• 23.06.2016 14:30

  • von Roman Wittemeier

GTE-Pro-Einstufungen: Turboduell sollte Augen öffnen

Duell zwischen Ford und Ferrari, dahinter alle anderen chancenlos: Kritik an den Einstufungen bleibt laut - Porsche-Motorsportchef übt gleichzeitig Selbstkritik

(Motorsport-Total.com) - Hat Le-Mans-Veranstalter ACO hellseherische Fähigkeiten? Diese Frage wurde nach den 24 Stunden von Le Mans 2016 beim Blick auf das offizielle Werbeplakat des Events immer wieder gestellt. Der Automobile Club de l'Ouest (ACO) hatte im Vorfeld das Comeback von Ford und das erneute Duell gegen Ferrari klar in den Fokus gerückt. Da wunderte es nur wenige, dass genau diese beiden Marken dem Wettbewerb in der GTE-Pro-Klass eindeutig ihren Stempel aufdrückten.

Titel-Bild zur News: Chip Ganassi, Ryan Briscoe, Richard Westbrook, Scott Dixon, James Winslow, Shinji Nakano

Nur in der nassen Phase zu Beginn konnte Porsche seine Stärken ausspielen Zoom

Die Schwächen in der Balance-of-Performance (BoP) für das wichtigste Rennen des Jahres auf der Langstrecke waren bereits in den Trainings mehr als deutlich geworden. Ford und Ferrari tanzten den Gegnern Porsche, Corvette und Aston Martin nach Belieben auf der Nase herum. Kurzfristige Anpassungen der Einstufungen für das Rennen brachten nur marginale Veränderungen. Der Klassiker der 1960er-Jahre konnte am Samstag und Sonntag vor 263.500 Zuschauern ungehindert ein Revival feiern.

"Überraschung war das für mich keine. Es ist genauso, wie ich es immer erwartet hatte", sagt Porsche-Motorsportchef Frank-Steffen Walliser im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com', ohne dabei die Leistungen der Sieger schmälern zu wollen. Porsche war ebenso wie Corvette und Aston Martin ohne Chance - sie spielten die Nebenrollen. "Jetzt gibt es nicht nur GTE, sondern auch GTF - F für Ferrari und Ford", unkte ein Wettbewerber schon vor dem Rennstart.

Keine Neuwagen: Kompromisse an den Autos von Porsche und Co.

"Zum Hans Stuck habe ich gesagt: 'In Le Mans gibt es nichts geschenkt'. Er weiß es schon, wir lernen es gerade", zuckt Porsche-Rennleiter Walliser mit den Schultern. "Für uns im GT-Bereich war es eine große Enttäuschung. Aber man darf nicht nach links oder rechts schauen, sondern muss sich an die eigene Nase fassen. Es ist unser eigenes Geschäft. Das müssen wir selber besser machen. Es war nicht so, wie wir das von uns erwartet hätten. Das darf und soll nicht passieren, passiert aber manchmal trotzdem."

"Wir müssen da ein paar Nächte drüber schlafen und analysieren, was wir besser machen sollten. Wir waren schließlich schon ein paarmal hier. Warum passiert es dann trotzdem? Es waren einige viele Jahrzehnte nicht hier - und die können es auch. Das ist nun unser Maßstab", sagt Walliser in seine ersten Analyse nach dem Rennen. Klar ist: Während Ford und Ferrari mit brandneuen Autos und Turboantrieben agieren, haben die anderen drei Marken nur modifizierte "Altautos" an den Start gebracht.

"Wir konnten nicht alles ausschöpfen, was die Aerodynamik zulässt", gibt der Porsche-Motorsportchef zu. "Die Idee war, dass wir nicht mit einem brandneuen, sondern mit einem ausgereiften Auto kommen. Dann fahren wir durch und schauen mal. Genau das ist nicht gelungen. Man hat aber in der GTE-Szene gesehen, dass es starke Unterschiede in den Einstufungen gab und dass die Turbos anders eingestuft waren als die Saugmotoren."


Allan McNishs Highlights aus Le Mans

"Zwischen der Start- und der Zielflagge weiß man nie, was Le Mans für einen zu bieten hat"

Wie stark die Übermacht von Ford und Ferrari im Rennen war, wird beim Blick auf die schnellsten Rennrunden der Fahrer deutlich. 19 der insgesamt 21 Fahrer der beiden Marken platzierten sich mit zwei Sekunden Abstand vor allen Piloten von Porsche, Aston und Corvette. Einzig Davide Rigon und Andrea Bertolini fielen etwas ab. Kein Wunder: Der AF-Corse-Ferrari 488 GTE mit der Startnummer 71 war bei ihren Fahrten bereits von Defekten geplagt.

Ford-Stärke als Weckruf für ACO und FIA sogar hilfreich?

"Ich finde es gut, was Ford gezeigt hat", überrascht Clearwater-Ferrari-Pilot Rob Bell mit einer provokanten Aussage. "Es war der ultimative Weckruf. Jetzt wissen FIA und ACO, dass die Hersteller dem BoP-Prozess einen Schritt voraus sein können. Sie behaupten immer, sie hätten alle notwendigen Daten und wüssten genau, was sie tun. Ford hat gezeigt, dass dem nicht so ist. Die Regelhüter sind immer einen oder zwei Schritte zurück", so der Brite. Die Herangehensweise von ACO und FIA sei "pure Arroganz", so Bell bei 'dailysportscar.com'.

Aus Sicht des GTE-Am-Piloten, der am Steuer des alten Ferrari 458 Italia in Le Mans auf Klassenrang vier ins Ziel kam, führt die Dominanz der beiden F-Marken zu Langeweile in der Amateurszene 2017. Da Ford keine Kundenautos anbietet und Porsche sein dann neues RSR-Geschoss noch nicht an Kunden geben darf, werden nahezu alle Teams wohl auf den Ferrari 488 setzen. "Der Ferrari ist ohnehin das beste Auto für die GTE-Am-Klasse", so Bell. "Aston wird bestimmt ein paar Autos im Wettbewerb haben, aber die Vielfalt geht doch verloren."

Giancarlo Fisichella, Toni Vilander, Matteo Malucelli

Nur ein Ferrari 488 GTE kam durch: Risi erreichte Rang zwei hinter Ford Zoom

Wie wird sich auf Grundlage des Leistungsgefüges der weitere Wettbewerb 2016 in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) darstellen? Niemand muss seine wahre Performance mehr verschleiern, also werden Ford und Ferrari dominant bleiben. "In den USA stehen wir immer auf dem Podium", wundert sich Porsche-Motorsportchef Walliser. "Dort bleibt es knackig, das traue ich den Regelhütern in den USA zu. Die haben die Leistungskurven nach rechts und links verlängert und schauen sich die übrigen Drehzahlbereiche an und solche Dinge. Dort läuft es etwas anders."

Abseits vom möglichen Interesse, den Fans bei der Rückkehr von Ford ein Revival des Duells gegen Ferrari bieten zu können, gibt es aber noch andere Elemente, die es bei der Einstufung zu berücksichtigen gilt. Die Autos von Ferrari und Ford sind auf Grundlage des neuen Regelwerks entstanden. Sie nutzen alle Möglichkeiten aus. Und: Die beiden Autos fahren mit Turbomotoren. Porsche 2017 auch? "Mein Dienstwagen wird ein Turbo", schmunzelt Walliser. "Dazu tätigen wir am Ende des Jahres eine Aussage. Wir sind voll in den Tests, die neuen Autos fahren rauf und runter."


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