• 23.10.2008 17:30

  • von Stefan Ziegler

Technik im Detail: Der BMW 320si

BMW Pilot Jörg Müller hat sich in Monza Zeit genommen und 'Motorsport-Total.com' sein Dienstfahrzeug erklärt - der 320si im Technik-Fokus

(Motorsport-Total.com) - Während eines Rennwochenendes ist er nur für Bruchteile von Sekunden im Bild, doch hinter dem weißen Fleck auf dem Fernsehbildschirm verbirgt sich ein wahres Kraftpaket: der BMW 320si. Mit diesem Fahrzeug bestreiten sowohl die BMW Länderteams als auch die Kunden-Privatiers die Saison in der Tourenwagen-WM - und das mit Erfolg, wie ein Blick in die Statistiken der WTCC beweist: Mit dem 320si brachte es Andy Priaulx zu WM-Ehren und auch Herstellerwertungen wurden damit gewonnen.

Titel-Bild zur News: Jörg Müller

Der BMW 320si - 'Motorsport-Total.com' ließ sich den Rennwagen in Monza erklären

Grund genug für 'Motorsport-Total.com', diesen Rennwagen einmal näher zu betrachten und sich das Geschoss von einem echten Experten erklären zu lassen. In Jörg Müller konnte ein kompetenter Gesprächspartner gefunden werden, der sich in der Boxengasse von Monza nicht zweimal bitten lassen wollte, über seinen BMW 320si zu sprechen. Von der Front bis zum Heck - ein starkes Stück!#w1#

Der Splitter
"Man muss im Hinterkopf haben, dass ein normales Serienauto Auftrieb hat. Das heißt: Je höher die Geschwindigkeit ist, umso mehr zieht es den Wagen vom Boden. Front- und Heckspoiler haben hingegen die Aufgabe, das Auto auf den Boden zu drücken. Das Reglement erlaubt in diesem Punkt nicht allzu viele Freiheiten. Der Unterboden ist im Prinzip ganz glatt, weshalb unser Wagen nicht allzu viel Abtrieb generieren kann."

"Wir reden da an der Vorderachse von vielleicht 15 bis 20 Kilogramm bei 200 Stundenkilometern. Das ist keine große Sache, macht das Auto aber irgendwo auch neutral. Das ist einer der großen Vorteile in unserer Meisterschaft, denn dadurch können wir schön hintereinander herfahren. Die Autos sind aerodynamisch eher neutral und daher kann man selbst in Kurven nahe am Vordermann dran bleiben. Das macht die Rennen äußerst spannend."

Die Motorhaube
"Bei unserem Rennauto holen wir durch die Niere vorne die Ansaugluft für den Motor. An der Motorhaube entsteht ein gewisser Überdruck und je höher die Geschwindigkeit, umso höher wird auch der Druck im Ansaugtrakt des Motors. Das bringt uns noch ein bisschen Leistung."

Jörg Müller und Redakteur Stefan Ziegler

Jörg Müller und Redakteur Stefan Ziegler an der Kühlerhaube des BMW 320si Zoom

Der Motor
"Man muss bei uns in der Meisterschaft natürlich zwischen Diesel und Benzinern unterscheiden. Von den Benzinmotoren haben wir meiner Meinung nach einen der besten, wenn nicht sogar den besten. Wir reden dabei von etwa 280 Pferdestärken - das hört sich nicht unbedingt viel an. Man muss dabei aber auch betrachten, wie sehr der Motor an sich vom Reglement festgelegt ist, dann ist diese Leistung für einen Zweilitermotor eigentlich sehr gut. Die Verdichtung ist beispielsweise genau geregelt, der Ventilhub ist exakt vorgegeben und wir haben nur eine Drosselklappe."

Das Cockpit
"Das ist natürlich sehr spartanisch, aber so soll es ja auch sein. Bei einem Rennauto versucht man immer, den Wagen so leicht wie möglich zu machen. Daher verzichten wir auf Teppiche und Dämmmaterialien. Würde man ohne Helm in diesem Auto umherfahren, dann müsste man wohl denken, dass da demnächst alle Schrauben abfallen - es scheppert und rappelt schon ordentlich. Mit Helm und Ohrstöpsel hört man das allerdings nicht so sehr."

Der Rennsitz
"Der Rennsitz ist zunächst einmal ein Sicherheitsaspekt. Es gibt oben links und rechts zwei Ohren, was in der Formel 1 die seitlichen Kopfstützen sind. Bei einem seitlichen Aufprall schlägt mein Kopf also nicht wie wild nach links oder rechts sondern man wird vom Sitz aufgefangen. Man bekommt außerdem ein gutes Gefühl für das Auto. Man muss dafür so direkt und hart am Wagen sitzen, wie nur irgend möglich. Aus diesem Grund besteht der Sitz auch aus Kohlefaser und ich kann mit meinem Hintern viel besser fühlen, was vor sich geht, als im Serienauto, wo ich ein dickes Polster unter mir habe. Der Kontakt zum Auto ist also so direkt wie möglich."

Die Lüftung
"Wir haben eine Belüftung und die braucht man in so einem Auto auch, denn sonst würdest du keinen Sauerstoff bekommen. Es verhält sich dabei allerdings nicht so wie in der Serie, dass wir da irgendwelche Klappen im Dashboard haben. Es gibt einen dicken Schlauch und der kommt rechts unten am Bein raus und der bläst dir auf die Brust und unter den Helm. So hat man immer frische Luft und das hilft sehr. Anfangs hatten wir diesen Schlauch nicht und das war schon sehr extrem. Die Temperaturen sind nicht so sehr das Problem, vielmehr geht es um den Sauerstoff, der sonst irgendwann zu Neige geht."

Das Dach
"Ich fahre mittlerweile schon seit so vielen Jahren im Tourenwagen, von daher kenne ich das Dach über dem Kopf schon seit Ewigkeiten. Schöner ist es natürlich, offen zu fahren. Da hat man nämlich kein Problem mit der Frischluftzufuhr. Ich bin das aber so gewohnt, von daher muss ich mich nicht sonderlich umstellen."

Der Heckflügel
"Der Heckspoiler ist relativ klein. Sowohl Profil als auch Breite sind von der FIA vorgeschrieben. Der Flügel an sich ist nicht sonderlich effizient, passt aber sehr gut zum Auto, weil man auch an der Vorderachse nicht sehr viel Abtrieb generieren kann. Der Heckflügel ist quasi das Pendant zum Frontspoiler und daher ist das Auto sehr neutral eingestellt. Sicher sieht der Heckspoiler klein aus, passt allerdings zur Front."

Jörg Müller und Redakteur Stefan Ziegler

Jörg Müller und Stefan Ziegler beim Besprechen der Front-Aerodynamik Zoom

Die Form des Hecks
"Zu diesem Thema müsste man eigentlich einen Aerodynamiker fragen, aber laut meinen Informationen soll eine Limousine aerodynamisch besser sein als ein Schrägheck."

Das Fahrwerk
"Wenn man sich die Rennen ansieht, dann ist der BMW für gewöhnlich das beste Auto in den Kurven. Das kommt natürlich auch aus der Serie, denn auch dort hat der BMW schon ein sehr gutes Fahrwerk."

"Das gesamte Layout ist auch in der Serie immer sehr sportlich ausgelegt, was uns im Rennbetrieb natürlich sehr zugute kommt. Die Dreieckslenker aus der Serie wurden natürlich entsprechend durch Rennteile ersetzt, doch laut Reglement muss man sich in vielen Bereichen an die Original-Achsgeometrie halten. Insgesamt ist man so also sehr seriennah. Gummipuffer haben wir allerdings keine mehr, denn die wurden durch vernünftige Kugel- und Wellenlager ersetzt. Dadurch ist das Auto wesentlich direkter."

Die Dämpfer
"Wir fahren jetzt seit drei Jahren auf einem schwedischen Dämpfer von Öhlins und der hat uns damals einen großen Schritt nach vorne gebracht. Was die Dämpfer angeht sind wir meiner Meinung nach sehr gut aufgestellt."

Das Fazit
"BMW ist dreimal hintereinander Weltmeister geworden und das zeigt eigentlich, dass wir vom Fahrwerk her das beste Auto haben. Mittlerweile hat ein neues Konzept in der Serie Einzug gehalten, mit dem uns die Konkurrenz momentan um die Ohren fährt. Ich hoffe sehr, dass die FIA das in den Griff bekommt, damit wir wieder konkurrenzfähig werden."