfacher sein. Der setzt aktuell keinen festen Testpiloten in seinem Formel-1-Projekt ein. Die Chance für Juncadella? "Das wäre natürlich super, wenn ein DTM-Fahrer wie ich auch in die Formel 1 eingeladen werden würde", schwärmt der Spanier. "Vielleicht einen Young-Driver-Test fahren, vielleicht einen Aerotest fahren, das wäre fantastisch."

Daniel Juncadella, Roberto Merhi

Formel-1-Stars der Zukunft? Juncadella (links) und Merhi sind heiße Kandidaten Zoom

In einem Punkt allerdings sind sich die DTM-Piloten einig: Im Vordergrund ihrer Karriere steht aktuell die DTM, auf die sie sich konzentrieren wollen, wo sie ihre sportlichen Erfolge zu feiern planen. "Schauen wir mal, was in zwei, drei oder vier Jahren ist. Wenn ich genug Erfahrung habe, dann kann ich an die Meisterschaft denken", blickt Juncadalla voraus. Denn am Ende ist die Königsklasse zwar ein Traum, aber nicht die Erfüllung aller Träume. "Einmal ein Formel-1-Auto zu testen, wäre für mich etwas Interessantes und Spezielles", sagt Spengler. Aber eben mehr auch nicht.