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Minutiös geplant: Der Tagesablauf bei der "Dakar"
Das Volkswagen-Duo Dieter Depping und Timo Gottschalk über den strikt durchgeplanten Alltag bei der härtesten Rallye der Welt
(Motorsport-Total.com) - In knapp 40 Tagen beginnt für die Volkswagen-Piloten bei der Rallye Dakar, die im Januar erstmals in Südamerika ausgetragen wird, ein anderes Leben. Gut zwei Wochen lang müssen sie ihren Tagesablauf unter schwierigsten Bedingungen den Anforderungen der härtesten Rallye der Welt unterordnen. Denn eines ist klar: Der Weg zum Erfolg führt nur über bedingungslose Disziplin. "Eine minutiöse und professionelle Planung ist bei der 'Dakar' unerlässlich, das gilt auch für die tägliche Routine der Piloten", so Volkswagen-Motorsport-Direktor Kris Nissen.

© VW
Dieter Depping und Timo Gottschalk treten erstmals bei der "Dakar" an
Das deutsche Duo Dieter Depping/Timo Gottschalk startet mit dem Race Touareg erstmals bei der "Dakar". Doch sie kennen den unumstößlichen Grundsatz des Marathon-Klassikers "Erwarte das Unerwartete" schon genau. So abwechslungsreich und unberechenbar die Strecken der 9.578 Kilometer langen Route auch sind, so durchorganisiert durchleben die Fahrer und Beifahrer den Alltag auf den 14 Etappen der "Dakar" - mit wiederkehrenden Ritualen und Pflichten, wie der "Blick hinter die Kulissen" des Teams Dieter Depping und Timo Gottschalk belegt.#w1#
Professionalität schon vor den ersten Metern
Der typische "Dakar"-Tag beginnt für die Teams nach dem Aufstehen unprätentiös. Während die Gedanken schon um die Etappe kreisen, gilt es, das Reisegepäck zu verstauen - vom Zelt bis zur Zahnbürste. "Wir haben auf zwei Service-Trucks je ein Staufach, in denen wir unsere Taschen verpacken", erläutert Depping. "Alles gibt es zweimal - damit wir, falls einer der Lkw stecken bleibt, auf jeden Fall weiterarbeiten können." Es folgt ein kurzes Frühstück und ein letzter Blick in die Beifahrer-Tasche, ob Roadbook und Arbeitsmaterialien griffbereit sind - für den Navigator unerlässlich.
Vor der Abfahrt führen Fahrer und Co-Pilot eine letzte Kontrolle des Race Touareg nach einer strengen Checkliste durch - ähnlich wie Flugzeug-Piloten. "Bevor es losgeht, kontrollieren wir beispielsweise den Reifen-Luftdruck, ob genügend Diesel an Bord ist und ob der Schlagschrauber für einen eventuellen Reifenwechsel geladen und auf 'Lösen' gestellt ist. Schließlich wollen wir im Falle eines Falles keine Zeit verlieren", so Gottschalk, der als Maschinenbau- und Fahrzeug-Prüfingenieur über profundes technisches Wissen verfügt.
"Ich selbst überprüfe, ob der sogenannte Tripmaster, ein hoch präziser Kilometerzähler, ordnungsgemäß funktioniert, und gebe den abends zuvor erhaltenen Tagescode in das GPS-Gerät ein, damit es später die obligatorisch anzufahrenden Wegpunkte erkennt. Dieser Schritt ist wichtig, weil ansonsten empfindliche Zeitstrafen oder gar ein Wertungsausschluss drohen", erklärt Gottschalk weiter.
Warm machen für den Wettbewerb
Wenn die Fahrer das Biwak verlassen, steht meistens eine sogenannte Verbindungsetappe auf dem Programm. "Dann stehen zunächst einige Kilometer in gemäßigtem Tempo bis zum eigentlichen Start an", erklärt Depping. "Das sind die wenigen Momente, in denen auch wir einmal die Landschaft genießen und uns locker unterhalten können. Aber es kann auch einfach still sein zwischen Timo und mir."
Bummeln ist für das Gespann, das bei der Zentral-Europa-Rallye im April den dritten Rang holte, dennoch nicht angesagt: Rechtzeitig muss das Duo am Start der Wertungsprüfung sein, um den Kontrollpunkt zur festgelegten Startzeit zu passieren. "Unser Ziel ist, eine halbe Stunde vor dem Start dort zu sein, um auf Nummer sicher zu gehen, falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Zuspätkommen wird empfindlich bestraft", so Gottschalk.
Höchste Konzentration für die Wertungsprüfung
Wenn der Countdown für den Start der Wertungsprüfung läuft, beginnt endgültig der Ernst des "Dakar"-Lebens. Für die nächsten Stunden - die Länge der Prüfungen variiert zwischen 215 und 670 Kilometern - gilt höchste Konzentration. Der Fahrer ist auf die Strecke, ihre Beschaffenheit und das richtige Tempo konzentriert, der Co-Pilot bestimmt die aktuelle Richtung und kontrolliert den Kurs insgesamt.
"Jeder hat seine genaue Funktion, ist aber gleichzeitig auf den anderen angewiesen", sagt Fahrer Depping. Im Klartext: Ohne Co-Pilot ist man bei der "Dakar" aufgeschmissen, denn anders als im klassischen Rallyesport bewegt man sich in offenem Gelände, das an sich keine Orientierung ermöglicht. Eine perfekt abgestimmte Kommunikation im Cockpit ist da unerlässlich, jedes Missverständnis würde Zeit kosten.
Auf übersichtlichen Abschnitten kann der Co-Pilot gelegentlich als Bedienung fungieren: "Wenn auf langen Etappen der Hunger kommt, muss mir Timo schon einmal ein Stück Müsli-Riegel in den Mund stecken", verrät Depping grinsend, meint es aber ernst: "Ohne Energie sinkt die Konzentration."
In außergewöhnlichen Situationen wird gemeinsam angepackt: Sollte unterwegs ein Reifenschaden auftreten - bei extrem harten Etappen kaum zu vermeiden - läuft eine intensiv trainierte Choreografie ab, um die Standzeit so kurz wie möglich zu halten. "Dann haben wir keine Service-Crew, dennoch muss jeder Handgriff sitzen", bringt Gottschalk auf den Punkt. Daher kennen Fahrer und Beifahrer ihren Race Touareg in- und auswendig, um im Ernstfall auch eine Reparatur sicher und schnell vornehmen zu können.
Die Spätschicht: getrennte Wege im Biwak
Ist das Ziel erreicht, können die Teilnehmer erst einmal durchatmen. "Wir steigen kurz aus, trinken schnell etwas und essen von unserer Ration. Hier ist auch die erste Gelegenheit, etwas über das Geschehen auf der Wertungsprüfung zu erfahren und den Druck weichen zu lassen", so Gottschalk. Anschließend steht noch die Verbindungsetappe ins Biwak an, das die Service-Crew parallel angesteuert und aufgebaut hat.
Für die Fahrer/Beifahrer-Crews warten mit der Ankunft im Servicepark schon die nächsten Pflichten, aber sie gehen erstmals getrennte Wege: Der Fahrer bespricht im "Debriefing" mit den Ingenieuren sehr genau den Verlauf der Etappe und trifft mit ihnen anschließend die Vorbereitungen für den nächsten Tag.
"Die Ingenieure müssen wissen, wie der Tag beziehungsweise der Race Touareg gelaufen ist - und welche Wünsche ich für die nächste Etappe habe", schildert Depping. "Die einzelnen Etappen unterscheiden sich zum Teil sehr stark. Danach richten sich auch Faktoren wie Fahrwerks abstimmung, die Tankmenge oder die Anzahl der Ersatzräder für den nächsten Tag." Parallel überprüfen die Mechaniker die Rennfahrzeuge und beginnen mit den Vorbereitungen für den nächsten Start.
Unterdessen nimmt der Beifahrer von der Rallye-Leitung das Roadbook für den nächsten Tag in Empfang. In einem Meeting mit den Organisatoren erfahren die Co-Piloten etwaige kurzfristige Änderungen an der Wegbeschreibung - ebenfalls ein Pflichttermin. Zudem setzen sich alle vier Co-Piloten aus dem Volkswagen-Team an einen Tisch und beraten sich für die Route am nächsten Tag. Mit Farbmarkierungen und gut sichtbaren Notizen passen die Beifahrer ihr Roadbook zur besseren Lesbarkeit im Rallye-Tempo an ihre Bedürfnisse an.
"Die wichtigen Zahlen über die Distanzen, aber auch der Streckenverlauf anhand der Symbole muss auf den ersten Blick verständlich sein, schließlich bleibt im Cockpit kaum Zeit zu überlegen", so Gottschalk. "Je nach Länge der Prüfungen kann das bis zu fünf Stunden dauern. Auch hier gilt, so gründlich wie nötig und so schnell wie möglich zu sein."
Erst wenn die Arbeit getan ist, darf das Gespann an sich selbst denken. "Duschen, notfalls aus der Wasserflasche, umziehen und dann ins Bett fallen - oder in den Schlafsack kriechen, nachdem wir unsere Zelte aufgestellt haben. Das passiert meist erst spät, ist aber sehr wichtig. Man muss sich unbedingt erholen", so der 34-Jährige. Schließlich steht am nächsten Morgen eine weitere harte Etappe an - und das Programm beginnt von vorn.

