• 17.04.2015 15:24

  • von Christian Ebner

Selbst Rennfahrer werden: Dreher, Verbremser, Abschleppseil

Der ganz normale Test-Wahnsinn: Christian Ebner berichtet auf dem Weg zum Nürburgring vom ersten professionellen Testtag im X-Bow auf dem Red-Bull-Ring

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Titel-Bild zur News: Christian Ebner im KTM X-Bow

Christian Ebner beim Test im KTM X-Bow auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg Zoom

Montag, 13. April, 9:00 Uhr. Petra und ich machen sich auf den Weg zum Red-Bull-Ring. Meine Mutter begleitet uns, feuert sie doch schon seit langer Zeit ihre Schwiegertochter an. Es sind nur 230 Kilometer nach Spielberg, aber es ist genügend Zeit zum Nachdenken. Nur nichts kaputt machen, welche Fliehkräfte erwarten mich wirklich, und wehe ich reite aus ins Kiesbett. Letzteres wäre für mich das Schlimmste. Von den eigenen Kollegen geborgen zu werden - eine Schmach, die mich bis ans Lebensende verfolgen würde. Und es kam, wie es kommen musste.

Aber der Reihe nach.

Gegen 12:00 Uhr treffen wir in unserer vertrauten Umgebung ein. Der Red-Bull-Ring. Ob Formel 1, GT-Masters oder die DTM, um alle haben wir uns als Streckenposten (Sportwart) gekümmert. Wir kennen die Hotspots und Problemstellen der Strecke. Wissen, wo es häufig kracht oder sich viele drehen und verbremsen. Vom Zusehen und Arbeiten. Wir wissen, welche Leitplanken ein sehr kurzes Mindesthaltbarkeitsdatum haben, die niemals Rost ansetzen werden. Und wir haben am Wochenende davor fleißig trainiert, am heimischen Simulator.

Training am RaceRoom-Simulator

RaceRoom hat für den Red-Bull-Ring die beste Umsetzung, die Bodenwellen passen zu 100 Prozent, aber es fehlt ein KTM X-Bow in der Fahrzeugliste. Was liegt da näher als mit einem 2014er-DTM-Boliden zu üben, sind die Brems- und Einlenkpunkte doch sowieso identisch. Und tatsächlich, ob KTM X-Bow oder DTM, es ist ein und dasselbe. Die Tourenwagen-Renner haben mehr Speed und Karbonbremsen, die X-Bow sind langsamer und haben Stahlbremsen.

12:30 Uhr. Nachdem wir Sascha und Heinz Halek begrüßt haben (Sascha startete im Porsche-Cup, GT-Masters, BMW-Challenge, aktuell Europäische GT4), geht es schon zur Fahrerbesprechung. Auch wenn es sich nur um ein Rollout handelt, Regeln müssen eingehalten werden. Jeder Fahrer hat dreimal 20 Minuten Fahrzeit zur Verfügung. Fünf Autos sind auf der Strecke. Aber halt, fünf? Hier stehen nur vier Boliden! Der fünfte kommt alsbald herangerollt...

Christian und Petra Ebner mit Jaime Alguersuari

Erinnerungsfoto der Ebners mit Ex-Formel-1-Star Jaime Alguersuari Zoom

Am Steuer niemand geringerer als Ex-Toro-Rosso-Pilot Jaime Alguersuari, der sich an diesem Nachmittag uns anschließt, startet er doch am kommenden Wochenende beim Saisonauftakt der X-Bow-Battle in Barcelona. Er muss sich auch noch einschießen auf das Gefährt. Mit rechts bremsen, einen Ganghebel und wenig Leistung (im Vergleich zu einem Formel-1-Renner) ist er nicht mehr gewohnt. Er erzählt mir auch, dass es für ihn deutlich schwerer wird als für uns, er die Performance aber richtig "cool" findet. Kleines Foto zum Andenken und dann geht's für die erste Gruppe schon ins Auto.

Erstes Herantasten an die kalten Slicks

Rollout 13:00 Uhr, mögen die Spiele beginnen! In Gruppe 1 nehmen Sascha Halek, Petra, ich und noch jemand Platz. "Slicks sind kalt, also schön vorsichtig sein", meint mein Mechaniker. Schlimmer als ein Straßenrad wird's schon nicht sein, denke ich. Und so eröffne ich als Erster der vier X-Bows den Testlauf, Petra folgt und Sascha geht als Dritter aus der Box. Die obligatorische Frage des X-Bow an mich, "Ready to race?", bestätige ich nur allzu gerne! Pitspeed beachten, zweiter Gang, 60 km/h. Linie, grüne Ampel: Feuer!

na ja, nicht ganz - Feuer in den vier Brennkammern, aber der Slick überträgt weniger als nichts auf den Asphalt. Weit weniger Grip als ein normaler Straßenreifen, selbst als die Billigmarken aus China. Petra, erste Reihe fußfrei, bekommt das alles mit und filmt das Trauerspiel.


"Vorstart": Unterwegs an den Red-Bull-Ring

Was sagt mein Mechaniker? Reifen aufwärmen wird etwa zwei Runden dauern. Somit kann ich dem Lieblingssport der Österreicher frönen: Wedeln. Mit Schmackes zickzack fahren, hart bremsen und beschleunigen. Und man merkt tatsächlich, wie das Niveau vom Rutschen in Haftung übergeht, selbst nach nicht mal einer halben Runde. Also Attacke, rein in die Schlossgold-, die blinde Rauch- und Würth-Kurve.

Kapitaler Verbremser in der Schlossgold-Kurve

Leichtes Untersteuern jeweils am Kurveneingang und Übersteuern beim Herausbeschleunigen erwarte ich. Pusteblume! Erst noch einen kapitalen Verbremser beim Anker werfen hin zur Schlossgold, schwerer Bodennebel in Spielberg. Genau DAS wollte ich und sollten wir tunlichst vermeiden... Der Reifen war gottlob nicht eckig, kein Flattern zu spüren oder hören, nochmals Glück gehabt. Einer der Michelin-Pneus an der Vorderachse kostet 300 Euro, hinten 360, das wäre wahrlich fatal gewesen. Nächstes Ziel: Vermeidung der "Kiesbettgebühr" von 75 Tacken.

Runde für Runde läuft es besser, das Gripniveau ist brutal. Semi-Slicks am X-Bow sind mir bekannt, selbst die halten den Boliden in den Kurven kräftig her. Was so ein Slick zu leisten vermag, ist aber im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend! Was einem Anfänger wie mir aber sofort fehlt: Feedback mittels Geräusch.


Christian Ebners erster Stint im KTM X-Bow

Wenn man sich verbremst, hört man kein Quietschen der Räder, ebenso wenig beim Kurvenfahren. Wenn ein Rad steht, merkt man es nur deswegen, weil das Auto für die Kraft, mit der man auf dem Pedal steht, zu wenig verzögert. Nur zur Erinnerung: kein ABS, und schon der straßenbereifte X-Bow steht dank Brembo-Scheiben und Vierkolben-Festsattelbremse aus 100 km/h nach nur 32,9 Metern! Mehr Temperatur muss rein, langsamer steigern und schön konzentriert bleiben.

Elektronikproblem: Mehr als 156 km/h geht nicht

Bei Petra läuft es alles andere als rund. Ihr Fahrzeug für den ersten Stint will und will nicht laufen. Bei 156 km/h riegelt der X-Bow ab, egal in welchem Gang. Die Mechaniker bemühen sich, packen Laptop und Schraubenschlüssel aus, während ihr die wertvolle Streckenzeit flöten geht. So hat es aber keinen Sinn. Auf Start/Ziel erreiche ich 204, zur Remus hoch ebenso und auf der Schönberg-Geraden komme ich mit 211 km/h zum Bremspunkt. Da sind die fast 60 km/h weniger wirklich schmerzhaft und machen ein ordentliches Training unmöglich.

Der Fehler wird nicht komplett behoben, statt 7.400 Umdrehungen pro Minute dreht er nur noch 5.200, dafür in jedem Gang, und plötzlich darf auch die sechste Welle ihren Dienst antreten, während man in den anderen Fahrzeugen maximal den fünften Gang einlegt. Aber so ist es nun mal. Gegen das Wetter und die Technik kann man nichts machen, die kann einem schon mal einen Streich spielen. Gehört auch dazu.

Was sicherlich nicht dazugehört, einfach weil mein Ego leidet, sind Dreher. Anbremsen auf Kurve 1, die Castrol, beim 100-Meter-Schild, zurückschalten vom Fünften in den Vierten, einlenken und sofort wieder das Gaspedal aufs Bodenblech. Ganz still und heimlich überholt mich das Heck, rückwärts in die Auslaufzone. Sie ist groß genug, also Bremse ein wenig lösen, ja keinen Bremsplatten.

Slicks am KTM X-Bow

An die waschechten Slicks muss man sich als Hobbyfahrer erst herantasten Zoom

Ich koche unter dem Helm vor Wut über meine Unfähigkeit. Schon ist es passiert, die gelbe Flagge ist draußen, wegen mir. Meine Kollegen müssen MICH absichern, am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Doch damit nicht genug, bleibe ich im letzten Stint auch noch ohne Treibstoff liegen und die rote Flagge muss raus! Am Display stand doch noch zehn Liter Restmenge?!? Sollte doch locker für drei Runden reichen.

Besuch von Alex Ray

Er wird den Wenigsten etwas sagen, weil er mit Motorsport überhaupt nix am Hut hat. Aber auch er wird in den kommenden Monaten ein wichtiger Teil unseres Rennteams sein. Er ist einer der weltbesten Mentalisten und ist frisch aus Las Vegas zurückgekommen. Zweitklassige Zauberer werden in der Lichtermetropole selten gebucht; Alex war zwei Wochen dort und traf sich sogar mit David Copperfield. Er wird uns bei den mentalen Herausforderungen zur Seite stehen, unseren Geist stärken. In meinem Fall hoffentlich die vielen Geister im Rückspiegel wegmentalisieren... ;-)

Er besucht und beobachtet uns eine Stunde lang und überlegt sich offenbar einen Schlachtplan. Er hat von Uri Geller höchstpersönlich das Löffelverbiegen erlernt. Ob es Teil seiner Strategie sein wird, die Antriebswellen der Konkurrenten zu deformieren? Wir sind schon sehr gespannt.


Erster Stint von Petra Ebner im KTM X-Bow

Zweiter Stint, es läuft besser und besser. Petra steigert sich mehr und mehr, fasst Vertrauen in die Reifen und sich selbst, einzig die Kurbs sind ihr unheimlich und sie verschenkt viele Meter. Eingangs Start/Ziel ist links vom Kerb ein Kunstrasen, den hat sie im ersten Stint erwischt und dieser ist extrem rutschig.

Nicht alles so leicht wie beim Zuschauen

Das habe ich auch selbst "erfahren", da ich in der Castrol sowie Remus drüber musste. Wir kennen das, gerade in der Remus, von den vielen Rennen. Zwei oder drei Autos nebeneinander, da muss der Äußerste drüber und herausbeschleunigen. Sieht beim Zusehen kinderleicht aus, ist es aber beileibe nicht.

Seitdem meidet sie die Kerbs und bleibt so brav innerhalb der weißen Linie, dass ein Rennleiter die allergrößte Freude (Stichwort Track-Limits) mit ihr hätte. Ihre Lernkurve wird sehr schnell stetig steigen, da bin ich mir sehr sicher. Ob das gut für mich ist, wenn sie mich dann am Nürburgring womöglich bügelt, ist ein anderes Thema...

Eins ist aber sicher: Nach diesem Testtag ist mein Respekt vor den Leistungen aller Rennfahrer, die - egal welches Fahrzeug - am Limit fahren, sehr viel größer geworden. Diese immensen G-Kräfte in den Kurven, den Mut, die Autos um die Ecken zu werfen, die Konzentration über Stunden zu halten und keine Fehler zu machen, das alles ist mir im Moment noch ein Rätsel.


Zweiter Stint von Petra Ebner im KTM X-Bow

Ein Rätsel, das ich für mich gelöst habe, ist die Masterfrage für jeden Anfänger: Woher weiß ich, ob der Slick im Temperaturfenster ist, in dem er optimal funktioniert? Man fühlt es einfach, man fühlt, dass es jetzt so weit ist. Aber ich spürte nicht, ob der Wagen nun wirklich quer kommt oder ich mir das einbilde.

Schrecksekunde in der Würth-Kurve

Diese sehr schnelle Links nach der Rauch, in die blind eingelenkt wird, ist wahrlich eine Sau. Innen und außen sind die Leitplanken neu oder das Kiesbett ordentlich aufgewühlt. Eine dieser Kurven, vor der ich Respekt habe, gerade deswegen, weil ich um die 130 km/h drauf habe. Bei einer Runde denke ich am Scheitelpunkt, ob mir jetzt ganz leicht das Heck kommt. Ich denke und fühle weiter und tiefer hinein in das Auto. "Kommt der X-Bow jetzt WIRKLICH quer, in dieser Kurve?"

Und tatsächlich bin ich über das Limit hinausgeschossen, sage zu mir selbst "Bitte nicht in den Kies und schon gar nicht in die Leitplanken!" Kleine Korrektur und leicht die Bremse antippen, der Hobel fängt sich sehr schön wieder ein. Wieder Glück gehabt!

Und auch die letzten beiden Kurven haben es in sich. Die Rindt noch mehr als die Red Bull Mobile. Im Simulator sehr schön zu fahren, fünfter Gang mit knapp 200, anbremsen etwa bei 75 Metern und einen Gang runter. Rechts voll über den Kerb und gleichzeitig voll beschleunigen. Einfach genial, diese Kurve.

Christian Ebner im KTM X-Bow

Der KTM X-Bow sieht aus wie ein überdimensioniertes Go-Kart Zoom

Der weitere Weg zur letzten Kurve ist kurz und man bleibt im vierten Gang; mit 130 km/h einlenken und sich in die Senke fallen lassen, wo man am Tiefpunkt dann irren Grip aufbaut und so viel Speed wie möglich für die Start/Ziel mitnimmt. Wahrlich eine Freude, auch wenn hier noch einiges an Speed und vor allem Mut drin ist.

Versprochen ist versprochen!

Im ersten Artikel habe ich euch zugesagt, dass ihr Leser bei allen Aktionen so nah wie möglich dabei sein werdet. Das Abschlussgespräch mit Michael Wölfling und die Fixierung des Nürburgring-Einsatzes mit zwei Autos haben wir mitgefilmt. Ihr dürft Mäuschen spielen und den Verhandlungen sowie Smalltalk lauschen. Wir haben nichts zu verbergen. Auch dass es im Motorsport doch nicht so zugeht wie am türkischen Bazar - von wegen "Machst du gute Preis".

11.000 Euro kosten beide Fahrzeuge inklusive Versicherung. Dazu noch Overall, HANS und dazu passender Helm. Für ein einziges Wochenende wäre die Investition zu hoch, gerade weil wir ja alles doppelt benötigen. Diese Ausrüstung bekommen wir von KTM zur Verfügung gestellt, als Goodie, weil wir eben zwei Autos nehmen. Verhandlungen abgeschlossen. Der Vertrag kommt via Mail, aber gerade in Österreich ist die Handschlagqualität doch noch viel wert.


Vertragsverhandlungen mit KTM

Außerdem haben wir jeden unserer Stints auf Video (Kamera am Helm oder am Auto montiert) festgehalten, mit all den Fehlern und Vorfällen. Wie versprochen.

Fitness ist nur was für Weicheier

Martin Karlhofer, seit dem OPC-Racecamp ein wahrlich guter Freund und Rennfahrer, sekkiert mich jedes mal aufs Neue, ich soll endlich mal anfangen Sport zu treiben, ich soll fit werden.

Zugegeben, ich mag keinen Sport. Nein, ich hasse ihn, ich laufe nur, wenn der Teufel höchstpersönlich hinter mir her ist. Und man sieht es mir auch an. Aber hey, Michel Nykjaer (WTCC) ist auch ein wenig fülliger und mischt munter vorne mit. Primär soll es bei der Fitness um den Geist gehen, um die Konzentrationsfähigkeit.

Aber ehrlich, die 25 bis 30 Minuten pro Stint halte ich locker durch, das habe ich gestern gemerkt. Die Fliehkräfte machen mir jedoch zu schaffen. Drei Tage hintereinander mit je einer Stunde Fahrzeit, da kann man mich am Montag mit dem Krankentransporter zurück nach Salzburg fahren! Gerade die Hals- und Armmuskulatur müssen wir in den verbleibenden zweieinhalb Monaten spürbar verbessern. Die Frage ist nur wie.

"Drei Tage hintereinander mit je einer Stunde Fahrzeit, da kann man mich am Montag mit dem Krankentransporter zurück nach Salzburg fahren!" Christian Ebner

Am Dienstagmorgen rufe ich verzweifelt Chefredakteur Christian Nimmervoll an und klage unser körperliches Leid. Er, der mal eben 15 Kilometer laufen geht, fast schon täglich, wenn man seine Runtastic-Posts verfolgt, weiß sicherlich irgendjemanden, der uns da zur Seite stehen kann. Siehe da, er kennt jemanden und wird sich sofort um einen Kontakt bemühen. Was da wohl auf uns zukommt? Auf mich als Anti-Sportler, Laufsport-Verweigerer und Bewegungs-Legastheniker...

Euer

Christian Ebner

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