Mercedes-AMG-Strafe in Spa: Die Hintergründe

Die Gründe für die Bestrafung von Mercedes-AMG bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps sind noch immer diffus - Ein Ausflug in Zündkurven und Zündwinkel

(Motorsport-Total.com) - Der Aufruhr war groß, als bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps 2016 sechs Mercedes AMG GT3 von den Teams HTP Motorsport, Black Falcon und AKKA ASP nach der Superpole bestraft wurden. Lange war unklar, was genau der Grund für die Aberkennung aller Superpole-Zeiten und der aufgebrummten Fünf-Minuten-Strafe im Rennen war. AKKA ASP rettete trotzdem noch Platz zwei im Rennen. Gegenüber 'Motorsport-Total.com' äußert sich AMG Customer Sports zum Thema.

Titel-Bild zur News: Yelmer Buurman, Maro Engel, Bernd Schneider

Die Strafe gegen Mercedes-AMG in Spa hatte komplexe Hintergründe Zoom

Grundlagen: Zündzeitpunkt und Zündwinkel

Motorenexperten dürfen diesen Abschnitt überspringen. Grund des Anstoßes ist der Zündzeitpunkt: Wann genau in einem Verbrennungsmotor im Arbeitstrakt gezündet wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Der offensichtlichste ist die Drehzahl: Da der Kolben sich bei hohen Drehzahlen schneller bewegt, kann die volle Leistung nur mit einer früheren Zündung erbracht werden als bei Leerlaufdrehzahl - sonst würde das Gemisch noch verbrennen, wenn sich der Kolben für den Ausstoß-Takt schon wieder nach oben bewegt. Daraus ergibt sich in einem Diagramm die sogenannte Zündkurve.

Gemessen wird der Zündzeitpunkt in "Grad Kurbelwelle vor oberer Totpunkt". Deshalb heißt der Zeitpunkt auch "Zündwinkel". Bei niedrigen Drehzahlen wird die Zündung erst eingeleitet, wenn der Kolben beinahe oben angekommen ist, also bei wenig Grad vor dem oberen Totpunkt. Bei hohen Drehzahlen ist der Zündwinkel größer, weil früher gezündet wird. Die Kurbelwelle hat bis zum oberen Totpunkt noch weiter zu drehen. Heißt also: Niedrige Drehzahl: kleiner Zündwinkel; hohe Drehzahl: großer Zündwinkel.

Umgebungsbedingungen bei Homologation freigestellt

In modernen Motoren bestimmen natürlich noch viele andere Faktoren den Zündzeitpunkt, unter anderem die Umgebungsbedingungen. Und diese waren es, die Mercedes zum Verhängnis geworden sind. Stefan Wendl, Technischer Projektleiter bei AMG Customer Sports, erklärt: "Wir haben die Zündkurve eintragen lassen, als wir die FIA-Basishomologation des Autos vorgenommen haben. Die FIA hat dabei freigestellt, unter welchen Bedingungen die Homologation auf dem Prüfstand vorgenommen werden kann." AMG Customer Sports hielt sich dabei an europäische Normbedingungen und testete bei 25 Grad Außentemperaturen und 1.013 Millibar Luftdruck.

Das einzige Problem bei der ganzen Sache: "In dieser FIA-Homologation sind Grenzen, Toleranzen oder Korrekturwerte weder nach oben noch nach unten definiert", erläutert Wendl. Je nach Bedingungen nimmt die Elektronik bei Motoren mit Klopfregelung, deren Nutzung im GT3-Sport erlaubt ist, weitere minimale Änderungen am Zündzeitpunkt vor, sodass der Motor bei jedem Wetter seine optimale Leistung erbringt. Gerade bei einem 24-Stunden-Rennen, bei dem die Temperaturunterschiede (und damit der Sauerstoffgehalt der Luft) zwischen Tag und Nacht teils eklatant sind, ist das von zentraler Bedeutung.


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SRO-Lesart widerspricht der von AMG

Also, Toleranzen sind keine vorgegeben, sodass AMG eine Zündkurve homologiert hat, die basierend auf der Klopfregelung nach oben und unten abweichen kann. Und lief damit bei der Stephane Ratel Organisation, der Hoheitsorganisation der Blancpain GT Series, ins offene Messer, wie Wendl erläutert: "Die SRO hat es nun so gesehen, dass die Zündkurve, die homologiert wird, einen Maximalwert darstellt!" Ein simpler Unterschied in der Interpretation der Regeln war also ausschlaggebend für die Aberkennung aller Superpole-Zeiten und die Stop-and-Go-Strafe gegen die sechs AMG GT3.

AMG Customer Sports ist von dieser Regelauslegung wenig angetan: Schließlich müssten die Hersteller nach dieser Lesart viel zu hohe Zündwinkel homologieren. Unter diesen Werten dürfen sie dann beliebig drunter bleiben. Mehr noch: Sandbagging könnte ganz einfach betrieben werden, indem die Hersteller bei kleineren Rennen mit schlechten Werten fahren. Für Elite-Rennen wie die 24 Stunden von Spa-Francorchamps oder vom Nürburgring müsste die Zündkurve nur angepasst und in den optimalen Bereich gebracht werden - ganz legal, solange die Zündwinkel kleiner sind als die homologierten.

Tristan Vautier, Felix Rosenqvist

Das AMG-Team AKKA ASP rettete noch den zweiten Rang Zoom

"Für uns ist die Herangehensweise, einen Durchschnitt zu homologieren und dabei Abweichungen in einem gewissen Rahmen nach oben und unten zuzulassen, der logische Weg", findet Stefan Wendl. Das Problem wurde bei einer FIA-Sitzung zu Sprache gebracht. Der gesamte Fall wird beim nächsten Treffen der technischen Arbeitsgruppe der FIA diskutiert werden. Ein Datum für diese steht noch nicht fest, wird aber für Ende Oktober erwartet.

Zu wenig Zeit zum Einspruch

Für AMG begann vor dem Rennen ein Wettlauf gegen die Zeit, denn es waren zunächst die Teams, die zu den Technischen Kommissaren gerufen wurden, und nicht der Hersteller selbst. Die Teams haben dann ihre jeweiligen Strafzettel unterschrieben. Von dem Moment an tickt die Uhr für die Protestfrist. Während die Teammitglieder bereits wieder in ihre Garagen zurückgingen, saßen die AMG-Verantwortlichen noch bei den Kommissaren, um sich anzuhören, was ihnen eigentlich vorgeworfen wird. Als das einmal bekannt war, mussten sämtliche Teamverantwortliche erneut zusammengetrommelt werden.

Die Vorwürfe waren von komplexer Art. Bis sie komplett eruiert waren und in Absprache mit den Teams eine Entscheidung getroffen wurde, ist schlicht und einfach zu viel Zeit vergangen. Letztlich verpasste man die Einspruchsfrist um fünf Minuten. Allerdings wäre ohnehin nur ein Protest gegen die Strafversetzung möglich gewesen, da es gegen die Fünf-Minuten-Strafe kein Rechtsmittel gab. Die meisten AMGs hatten Glück im Unglück und konnten die Strafe unter FCY-Bedingungen absitzen. Tristan Vautier, Felix Rosenqvist, und Renger Van der Zande holten für AKKA ASP noch einen zweiten Platz im Rennen.


Fotos: 24 Stunden von Spa-Francorchamps


Der Fall zeigt auf, wie problematisch es sein kann, wenn verschiedene Parteien ein Reglement einer anderen Partei deuten muss.

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