Fontana: Power crasht - Hunter-Reay Champion

Ed Carpenter gewinnt das IndyCar-Saisonfinale unter Gelber Flagge - Ryan Hunter-Reay mit Platz vier erstmals Champion - Will Power früh in der Mauer

(Motorsport-Total.com) - Das IndyCar-Saisonfinale auf dem Superspeedway in Fontana entwickelte sich zu einem wahren Thriller, aus dem nach 500 Meilen zwei US-Amerikaner als strahlende Sieger hervorgingen. Ed Carpenter holte sich den zweiten IndyCar-Sieg seiner Karriere und den ersten für sein eigenes Team Ed Carpenter Racing. Die Zieldurchfahrt geschah unter Gelber Flagge, nachdem Takuma Sato seinen Rahal-Honda in der letzten Runde in Turn 2 in die Mauer setzte und damit eine Top-5-Platzierung wegschmiss.

Titel-Bild zur News: Ryan Hunter-Reay

Ryan Hunter-Reay (Andretti-Chevrolet) ist der IndyCar-Champion 2012 Zoom

Ryan Hunter-Reay krönte sich mit Platz vier hinter Carpenter und dem Ganassi-Duo Dario Franchitti/Scott Dixon zum neuen IndyCar-Champion, nachdem der als Tabellenführer angereiste Will Power seinen Penske-Chevrolet bereits in Runde 55 in die Mauer geworfen hatte. "Das Ganze ist bei mir noch gar nicht eingesunken. Ich kann es einfach nicht glauben, dass ich der IndyCar-Champion bin. Ein Traum wurde wahr", so die erste Reaktion von Ryan Hunter-Reay nach dem MavTV 500 in Fontana.

Unterm Strich stehen für Hunter-Reay nach dem 15. und letzten Saisonlauf drei Punkte Vorsprung auf Power zu Buche. Vor dem Finale in Fontana waren es noch 17 Punkte Rückstand gewesen. Der Andretti-Pilot holte sich als erster US-Amerikaner nach Sam Hornish Jr. im Jahr 2006 die IndyCar-Krone und besorgte seinem Teamchef Michael Andretti den vierten Titel als Owner. Derweil muss sich Penske-Pilot Will Power zum dritten Mal in Folge mit dem Vize-Titel begnügen. Wie kam es zu dieser Trendwende im letzten Rennen der Saison?

Will Power in der Mauer - Ryan Hunter-Reay mit viel Glück nicht

Kurz vor 18:00 Uhr Ortszeit nahmen die 26 IndyCars vor dem Hintergrund der untergehenden Sonne Kaliforniens die letzten 500 Meilen der Saison in Angriff. Die Anfangsphase stand zunächst klar im Zeichen von J.R. Hildebrand (Panther-Chevrolet; 11.), während sich alles auf das Titelduell zwischen Will Power und Ryan Hunter-Reay konzentrierte. Beide mussten nach einem Motorwechsel im Verlauf des Wochenendes inmitten des Feldes starten: Der Australier in Penske-Diensten fuhr von Platz 13 los. Der US-Boy aus dem Team von Michael Andretti gar nur von Platz 22.

Angesichts der Ausgangssituation in der Meisterschaft hielt sich Power anfangs stets in der Nähe von Hunter-Reay auf. Ein Platzierung in dessen Nähe würde dem Australier auf jeden Fall zum Titelgewinn reichen, so der Gedankengang im Penske-Lager. In der Anfangsphase ging es zwischen den beiden Kontrahenten um Positionen im Bereich zwischen 15 und 20. Kurz nach dem ersten Boxenstopp unter Grüner Flagge kämpften die beiden Titelkandidaten um Platz 13 und gingen in Runde 55 nebeneinander in Turn 1. Power lag innen, Hunter-Reay außen. Urplötzlich verlor der Australier das Heck seines Penske-Chevy und krachte rücklings in die Safer-Barrier auf der Außenseite des Ovals. Auf dem Weg dorthin verfehlte er den Andretti-Chevy von Hunter-Reay nur um wenige Zentimeter.

Ryan Hunter-Reay, Will Power

Will Power blieb zum dritten Mal in Folge nur die Rolle des Gratulanten Zoom

Für den mit 17 Punkten Vorsprung angereisten Power war das Saisonfinale damit scheinbar an Ort und Stelle beendet. Der Penske-Chevy wies starke Beschädigungen auf, der Australier selbst blieb unverletzt. "Ich kam auf eine der Nähte im Asphalt. Urplötzlich brach das Auto aus. Das war das letzte, womit ich rechnete. Ich wurde komplett überrascht und konnte nichts tun. Ich bin wahnsinnig enttäuscht, dass die Meisterschaft so zu Ende ging. Für mich ist die Sache gelaufen, denn das Auto wurde irreparabel beschädigt", so die erste Reaktion von Power unmittelbar nach dem Crash. Doch der Australier sollte noch einmal eine Chance bekommen.

Da Simona de Silvestro (HVM-Lotus; 26.) bereits nach 15 Runden mit technischen Problemen an der Box hatte aufgeben müssen und aus dem Rennen war, wurde der Penske-Pilot zu diesem Zeitpunkt als 25. und Vorletzter gewertet. Für Verfolger Hunter-Reay bedeutete dies, dass er mindestens auf Platz sechs ins Ziel kommen musste, um seinen Rückstand von 17 Punkten auf Power noch aufzuholen. In Runde 100 lag der Andretti-Pilot als Achter knapp außerhalb der Vorgabe, hatte seine Rechnung aber ohne das Penske-Team gemacht. Will Power war schon umgezogen, warf sich dann aber doch noch einmal in seinen Rennoverall, da die Penske-Crew alles versuchte, den ondulierten Boliden wieder flott zu bekommen.

Power greift noch einmal ins Geschehen ein


Fotos: IndyCars in Fontana


Kurz vor Halbzeit der Distanz ging Power unter dem Jubel der Zuschauer tatsächlich wieder ins Rennen. Der Hintergrund war klar: Da kurz nach dem dramatischen Crash auch Ernesto Viso (KV-Chevrolet) mit Motorschaden endgültig aus dem Rennen war, bestand für Power die Chance, sich von Platz 25 zumindest noch einen Platz nach vorn zu schieben und somit wichtige Punkte zwischen sich und dem nach wie vor innerhalb der Top 10 kreisenden Hunter-Reay zu legen.

Einmal an Viso vorbei, ließ es Power mit dem nicht auf Topspeed laufenden "Backup"-Penske dann aber gut sein. Für einen weiteren Punktgewinn hätte er laut dem Punktesystem mindestens sieben weitere Fahrer hinter sich lassen müssen. Den Rest des Rennens verfolgte der Australier von der Couch seines Motorhomes und dürfte dabei für mindestens fünf Fahrer den einen oder anderen Daumen gedrückt haben.

Ed Carpenter legt Grundstein für den Sieg

Ed Carpenter

Ed Carpenter gewann das Saisonfinale in Fontana knapp vor Dario Franchitti Zoom

An der Spitze des Feldes hatte derweil Ed Carpenter das Kommando übernommen, nachdem der in der Anfangsphase führende J.R. Hildebrand mit dem rechten Hinterrad an die Mauer von Turn 4 geraten und Gelbphase zwei ausgelöst hatte. Nach einem Check in der Panther-Box wurde Hildebrand mit vier Runden Rückstand wieder auf die Strecke geschickt, war aus der Entscheidung aber draußen. Noch bevor das Rennen wieder freigegeben wurde, kollidierten die beiden Briten Katherine Legge (Dragon-Chevrolet; 9.) und Justin Wilson (Coyne-Honda; 23.) unter Gelb. Legge schätze die Geschwindigkeit des vor ihr fahrenden Wilson falsch ein und rauschte ihrem Landsmann vor Turn 3 mit blockierenden Rädern ins Heck. Wilson drehte sich, dabei ging das Getriebe in die Knie und der Brite musste aufgeben.

Im Zuge der Boxenstopps verlor Carpenter zwischenzeitlich etwas den Anschluss und Tony Kanaan (KV-Chevrolet; 18.), Scott Dixon (Ganassi-Honda; 3.) sowie Helio Castroneves (Penske-Chevrolet; 5.) zeigten sich an der Spitze. Nach einer weiteren Gelbphase - ausgelöst durch einen leichten Mauerkontakt von Ryan Briscoe (Penske-Chevrolet; 17.) in Turn 4 - gesellte sich auch Dixons Ganassi-Teamkollege Dario Franchitti zur absoluten Spitzengruppe. Unterdessen fiel Castroneves entscheidend zurück, weil er als Einziger kurz vor der von seinem Teamkollegen Briscoe ausgelösten Gelbphase unter Grün an der Box war.

Tagliani-Ausfall und virtuelle Tabellenführung für Hunter-Reay

Knapp 50 Runden vor der Karierten Flagge setzte sich dann Alex Tagliani (Herta-Honda; 20.) nach hartem Kampf gegen Dixon und dem wiedererstarkten Carpenter an die Spitze des Feldes. Dahinter meldete Takuma Sato (Rahal-Honda; 7.) ebenfalls Ansprüche auf eine Top-Platzierung an, während Titelkandidat Ryan Hunter-Reay als Sechster knapp außerhalb der neuen Soll-Vorgabe für den Gewinn der Meisterschaft lag.

Alex Tagliani

Ausgerechnet Alex Tagliani wendete das Blatt zu Gunsten von Ryan Hunter-Reay Zoom

23 Runden vor Schluss hatte Sato gerade die Führung von Tagliani übernommen, als in dessen Herta-Honda der Motor hochging. Durch den Ausfall des Kanadiers rückte Hunter-Reay auf Platz fünf nach vorn und übernahm dadurch mit einem Punkt Vorsprung erstmals die virtuelle Tabellenführung von Will Power. Verantwortlich dafür war ausgerechnet der Ausfall von Tagliani und somit jenes Fahrers, der den Andretti-Piloten vor drei Wochen in Sonoma noch um einen sicheren Podestplatz gebracht hatte. Doch der Kuchen war für Hunter-Reay noch nicht gegessen.

In der Schlussphase duellierten sich Carpenter und Franchitti um die Führung, während Hunter-Reay gegen Sato um Platz drei kämpfte. Zehn Runden vor Schluss sorgte Tony Kanaan mit einem Crash in Turn 4 für die sechste Gelbphase im Rennen. Der Brasilianer konnte dem Wrack unverletzt entsteigen, doch die Entscheidung war auch damit noch nicht gefallen. Zur Überraschung von Michael Andretti brachte IndyCar-Renndirektor Beaux Barfield die Rote Flagge heraus, um ein Finish unter Grün garantieren zu können. Eine Green-White-Checkered-Regel wie in der NASCAR gibt es in der IndyCar-Serie (noch) nicht.

Hunter-Reay krönt sich mit Platz vier zum Champion

Sechs Runden vor Ablauf der Distanz wurde das Rennen letztmals freigegeben und auf den vorderen Plätzen bot sich dasselbe Bild wie kurz zuvor. Franchitti und Carpenter stritten um die Führung, dahinter tauschten Sato und Hunter-Reay immer wieder ihre Positionen im Kampf um Platz drei. Als die Weiße Flagge die 250. und letzte Runde einläutete, setzte sich Carpenter außen neben Franchitti. Wenige Sekunden später krachte Sato mit seinem Rahal-Honda in Turn 2 rückwärts in die Mauer und sorgte letztlich doch für ein Finish unter Gelb.

Ed Carpenter, Dario Franchitti, Scott Dixon

Das letzte Podium der Saison: Ed Carpenter, Dario Franchitti, Scott Dixon Zoom

Da Carpenter zum Zeitpunkt der siebten und letzten Gelben Flagge wenige Zentimeter vor Franchitti lag, war ihm der Sieg sicher. Für den 31-Jährigen aus Indianapolis war es der zweite IndyCar-Sieg nach seinem Triumph auf dem Kentucky Speedway im Oktober 2011 und der erste für sein eigens Team. "Für ein Team, dass es gerade mal seit November gibt, ist das großartig. Wir versuchen schon das gesamte Jahr über, im Oval zu gewinnen. Jetzt hat es endlich geklappt", freute sich Carpenter in der Victory Lane.

Mit seinem Titelgewinn überraschte der Andretti-Pilot auch die Leser von 'Motorsport-Total.com'. Bei der bis zum Start des Fontana-Rennens geschalteten Umfrage gaben 57,4 Prozent der Leser ihre Stimme für Will Power als ihren Favorit auf den IndyCar-Titel 2012 ab. Hunter-Reay verbuchte die übrigen 42,6 Prozent der insgesamt 190 abgegebenen Stimmen.