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Pocono: Hunter-Reay siegt unter Gelb - Sorge um Justin Wilson

Andretti-Pilot Ryan Hunter-Reay gewinnt das IndyCar-Rennen in Pocono unter Gelber Flagge, während Teamkollege Justin Wilson ins Krankenhaus geflogen wird

(Motorsport-Total.com) - Ryan Hunter-Reay (Andretti-Honda) ist der Sieger des ABC Supply 500 auf dem Pocono Raceway in Long Pond im US-Bundesstaat Pennsylvania. Das von zahlreichen Crashs gekennzeichnete IndyCar-Rennen ging nach 200 Runden unter Gelber Flagge zu Ende. Auslöser der letzten von insgesamt zwölf Gelbphasen war in Runde 197 ein Motorschaden am Herta-Honda von Gabby Chaves, der zwei Runden zuvor noch in Führung lag. Doch die Gedanken aller Beteiligten sind derzeit bei Justin Wilson, dem Andretti-Teamkollegen von Sieger Hunter-Reay.

Titel-Bild zur News: Justin Wilson

Justin Wilson wurde in der 180. von 200 von einem Teil am Kopf getroffen Zoom

In der 180. Runde krachte Sage Karam (Ganassi-Chevrolet) in Führung liegend mit Übersteuern in Kurve 1 in die Mauer und löste damit die zehnte Gelbphase aus. Teile des rot-gelben Ganassi-Boliden flogen meterhoch durch die Luft. Ein Teil der aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff gefertigten Fahrzeugnase traf den nachfolgenden Justin Wilson (Andretti-Honda) mit voller Wucht am Kopf.

Als Wilsons Auto nach Einschlag in die innere Streckenbegrenzung zum Stillstand gekommen war, wurde der 37-jährige Brite mehrere Minuten lang im Cockpit behandelt. Während Karam nach einigen Minuten aus seinem Ganassi-Wrack ausstieg und mit Verdacht auf eine Fußverletzung behandelt wurde, wurde Wilson mit Kopfverletzungen per Rettungshubschrauber nach Allentown ins Lehigh-Valley-Krankenhaus geflogen. Informationen zu Wilsons Gesundheitszustand lagen unmittelbar nach dem Rennen keine vor.

Die "Feierlichkeiten" von Ryan Hunter-Reay und dem Andretti-Team fielen äußerst dezent aus. Die gedrückte Stimmung war vor allem Teambesitzer Michael Andretti im Gesicht abzulesen. Sieger Hunter-Reay kommentierte in der Victory Lane lediglich: "Meine ersten Gedanken sind natürlich bei Justin, meinem Teamkollegen. Ich habe aber im Moment auch keine Details vorliegen. Ich kann nur beten."

Josef Newgarden (CFH-Chevrolet) war bei Überfahrt der Ziellinie unter Gelber Flagge Zweiter, gefolgt von Juan Pablo Montoya (Penske-Chevrolet), Will Power (Penske-Chevrolet) und Carlos Munoz (Andretti-Honda). Die Top 10 wurden von Takuma Sato (Foyt-Honda), Simon Pagenaud (Penske-Chevrolet), Ryan Briscoe (Schmidt-Honda), Scott Dixon (Ganassi-Chevrolet) und James Jakes (Schmidt-Honda) vervollständigt.

Ryan Hunter-Reay

Keine Freude: Sieger Ryan Hunter-Reay betete für Teamkollege Justin Wilson Zoom

Montoya hat mit Platz drei seinen Punktevorsprung im Titelkampf vergrößert, denn Hauptgegner Graham Rahal (Rahal-Honda/20.) erlitt auf dem "Tricky Triangle" einen sportlich herben Rückschlag.

Rückschlag für Graham Rahal im Titelkampf

Der von Position fünf ins Rennen gegangene Rahal war in der Anfangsphase virtueller Tabellenführer. Doch kurz vor Halbzeit der 200-Runden-Distanz war Feierabend für den Titelkandidaten. Im Kampf um Platz 14 versuchte Rahal in Kurve 3 innen an Justin Wilson vorbeizugehen. Womit er nicht rechnete, war, dass Tristan Vautier (Coyne-Honda/21.) mit Überschuss von hinten kommend ganz innen eine dritte Spur aufmachte. Die Nummer ging schief. Vautier und Rahal krachten in die äußere Streckenbegrenzung und mussten die Segel streichen.

Rahals erste Stellungnahme: "Wilson und ich fuhren durch Kurve 2. Er verlor etwas Schwung und ich setzte mich neben ihn. Dann entschied Vautier auf einmal, eine dritte Spur aufmachen zu müssen. Er ist nicht gerade als das hellste Licht im Hafen bekannt. Was ich absolut nicht verstehe ist, warum ein Teilzeitfahrer sich auf diese Weise in den Titelkampf einmischen muss." Der beschuldigte Vautier versuchte sich seinerseits in einer Erklärung: "Schwierig. Ich hatte viel Schwung. Wir waren zu dritt nebeneinander. Ich versuchte, noch weiter nach innen auszuweichen und zu bremsen, doch da war es schon zu spät."

Was als Konsequenz des Crashs in Kurve 3 festzuhalten bleibt: Für Graham Rahal bedeutet das unverschuldete Aus einen Rückschlag im Titelkampf. Ein Rennen vor Schluss der Saison ist der Punkterückstand des US-Boys auf Tabellenführer Juan Pablo Montoya von neun auf 34 Punkte angewachsen. Beim Saisonfinale in Sonoma werden doppelte Punkte vergeben.

Irres Pocono: Zu siebt nebeneinander die Start/Ziel-Gerade entlang

Der als Vierter des Gesamtwertung angereiste Helio Castroneves (Penske-Chevrolet) konnte auch seine vierte Pole-Position in dieser Saison nicht in seinen ersten Sieg seit Detroit 2014 ummünzen. In Runde 167 crashte der Brasilianer im Zuge eines dramatischen Restarts, bei dem die Fahrer die Linie zu siebt nebeneinander (!!!) überquerten und so auf Kurve 1 zurasten.

Restart beim IndyCar-Rennen in Pocono 2015

Kurz vor dieser Szene in Runde 167 fuhren die IndyCars sogar Seven-Wide Zoom

Während Castroneves seinen Penske-Boliden auf der Außenbahn aus der Kontrolle verlor und rückwärts in die Mauer krachte, hatte Teamkollege und Tabellenführer Juan Pablo Montoya Glück. Bezeichnend allerdings der Funkspruch, den der Kolumbianer kurz vor Einbiegen in Kurve 1 bekam: "Four outside and one looking inside". Keine 15 Runden später passierte an gleicher Stelle der Crash mit Sage Karam und Justin Wilson.

Für Sebastien Bourdais (KV-Chevrolet/23.) war das Rennen schon früh gelaufen. Er crashte beim Restart nach der ersten Gelbphase, deren Auslöser ein Verlust des linken Hinterrads am Foyt-Honda von Jack Hawksworth unmittelbar nach dem ersten Boxenstopp war. Bourdais hatte kurz vor seinem Einschlag in Kurve 1 Probleme mit einem steckenbleibenden Gaspedal gemeldet. Nach einem Dreher schlug der grün-weiße KV-Chevy mit dem Heck voran in der Mauer ein. Bourdais konnte aus eigener Kraft entsteigen.

Auch Tony Kanaan (Ganassi-Chevrolet/19.) sah die Zielflagge auf dem "Tricky Triangle" nicht. Der Brasilianer legte im berühmt-berüchtigten "Tunnel Turn" (Turn 2) einen 720-Grad-Dreher um die eigene Achse hin, bevor er in die innere Streckenbegrenzung einschlug und damit die vierte von insgesamt zwölf Gelbphasen des 500-Meilen-Rennens auslöste. Kanaan entstieg seinem Boliden aus eigener Kraft.

Kurz darauf erwischte es an der gleichen Stelle auch Marco Andretti (Andretti-Honda/18.). Was aus der Onboard-Perspektive des nachfolgenden Ryan Briscoe schwer auf einen technischen Defekt an Andrettis Boliden hindeutete, hatte zur Folge, dass der Sohn von Teambesitzer Michael Andretti nach einem Dreher in Kurve 2 heftig in der Außenmauer einschlug. Beim Aussteigen humpelte Andretti stark, gab beim anschließenden Interview aber an, "okay" zu sein.


Fotos: IndyCar in Pocono


Der ungewöhnlichste Grund für eine Gelbphase war kein Crash, sondern die Tatsache, dass sich in der 163. von 200 Runden ein Fuchs auf die Rennstrecke verirrte. Der kurz vor Kurve 1 aus Richtung Infield gekommene "Meister Reinecke" fand nach zügiger Überquerung der Piste ein Schlupfloch auf der Außenseite und verschwand in den weiten Wäldern Pennsylvanias. Die im Rennen verbliebenen Piloten nutzten die dadurch ausgelöste Gelbphase zum vorletzten Boxenstopp.

Als man wenige Runden später zum letzten Mal tankte, übernahm Rookie Gabby Chaves mit seinem Herta-Honda die Führung. Beim letzten Restart, der kurz nach dem Abtransport von Justin Wilson über die Bühne gebracht wurde, verteidigte Chaves die Führung. Drei Runden vor Schluss aber rollte sein Bolide vor Kurve 3 mit qualmendem Motor aus. So ging das Rennen unter Gelb hinter dem Pace-Car zu Ende.

Das IndyCar-Saisonfinale steigt am kommenden Sonntag auf dem Sonoma Raceway in Kalifornien, doch daran dürften momentan die wenigsten denken. Die Gedanken sind bei Justin Wilson.