• 25.12.2009 15:23

  • von Stefan Ziegler

Macao: Fluch oder Segen?

Der Guia Circuit von Macao gilt als die ultimative Herausforderung für jeden WTCC-Piloten - Aber ist diese Rennstrecke überhaupt noch zeitgemäß?

(Motorsport-Total.com) - Es ist der Höhepunkt und das Finale zugleich: Wenn sich die Tourenwagen-WM im November auf dem schwierigen Guia Circuit von Macao einfindet, geht ein spannendes Rennjahr zu Ende und die neuen Weltmeister werden gekürt. Zweimal neun Runden à 6,117 Kilometer trennen die Fahrer dann noch von der Winterpause, doch oftmals müssen die Mechaniker in Macao Sonderschichten schieben.

Titel-Bild zur News: Andy Priaulx, Yvan Muller

Dieser Kurs lässt Rennfahrerherzen höher schlagen: Der Guia Circuit von Macap

Der mit Abstand längste Kurs im Kalender der WTCC gilt als Herausforderung und zugleich auch als unheimlich tückisch, denn vor den Toren Hongkongs treffen die längsten Geraden und die engsten Kurven des Jahres aufeinander: Vor der Lisboa-Kurve erreichen die Autos die höchsten Geschwindigkeiten der Saison, in der Melco-Haarnadel scheinen die Fahrzeuge hingegen fast anzuhalten.#w1#

Zwischendurch der ganz normale Wahnsinn im schwarz-gelben Leitplanken-Dschungel: Wer sich dort schadlos hält, darf sich als Sieger fühlen. Doch nicht immer gelingt den Piloten dieses Kunststück, was das diesjährige Rennwochenende einmal mehr deutlich gemacht hat - so viel Schrott wie 2009, wurde in Macao selten produziert. Unterm Strich hatten nicht alle Teams ihren Spaß beim Finale.

Glück und Pech beim Macao-Roulette

Selbst erklärte Macao-Fans sind sich der Gefahren dieser Rennstrecke bewusst: "Macao ist ein Spielerparadies, aber das Zocken ist wesentlich vorhersehbarer als das Rennfahren in dieser Stadt", findet etwa Privatier-Champion Tom Coronel - sonst kein Kind von Traurigkeit. "Du brauchst ganz gewiss eine große Portion Glück, um auf diesem Kurs die ersten paar Runden zu überstehen."

In der abgelaufenen Saison war Fortuna aber nicht allen Teilnehmern hold, denn bereits in den Trainings war für einige Protagonisten Feierabend: Zahlreiche Unfälle überschatteten das letzte Wochenende des Jahres und dezimierten das Starterfeld noch vor dem eigentlichen Rennstart am Sonntag. Auch das Wiechers-Team hatte Verluste zu beklagen: Stefano D'Aste musste passen.

Stefano D'Aste

Das Auto von Stefano D'Aste war nach dem Crash alles andere als fahrtüchtig... Zoom

Der Stammfahrer des deutschen Privatrennstalls war in der Qualifikation liegengeblieben und die Rennleitung entschied, das havarierte Fahrzeug nicht zu bergen. Eine glatte Fehlentscheidung, denn wenig später knallte Lada-Pilot James Thompson frontal in den gestrandeten Rennwagen und zog sich Verletzungen im Beinbereich zu. Für D'Aste war Macao gelaufen - sein Auto war nur noch Schrott.

Ersatzteile sind Gold wert...

Für die erfahrene Wiechers-Crew war da nicht mehr viel zu machen: "Es ist nie schön, wenn das eigene Fahrzeug per Abschleppwagen zurück an die Box gebracht wird", sagt Technikchef Thomas Schiemann gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Aber natürlich muss man in Macao immer damit rechnen. Dass es uns so hart getroffen hat, war allerdings schon sehr, sehr bitter", so Schiemann.

Doch damit stand die Privatmannschaft aus Nienburg nicht alleine da, denn auch das Lada-Team verlor zwei von drei Rennwagen bereits vor dem Rennstart: Kirill Ladygin krachte am Donnerstag heftig in die Leitplanken und zerstörte seinen Priora, Thompson erwischte es tags darauf in der Qualifikation - viele andere Piloten demolierten sich zumindest ihre Autos, konnten aber fortfahren.

James Thompson

Gegenstück: Auch der Wagen von James Thompson wies Gebrauchsspuren auf... Zoom

Ist dieses ungewöhnlich hohe Schrottaufkommen überhaupt tragbar für eine Rennserie? Schiemann: "Klar, Macao ist ein sehr anspruchsvoller Kurs, aber in der WTCC treten ja nun mal auch die besten Tourenwagen-Fahrer der Welt gegeneinander an. In Macao muss man immer mit Unfällen rechnen, das gehört leider zu dieser Strecke dazu. Die Chance, dass man das Ziel sieht, ist wohl etwa 50:50."

Macao: Am Limit zwischen Gefahr und Begeisterung

Eine Erfahrung, die am Rennsonntag schließlich auch noch andere Teilnehmer machen mussten: Nach vielen Safety-Car-Phasen und hauptsächlich kleineren Unfällen knallte es kurz vor dem Ende des zweiten Laufs noch einmal richtig, als Félix Porteiro (BMW) quer kam, Franz Engstler (BMW) strauchelte und André Couto (SEAT) zu spät reagierte - damit war die Saison endgültig beendet.

So strahlt der Guia Circuit eine ganz eigene Faszination aus, denn eigentlich fiebern die Piloten den beiden Sprintrennen von Macao immer ganz besonders entgegen. "Das Rennen in Macao ist eben ein Klassiker", erklärt Schiemann und merkt an: "Vom Sicherheitsaspekt her ist diese Rennstrecke allerdings einfach nicht mehr zeitgemäß" - 6,117 Kilometer Länge und keine Auslaufzone in Sicht.

Augusto Farfus, Jörg Müller

Start frei zum letzten Rennen des Jahres: Das traditionelle Saisonfinale in Macao Zoom

"Es gibt so viele schöne und neue Kurse auf dieser Welt. Und wäre Macao am Anfang der Rennsaison, hätten wir wohl alle ein großes Problem", meint der Technische Leiter des Wiechers-Teams. Gleichwohl wäre da freilich noch der Glamour-Faktor, denn die beiden Rennen in Macao gelten nicht umsonst als die unbestrittenen Höhepunkte im Rennkalender der Tourenwagen-WM.

Die WTCC als Rahmenprogramm?

Was die Formel 1 in Monaco erlebt, erlebt die WTCC eben in Macao. Und das ist auch gut so, findet Wiechers-Teammanager Dominik Greiner: "Jede Meisterschaft braucht ihr Aushängeschild, ganz klar. Das ist enorm wichtig für eine Rennserie", so Greiner. "Aber ob es ausgerechnet Macao sein muss, ist fraglich - zumal wir als WTCC in Macao noch nicht mal das Highlight sind", hält der Teammanager fest.

Eigentlich sind nicht die WM-Piloten sondern die Teilnehmer des berühmten Formel-3-Grands-Prix die großen Stars auf dem Guia Circuit. "Wir sind quasi nur das Rahmenprogramm für die Formel 3", bestätigt Greiner. "Wir haben in Macao gerade einmal die B-Boxenanlage. Und ich frage mich, ob eine Weltmeisterschaft ein 'Rahmenprogramm' für eine andere Rennserie bilden sollte", sagt Greiner.

Marcus Ericsson

Die eigentlichen Platzhirsche von Macao sind die Piloten des Formel-3-Rennens Zoom

Und dennoch: Ohne den Guia Circuit wäre die Tourenwagen-WM um eine spektakuläre Rennstrecke ärmer. In einer Zeit, in der beinahe alljährlich verschiedene Retortenkurse für unzählige Millionen aus dem Boden gestampft werden, brilliert die traditionelle Stadtrundfahrt von Macao mit zwei Werten, die vielen modernen Rennkursen schon lange nicht mehr eigen sind: Historie und Originalität.