• 20.03.2013 08:14

  • von Roman Wittemeier

50 plus 50: 100 Jahre Le-Mans-Leidenschaft

Zwei frühere Weggefährten und heutige LMP1-Konkurrenten feiern ihren runden Geburtstag: Dieter Gass (Audi) und Pascal Vasselon (Toyota) werden 50

(Motorsport-Total.com) - Audi-Rennleiter Dieter Gass und TMG-Technikchef Pascal Vasselon haben in ihrer bisherigen Motorsportkarriere viele Parallelen erlebt. Beide arbeiteten gemeinsam im Formel-1-Projekt von Toyota, beide sind heute in der LMP1-Szene die größten Konkurrenten. Der Zufall hat dem Franzosen und dem Deutschen eine Gemeinsamkeit beschert, die für immer Bestand haben wird. Dieter Gass und Pascal Vasselon wurden am 20. März 1963 geboren - der eine in Firminy (Frankreich), der andere in Gießen (Deutschland).

Titel-Bild zur News: Dieter Gass Pascal Vasselon

Glückwunsch: Dieter Gass (links) und Pascal Vasselon (rechts) werden 50 Jahre Zoom

Am heutigen Mittwoch feiern die beiden Verantwortlichen der Le-Mans-Programme von Audi und Toyota ihren 50. Geburtstag. Anlässlich dieses großen Tages im Leben der beiden leidenschaftlichen Racer hat 'Motorsport-Total.com' Pascal Vasselon und Dieter Gass zum gemeinsamen Gespräch an einen Tisch gesetzt. Im Doppelinterview sprechen die beiden LMP1-Macher über die gemeinsame Vergangenheit in der Formel 1 und die großen Chancen der WEC-Szene.

Frage: "Dieter und Pascal, zunächst einmal die herzlichsten Glückwünsche zu der 'geteilten 100'. Was wünschen Sie sich zu Ihrem runden Geburtstag?"
Gass: "Ich würde gern die nächsten 50 Jahre so schadlos und mit Freuden erleben wie die ersten 50. Ich habe eine tolle Familie, die ich mir besser nicht wünschen könnte. Und ich habe einen Job, der mir viel Freude macht. Viel besser kann es nicht werden."
Vasselon: "Persönlich wünsche ich mir natürlich das gleiche. Und nach dem Sportlichen braucht man einen Racer nicht zu fragen. Schauen Sie sich nur unsere Saisonziele an, und Sie kennen die Antwort."

Rivalen der Rennbahn

Frage: "Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum jeweils anderen beschreiben?"
Vasselon: "Seit unserem ersten Treffen in den 1990er-Jahren, pflegen wir eine freundschaftliche und direkte Beziehung. Dieter hat einen fantastischen Sinn für Humor, was insbesondere in stressigen Zeiten die Zusammenarbeit sehr angenehm macht. Es war ein trauriger Moment, als er zum Ende unseres Formel-1-Engagements Toyota Motorsport verließ. Wir haben jedoch Kontakt gehalten, und jetzt ist es wirklich etwas Besonderes, dass wir gegeneinander in der WEC antreten - als Konkurrenten, aber auf Gentlemen-Basis."

Gass: "Genauso sehe ich das auch. Das hat Pascal gut beschrieben. Unser Verhältnis ist so gut, wie es bei direkten Gegnern eben sein kann. Es gibt eine gute Vertrauensbasis und das Verständnis, dass man sich aufeinander verlassen kann - natürlich immer im Rahmen dessen, was man dem jeweiligen Arbeitgeber gegenüber verantworten kann."

Frage: "Sie sind durch eine gemeinsame Vergangenheit bei Toyota verbunden. Wie war dort die Zusammenarbeit?"
Gass: "Unsere Zusammenarbeit fing schon früher an, denn Pascal war bei Michelin der für alle Teams verantwortliche Techniker. Er hat damals auch uns betreut und ich war sogar maßgeblich daran beteiligt, Pascal zu Toyota zu holen. Das sagt schon viel über das grundsätzliche Verhältnis zwischen uns beiden aus."

Pascal Vasselon

Der Reifenmanager: Pascal Vasselon (r.) war von 1988 bis 2004 bei Michelin Zoom

Vasselon: "Ja. Wir sind durch verschiedene Phasen gegangen. Zu meiner Zeit bei Michelin waren wir Partner, dann saßen wir bei Toyota als Kollegen nebeneinander an der Boxenmauer. Dieter ist ein sehr talentierter und passionierter Ingenieur. Wir haben auf täglicher, sogar stündlicher Basis zusammengearbeitet und gemeinsam viel Zeit an den Rennstrecken sowie im Büro verbracht. Unsere Beziehung war immer von Vertrauen und Respekt geprägt - eine wichtige Voraussetzung, um die vielen angespannten Situationen, die man als Team erlebt, zu bewältigen."

Gass: "Ich möchte die Komplimente gern zurückgeben. Ich habe Pascal als technisch außerordentlich versierten Menschen und als extrem harten Arbeiter kennengelernt. Natürlich ist es so, dass man im Rahmen einer Zusammenarbeit nicht immer einer Meinung ist. Das ist aber etwas, das man mit ihm offen und auf Augenhöhe jederzeit diskutieren kann. Da haben wir eigentlich immer eine gemeinsame Lösung gefunden."

LMP1-Liebe: Die schönsten Autos

Frage: "Sie sind beide den Schritt von der Formel 1 zu den LMPs gegangen. Was hat die Le-Mans-Szene, was die Formel 1 nicht hat? Was ist dort vielleicht besser?"
Vasselon: "Ich glaube, dass unsere individuellen Wege in die WEC unterschiedlich zustande kamen. Ich persönlich schätze die Formel 1 für all das, wofür sie steht, und habe mein Engagement dort sehr genossen. Doch das ist jetzt Vergangenheit für mich. Ich fühle mich mehr als wohl in der WEC, deren Attribute wesentlich besser zu dem passen, was ein Autohersteller demonstrieren möchte: Beständigkeit, Zuverlässigkeit, Teamarbeit. Die Langstrecke bietet mehr technische Freiheit. Es ist ein fantastischer Spielplatz für motorsportbegeisterte Techniker und Ingenieure, der unvergleichbar schöne Autos hervorbringt."

Gass: "Mich hat der Prototypensport schon immer begeistert. Meine Faszination für den Rennsport entstand in den 1970er-Jahren, es fing damals mit dem Porsche 917 an. Langstreckensport war schon immer meine Leidenschaft. Heutzutage ist es so, dass man - wie Pascal schon gesagt hat - technologisch bei einem LMP viel mehr Freiheiten hat. In vielerlei Hinsicht ist ein Le-Mans-Prototyp heute komplexer und höher entwickelt als ein Formel-1-Auto, das in erster Linie über aerodynamische Performance definiert wird."

Frage: "Inwieweit unterscheiden sich die Arbeitsmethoden in Formel 1 und WEC?"
Vasselon: "Es gibt nur sehr kleine Unterschiede, da die in der Formel 1 gültigen Ingenieursprozesse ebenfalls für die Langstrecke gelten. Ultimatives Ziel ist es, im Rahmen der Regularien und eines bestimmten Budgets, das schnellste Auto zu produzieren. Also legen wir die gleichen Prozesse und Systeme zugrunde, die wir während unserer Formel-1-Zeit entwickelt haben. Die größte Veränderung ist die zu absolvierende Renndistanz."

Vasselon Gass

Gemeinsam bei Toyota: Pascal Vasselon (vorne, mi.) und Dieter Gass (vorne, r.) Zoom

Gass: "Grundsätzlich sind die Unterschiede in den Arbeitsweisen gering, aber die Zielsetzung ist natürlich eine andere, wenn man mal das 24-Stunden-Rennen in Le Mans nimmt. Die Vorbereitung auf Le Mans und auf eine Formel-1-Saison ist komplett unterschiedlich gegliedert. Wenn man bei uns eine neue Entwicklung für die WEC-Saison - und somit für das Highlight in Le Mans - einführen möchte, dann muss sie schlichtweg rechtzeitig fertig sein. Nur so kann so etwas 24 Stunden lang im Rennbetrieb überleben."

"Diese Aufgabenstellung gibt es in dieser Form in der Formel 1 nicht. Wenn wir das zeitlich nicht hinbekommen, dann haben wir ein Jahr verloren. In der Formel 1 kann man das eher kompensieren. Da kann man zur Not auch Entwicklungen einfach mal auf das nächste Rennen verschieben. Die Arbeitsmethode in der Vorbereitung ist somit ganz anders. Schnellschüsse sind in der WEC und insbesondere in Le Mans nicht möglich. In der Formel 1 ergeben sich im Saisonverlauf immer wieder neue Chancen."

Gass und Vasselon hoffen auf mehr Wettbewerb

Frage: "Könnten Sie sich einen Schritt zurück in die F1 vorstellen?"
Gass: "Ich bin eigentlich einer, der grundsätzlich niemals nie sagt. Ich habe ein wenig im Hinterkopf, dass es da eine Rechnung gibt, die ich ganz gern noch begleichen würde. Im Rennsport ist man, um zu gewinnen - nicht, um einfach nur dabei zu sein."
Vasselon: "Ich habe keine Zeit, um mit offenen Augen zu träumen. Wir sind zu beschäftigt, um ein schnelleres Auto als Dieter zu bauen(lacht)."

Frage: "Sehen Sie in der WEC das Potenzial, in der Zukunft annähernd auf Formel-1-Niveau zu sein - wie es früher bei Sportwagen schon einmal der Fall war? Was fehlt noch, um das volle Potenzial abzuschöpfen?"
Vasselon: "Was wertvoll für Toyota ist, sollte auch für andere Hersteller positiv sein. Ich erwarte für die kommenden Jahre den Einstieg weiterer Automobilhersteller in die WEC, wenn sie erkennen, dass die Werte im Langstreckenbereich wahrscheinlich weniger individualistisch und gesellschaftlich relevanter als in der Formel 1 sind. Dazu kommt, dass Le Mans seit vielen Jahren ein Magnetanziehungspunkt für Fans ist und wir jetzt den wirklichen Fokus auf technischer Innovation sehen, was meiner Meinung nach sowohl Le Mans als auch der WEC weiteren Aufwind geben wird. Alle Zutaten sind bereits vorhanden, es braucht nur Zeit zum Reifen."

Dieter Gass (Chefingenieur)

Dieter Gass war bereits von 1995 bis 1999 bei Audi, davor mit Bugatti in Le Mans Zoom

Gass: "Ich denke, wir sind im Moment noch ein Stück davon entfernt. Die Vermarktung ist noch nicht so aufgebaut, wie in der Formel 1. Das grundsätzliche Potenzial wäre vorhanden. Wir bräuchten zur Umsetzung noch mehr Wettbewerb mit mehreren neuen Konkurrenten, die sich entsprechend engagieren. Das würde auch die Vermarktung wieder vereinfachen. Eigentlich ist es eine Situation wie mit der Henne und dem Ei. Wenn die Vermarktung vorhanden wäre, gäbe es mit Sicherheit auch mehr Hersteller in der Serie. Sind die Hersteller da, dann ist die Vermarktung einfacher."

Wer hat den besseren LMP1-Wagen?

Frage: "Nun sind Sie seit einiger Zeit nicht mehr Kollegen, sondern Konkurrenten. Wie gehen Sie damit um?"
Vasselon: "Wenn wir uns im WEC-Paddock treffen, dauert es manchmal einige Zehntelsekunden, um zu realisieren, dass wir nun Konkurrenten und keine Teamkollegen mehr sind. Jedoch ist man an der Rennstrecke so sehr auf seinen Job konzentriert, dass es normalerweise nicht lange braucht, um wieder in den Rennmodus zu schalten und unser Lieblingsthema zu diskutieren: Die 'Balance of Performance' zwischen Diesel- und Benzinfahrzeugen."

Gass: "Ja, das ist oft unser Thema. Wir begegnen uns mit Respekt und Offenheit, aber natürlich ist das Niveau des Austauschs von Informationen nicht mehr ganz so, wie es in der Vergangenheit mal war."

Frage: "Wer hat das bessere LMP1-Auto für die Saison 2013?"
Gass: (lacht) "Audi natürlich!"
Vasselon: "Das wird sich zeigen. Ich bezweifle, dass Dieter und ich uns diesbezüglich bis weit nach Le Mans einigen werden."
Gass: "So ist es. Wir haben unsere Hausaufgaben jedenfalls gemacht und unser Auto nach 2012 deutlich verbessert. Mal schauen, wie es ausgeht, wenn wir uns im April in Silverstone erstmals auf der Strecke begegnen. Ich bin genauso zuversichtlich wie Pascal - mindestens!"

Frage: "Was wünschen Sie dem jeweils anderen zum Ehrentag?
Vasselon: "Dieter, ich wünsche dir einen guten und erholsamen Schlaf, denn sobald die Saison anfängt, werden wir unser Bestes tun, um dir ein paar schlaflose Nächte zu bereiten (lacht)."
Gass: "Dabei wäre guter Schlaf in unserem Alter für die Gesundheit so wichtig. Pascal, ich wünsche dir, dass du es schaffst, das LMP-Programm bei Toyota zu etablieren und voranzutreiben. Das sage ich nicht eigennützig, um einen guten Konkurrenten zu haben. Es wäre wichtig, dass ihr alle bei TMG eine ordentliche Basis für ein langfristiges Engagement bekommt. Zu viel Erfolg kann ich dir natürlich nicht wünschen."

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