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  • 09.04.2015 10:13

  • von Roman Wittemeier

WEC-Vorschau: Silverstone als erste Standortbestimmung

Titelverteidiger Toyota gegen Audi und Porsche: Welcher Hersteller startet am besten in die neue WEC-Saison? - SARD-Morand sagt Teilnahme beim Auftakt ab

(Motorsport-Total.com) - Mit dem 6-Stunden-Rennen in Silverstone startet die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) am kommenden Wochenende in die Saison 2015. Der erste Lauf des Jahres in Großbritannien soll erste Hinweise auf die Hackordnung in der hart umkämpften LMP1-Klasse liefern. Beim offiziellen Test in Le Castellet präsentierte sich Porsche über eine Runde extrem stark, Audi überzeugte mit hohem Tempo auf die Distanz. Und Toyota? Die Weltmeister zeigten ihr Potenzial nicht einmal ansatzweise.

Titel-Bild zur News: Romain Dumas, Neel Jani, Marc Lieb, Anthony Davidson, Sebastien Buemi, Kazuki Nakajima, Lucas di Grassi, Oliver Jarvis

Kämpfen um die Gesamtsiege in der WEC: Porsche, Toyota und Audi Zoom

Die Japaner konnten im vergangenen Jahr mit einem Doppelerfolg in Silverstone den Grundstein für eine erfolgreiche Saison legen. Doch ein Blick auf das Ergebnis von 2014 trügt, denn beim Auftakt des Vorjahres hatte Audi das schnellste Auto gehabt. Die Ingolstädter verloren jedoch beide R18 im Rennen durch Unfälle von Lucas di Grassi und Benoit Treluyer. Betrachtet man die Eigenheiten des neuen Audis (mit 4MJ-Hybrid), so gelten die Le-Mans-Sieger auch 2015 als Favoriten auf einen Silverstone-Erfolg.

"Das Auto hat einen extremen Schritt gemacht, auch bezüglich der Fahreigenschaften. Der neue R18 ist nach meiner Ansicht viel agiler. Er liegt besser, vor allem bei der Kombination von schnellen und langsamen Ecken, wo man immer einen Kompromiss braucht", schildert Marcel Fässler die Besonderheiten seines Rennfahrzeuges. Teamkollege Andre Lotterer stellt klar: "Wenn du mit einem Hersteller wie Audi zu einem Rennen kommst, dann hast du immer nur den Sieg im Kopf. Etwas anderes gibt es nicht!"

Audi und Porsche legen erheblich nach

Audi hat den R18 in den Bereichen Antrieb, Aerodynamik und Kinematik umfassend überarbeitet. Das neue FRIC-System, das eine rein mechanische Verbindung von vorderer und hinterer Aufhängung bietet, wird den Ingolstädtern auf nahezu allen Strecken helfen. "Ob wir damit schneller sind als die anderen, das weiß ich natürlich noch nicht. Das sehen wir frühestens in Silverstone. Ich bin aber sehr optimistisch", meint Lotterer. Audi überraschte sich selbst: Beim Rollout in Aragon spulte man aus dem Stand 4.000 Kilometer ohne Probleme ab.

Porsche setzt im Wettbewerb auf eine regelrechte Rakete. Die Werksmannschaft aus Weissach gibt die Systemleistung des neuen 919 Hybrid offiziell mit "rund 1.000 PS" an und liegt damit im Bereich der Power des Toyota TS040. Der Porsche rekuperiert die Hybridenergie teils über den Abgastrakt und hat im Wettbewerb somit den Vorteil, die Batterien auch während der Fahrt laden zu können. Audi und Toyota setzen auf KERS und rekuperieren nur in den Bremszonen.

Romain Dumas, Neel Jani, Marc Lieb

Rennt der Konkurrenz über eine Runde davon: Porsche 919 Hybrid Zoom

Das Porsche-System, das zur Saison 2015 auf die maximalen acht Megajoule erweitert wurde, könnte in Silverstone zum Trumpf werden. Der 919, der sein "Übergewicht" von rund 30 Kilogramm aus dem Vorjahr nun nicht mehr mitschleppen muss, war beim Test in Le Castellet über eine schnelle Runde das eindeutig potenteste Fahrzeug, man darf sich im neuen Qualifying der WEC große Hoffnungen auf die Pole-Position machen. Allerdings hat man die Reifenhaltbarkeit über die Distanz immer noch nicht optimal im Griff - ein großer Nachteil im Wettbewerb.

Toyota verbessert TS040 in vielen Details

Mit Konstanz und Tempo hat sich Toyota im vergangenen Jahr die WM-Krone aufgesetzt. Die klaren Ziele der Japaner lauten: Titelverteidigung und Le-Mans-Triumph. Wie gut der neue TS040 ist, wurde beim Prolog auf dem "Circuit Paul Ricard" nicht deutlich. Bei privaten Testfahrten auf der südfranzösischen Strecke war man erheblich schneller als bei den offiziellen Probefahrten Ende März. Toyota deckt die Karten erst auf dem Weg in Richtung Le Mans auf. In Silverstone muss man das Team auf der Rechnung haben.

"Vom Fahrgefühl her haben wir meiner Meinung den größten Schritt der letzten drei Jahre gemacht. Es ist nicht unbedingt leichter, aber auch nicht unbedingt schwieriger", beschreibt Alex Wurz die Eigenheiten des Toyotas. "Die Entwicklung wird halt immer mehr vorangetrieben, macht alles ein weniger enger. Die Aero wird mehr ausgefeilt, das Fenster wird kleiner. Aber das ist alles relativ normal. Da muss man sich zusammennehmen, cool bleiben und dann geht das schon."

Anthony Davidson, Sebastien Buemi, Kazuki Nakajima

Mit der Nummer 1 in den Wettbewerb: Buemi, Davidson und Nakajima Zoom

Toyota hat das im Vorjahr so erfolgreiche Fahrzeug vor allem in aerodynamischen Details weiterentwickelt. Auch am Hybridsystem gab es Veränderungen. Man bleibt zwar in der 6MJ-Hybridklasse, aber erreicht die maximale Leistung des elektrischen Antriebssystems unter anderem wegen neuer Generatoren an der Vorderachse häufiger als in der Saison 2014. Beim Auftakt in Silverstone werden sich die Japaner - zumindest etwas - aus der Deckung trauen müssen.

LMP2-Klasse: SARD-Morand fehlt beim Auftakt

Die LMP1-Klasse wird bei den ersten beiden Saisonrennen in Silverstone und Spa-Francorchamps durch nur ein einziges privates Fahrzeug komplettiert. ByKolles (ehemals Lotus) bringt den CLM P1/01 für Simon Trummer und Vitantonio Liuzzi. Pierre Kaffer muss wegen eines Einsatzes in den USA bei den beiden ersten WEC-Rennen des Jahres passen. Rebellion steigt nach dem Umbau auf AER-Antriebe später in den Wettbewerb ein.

In der LMP2-Klasse gehen am kommenden Wochenende acht Fahrzeuge in das Rennen. Die beiden Morgan-Judd von SARD-Morand werden fehlen - aus "administrativen und rechtlichen Gründen", wie es von der schweizerisch-japanischen Mannschaft heißt. Angeblich hakt es im geplanten Verkaufsprozess an das ukrainische Unternehmen Kairos. Stammpilot Pierre Ragues ist "voller Hoffnung", dass man ab Spa fahren wird. Der Franzose mag aber "zum aktuellen Zeitpunkt keinen weiteren Kommentar abgeben".

Simon Trummer, Pierre Kaffer

Einzelkämpfer als privates LMP1-Team: ByKolles startet in Silverstone Zoom

Im Kampf um die Klassensiege darf man wohl ein enges Duell zwischen G-Drive und KCMG erwarten. Die Mannschaft des Russen Roman Russinow setzt ab sofort zwei Ligier-Nissan ein, man hat sich unter anderem mit Sam Bird verstärkt. KCMG bringt den neuen Oreca 05 in den Wettbewerb. Das neue Coupe überzeugte bei bisherigen Tests mit großem Potenzial. Signatech-Alpine, Strakka und ESM (in Silverstone mit David Brabham) rechnen sich Chancen aus, bei Oak wollen Jacques Nicolet und seine Freunde Erik Maris und Jean-Marc Merlin einfach nur Spaß haben.

GTE-Klassen: Das Versteckspiel geht weiter

In der GTE-Pro-Kategorie stellt sich vor dem Start in die neue WEC-Saison die Frage, wer überhaupt gewinnen will? Das Beispiel von Porsche aus dem Vorjahr dürfte einige Zurückhaltung erzeugen. Die Zuffenhausener hatten mit ihrem 911er im Vorjahr in Silverstone im Regen gewonnen und waren dafür bei den Einstufungen bitter bestraft worden. Weder die Deutschen, noch Aston Martin und Ferrari werden die Karten voraussichtlich komplett aufdecken.

Die Titelverteidiger von AF Corse gehen in unveränderter Aufstellung und mit einem nur leicht angepassten Ferrari 458 Italia an den Start. Die enorme Effizienz des künftig vom neuen 488 ersetzten Italieners soll wieder der Trumpf sein. Porsche hat seinen Elfer im Rahmen der eher geringen Möglichkeiten, die das Reglement zulässt, überarbeitet. Man zielte bei den Entwicklungen auf eine bessere Reifennutzung ab. Beim Test in Le Castellet hinterließ der 911er einen guten Eindruck.

Fernando Rees

Die Ferrari-Jäger: Aston Martin Vantage V8 (vorne) und Porsche 911 RSR (hinten) Zoom

Aston Martin hat sich bei der Entwicklung des Vantage auf die Standfestigkeit fokussiert, um den guten Speed des Fahrzeuges 2015 endlich in die gewünschten Erfolge ummünzen zu können. Mücke/Turner gehen wieder als Speerspitze in den Dreikampf der Werke. Das dänische Young-Driver-AMR-Team hat ein Fahrzeug in die Pro-Klasse hochgezogen, somit gehen insgesamt drei Vantage an den Start. In der Amateurklasse darf man auf die Corvette von Larbre gespannt sein.

Silverstone in April: Was macht das Wetter?

Vor allem in den GTE-Klassen könnte das Wetter auf den Rennausgang erheblichen Einfluss haben, denn der Porsche ist aufgrund seines Konzeptes mit Heckmotor bei Nässe nahezu unschlagbar (siehe 2014). Werden die Deutschen um Teamchef Olaf Manthey in diesem Jahr erneut zum Klassensieg gespült? Die aktuellen Vorhersagen für das Silverstone-Wochenende der WEC weisen keine erhöhte Regengefahr aus.

Am Freitag geht man bei leicht bewölktem Himmel und Temperaturen von bis zu 19 Grad auf die trockene Strecke. Dabei weht ein kräftiger Wind, der zum Samstag sogar noch zunimmt. Bei kühleren Werten am zweiten Tag muss am Vormittag mit einigen Regentropfen gerechnet werden. Die mäßige Brise mit kräftigen Böen (bis zu 60 km/h Windgeschwindigkeit) trocknet die Strecke jedoch schnell ab. Am Renntag flaut die Brise ab, es bleibt bei maximal 13 Grad durchweg trocken.


Fotostrecke: WEC in Silverstone: Fakten zum Rennen

Die WEC bestreitet am Freitag um 11:55 Uhr und 15:55 Uhr zwei jeweils 90-minütige Trainings, am Samstag gibt es ab 09:00 Uhr noch einmal eine Stunde lang ein Freies Training. Die Qualifikation findet anschließend um 12:00 Uhr statt. Zur gleichen Zeit startet am Sonntag das Rennen über sechs Stunden (hier der komplette Zeitplan). Im Rahmenprogramm absolvieren die European-Le-Mans-Series (ELMS) und die Formel-3-Europameisterschaft ihre ersten Rennen der neuen Saison.