• 05.10.2017 15:41

  • von Roman Wittemeier

Peugeot kommt nicht: Und was nun, ACO?

Porsche geht, Toyota zögert und Peugeot ist nicht in Sicht: Mit trotzigen Aussagen kommt der ACO auch nicht weiter, meint Redakteur Roman Wittemeier

Titel-Bild zur News: Neel Jani, Andre Lotterer, Nick Tandy, Timo Bernhard, Earl Bamber, Brendon Hartley, Stephane Sarrazin, Kazuki Nakajima

Der Wettbewerb der LMP1-Klasse hat in den vergangenen Jahren Spaß gemacht Zoom

Liebe Freunde der Tertre-Rouge,

wird beim ACO nochmal jemand die Kurve kriegen? Im Moment habe ich das Gefühl, dass die Herren aus Le Mans wie auf der Hunaudieres-Geraden richtig Schwung holen, um den Karren in der Mulsanne-Ecke in die Wand zu setzen. Was in den vergangenen Wochen als Aktionsplan für eine bessere LMP1-Zukunft (und somit auch WEC-Zukunft) verkauft wurde, halte ich für lächerlich. Vor allem der Ton, der in den jüngsten ACO-Mitteilungen mitschwingt, kann niemals zielführend sein.

Nochmal kurz zur Erinnerung: Als Audi seinen Abschied zum Ende der Saison 2016 verkündete hieß es von den Herren aus Le Mans lapidar, dass "Hersteller gehen, neue Hersteller kommen". Kam aber keiner. Als Porsche seinen Rückzug zum Ende dieses Jahres bekanntgab, bezeichneten ACO und FIA diese Entscheidung als "überstürzt". Immerhin hätte sich das Werksteam aus Weissach bis 2018 der LMP1 verschrieben und aktiv an der Regelfindung für 2020 mitgewirkt.

Immer wieder spielte man die Karte Peugeot. Wie real das angebliche Interesse der "Löwen" an einem Comeback in Le Mans war, werden wir niemals herausfinden. Fest steht aber, dass sich ACO und FIA phasenweise mehr von Peugeot hat beeinflussen lassen als von den aktiven LMP1-Werken Toyota und Porsche. So kam es beispielsweise zum absurden Plug-in-Hybrid-Plan im ursprünglichen Reglement 2020 - was nun wieder verworfen ist.


Fotos: BMW testet den neuen M8 GTE


Geht der Benzin-Deal nun total daneben?

Als Schlüssel zu einem möglichen Comeback sah der ACO unter anderem den Mineralölkonzern Total, der im Motorsport schon lange mit der PSA-Marke verbunden ist. Shell musste für die Zeit ab 2018 weichen, Total wurde als neue Spritlieferant der gesamten WEC verkündet. Etwas voreilig, liebe Herren! Nach Informationen von 'Motorsport-Total.com' ist der Deal zwar verhandelt worden, aber noch nicht unterschrieben. Und die Lust von Total auf die WEC ist in den vergangenen Wochen nicht größer geworden.

Schuld daran ist unter anderem das jüngste Statement des ACO zum vermeintlich abgesagten Comeback von Peugeot in der LMP1-Klasse. Aus Reihen des PSA-Konzerns oder aus der Sportabteilung der "Löwen" in Viry-Chatillon war mit keiner Silbe zu vernehmen, dass das Interesse an einem Le-Mans-Programm komplett erloschen ist, aber der ACO schließt dies aus der Tatsache, dass die Franzosen ihr Engagement mit Sebastian Loeb in der Rallycross-WM hochschrauben. Ist das schlau?

Bruno Famin

Peugeot-Sportchef Bruno Famin war unter anderem in Le Mans zu Gast Zoom

"Wir können das nur akzeptieren und in den kommenden Jahren nochmal einen neuen Termin mit ihnen machen", heißt es im ACO-Statement vom Mittwoch. Das Engagement anderer Hersteller und Teams werde schon die Wahrheit aufzeigen. Mit solchen Aussagen wird man kaum neue Werke anlocken können, denn diese trotzige Art kommt sicher in keiner Vorstandsebene großer Konzerne gut an. Wenn du nicht mit mir spielst, dann spiele ich eben mit anderen - was für ein Kindergarten!

Suche nach Werken: ACO/FIA putzen Klinken

Welche Werke sollen sich denn tatsächlich engagieren und Peugeot damit aufzeigen, dass sie sich womöglich falsch entschieden haben? Porsche nicht, Audi nicht, Nissan nicht - und Toyota vielleicht auch nicht. Die jüngsten Entwicklungen kommen weder bei TMG in Köln noch bei der Toyota Motor Company (TMC) in Japan gut an. Ob der TS050 in der sogenannten "Supersaison" 2018/19 überhaupt eingesetzt wird, steht noch in den Sternen.

"Wir haben Zeit, uns zu entscheiden. Wenn es nicht Mitte Oktober passiert, dann eben später" sagt TMG-Chef Rob Leupen. Man wird abwarten, was die aktuelle Abfrage von ACO und FIA bei Herstellern ergibt. In der Hersteller-Kommission der FIA will man die Interessen der Anwesenden abfragen und erfahren, ob und unter welchen Voraussetzungen ein LMP1-Projekt der verschiedenen Hersteller denkbar wäre. Das ist bitteres Klinkenputzen und nebenbei ein Schlag ins Gesicht der Werke, die die WEC mit aufgebaut haben.

Rob Leupen

Toyota-Entscheidung nicht dringend: TMG-Boss Rob Leupen will abwarten Zoom

Ich habe in den zurückliegenden Jahren immer wieder mit aller Offenheit versucht zu verstehen, was die Franzosen in der WEC und in Le Mans so treiben. Im Fahrerlager gab es immer wieder einen Satz zu hören: "Die sind beratungsresistent und sitzen auf einem extrem hohen Ross." Vielleicht ist das wirklich so? Um das herauszufinden, habe ich mich in den vergangenen Wochen ganz bewusst mit französischen WEC-Piloten unterhalten, die die Mentalität der Macher von WEC, FIA und ACO verstehen sollten.

Franzosen verstehen Franzosen nicht mehr

Hier möchte ich auszugsweise die Aussagen eines französischen Piloten wiedergeben, der seit vielen Jahren nicht nur schnell Rennautos bewegt, sondern auch engste Drähte zu ACO und Herstellern pflegt: "Ich habe so oft versucht, mit den Herren zu sprechen, aber die sitzen auf einem unglaublich hohen Ross. Als ich zuletzt meine Meinung zur sogenannten 'Super-Saison' geäußert habe, da habe ich klar erklärt, dass nicht ein neuer Kalender die Medizin für eine kränkelnde Serie sein kann. Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, einen regelrechten Umbruch. Was war die Antwort? Dass man vorsichtig sein muss und ein funktionierendes Businessmodell nicht aufs Spiel setzen möchte."

"Ein funktionierendes Businessmodell? Ernsthaft? Wo ist das denn zu finden in der WEC? Bei den Teams jedenfalls nicht. Und genau da liegt das Problem. Die Serie wird von Menschen geleitet, die noch nie ein Team betrieben haben", sagte mir der Pilot. Und weiter: "Wir alle wissen doch, dass es nur logisch wäre, die DPis in der WEC fahren zu lassen. Das tun sie aber nicht, weil sie dafür zu stolz sind. Ich behaupte sogar, dass sie regelrecht Angst vor der IMSA haben. Vielleicht zurecht, denn ich sehe mittelfristig die IMSA-Serie als die stärkere an. Da muss sich die WEC warm anziehen - aus eigenem Verschulden heraus."

Gerard Neveu Pierre Fillon

Herrschen über Le Mans und die WEC: Gerard Neveu und Pierre Fillon Zoom

ACO und FIA sehen die Rettung zumindest für die kommenden zwei Jahre darin, die privaten LMP1-Autos in der Performance auf das Niveau von Toyota zu heben. Wie soll das denn gehen? AER und Nismo sind auch beim aktuell begrenzten Fuel-Flow schon genügend Motoren um die Ohren geflogen. Da geht nicht mehr! Am morigen Freitag sollen in der Sitzung der Technical Working Group (TWG) in Paris entsprechende Lösungen präsentiert werden. Ich bin nicht der einzige, der sehr gespannt auf die neuen Ideen ist.

Bald gar keine Prototypen mehr am Start?

Wenn die Privaten nicht schneller gemacht werden können, dann müsste man den Toyota TS050 Hybrid einbremsen, um einen spannenden Wettbewerb um Gesamtsiege zu ermöglichen. Aber das ist ein Tabu. "Eines steht felsenfest: Wir werden nicht einen Euro investieren, um unser Auto zurückzurüsten", stellt Rob Leupen klar. Verständlich: Toyota hat so viel Geld in die Entwicklung des Autos samt Hybridsystemen und - nicht zu vergessen! - in die Vermarktung der gesamten Serie, dass ein Einbremsen ein Unding wäre.

Lässt sich keine adäquate Lösung für einen vernünftigen Wettbewerb an der Spitze der WEC finden, dann ist die Serie tot. Und dieses Szenario ist alles andere als unwahrscheinlich. Gut möglich, dass die WEC - oder wie auch immer die Rennserie dann heißen mag - ganz ohne LMP1-Klasse agieren wird. Die LMP2-Autos haben die Bühnen ELMS, AsLMS und IMSA. Die stark besetzte GTE-Pro-Klasse mit ihren zahlreichen Herstellern könnte dann die Show machen und verdientermaßen im Fokus stehen.


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Den GT-Herstellern wie Ferrari, Porsche, Aston Martin, Ford, BMW oder Chevrolet wäre eine zentrale Position auf der großen Bühne zu wünschen, aber dennoch wäre für mich persönlich ein Ende der LMPs ein Horrorszenario. Die schnellen Prototypen stehen für Le Mans, für den intensiven und spektakulären Wettbewerb auf der Langstrecke. Aber leider haben die regulatorischen Grundlagen dieser Szene wohl ihr Verfallsdatum erreicht ...

Viele Grüße,

Roman Wittemeier