• 06.12.2007 17:41

  • von Pete Fink

Who is... Tony Stewart (2)?

Teil zwei des Tony-Stewart-Specials auf 'Motorsport-Total.com' beschäftigt sich mit seinen zwei Titeln und der Frage, warum er zum "Bad Boy" wurde

(Motorsport-Total.com) - Bei der Person Tony Stewart gibt es wohl keine Grauzone - entweder man liebt ihn, oder man hasst ihn. Beschäftigte sich der erste Teil des großen Tony-Stewart-Specials mit den Anfängen des zweifachen NASCAR-Champions, so erfahren die 'Motorsport-Total.com'-Leser im zweiten Teil nun viele Hintergründe zur Person und der Cup-Karriere des Joe-Gibbs-Piloten.

Titel-Bild zur News: Tony Stewart

Eigentlich ist Tony Stewart ein freundlicher Zeitgenosse - meistens

Nach einem eher verhaltenen Start in seine Rookie-Saison drehte Tony Stewart in der zweiten Jahreshälfte 1999 gewaltig auf. Er gewann in Richmond, Phoenix und Homestead drei der letzten zehn Saisonrennen und beendete zwei weitere Events auf Position zwei. Ingesamt wurde er hinter Dale Jarrett, Bobby Labonte und Mark Martin Gesamtvierter und somit auch Rookie of the Year.#w1#

Das Gibbs-Team bestand zu diesem Zeitpunkt aus nur zwei Pontiacs und sein Teamkollege - Bobby Labonte - holte sich im Jahr 2000 den Winston-Cup-Titel in seinem giftgrünen Interstate-Boliden mit der Startnummer 18. Labonte gewann vier Rennen, Stewart gar deren sechs, doch Labonte landete nur zweimal in 34 Rennen außerhalb der Top 20.

Stewart hingegen hatte einige Ausfälle zu verzeichnen und rangierte am Saisonende der Saison nur auf Position sechs. In diesem Jahr begann er auch für negative Schlagzeilen und eine schlechte Presse zu sorgen, denn nun wurde offensichtlich, dass der damals 29-Jährige über ein außerordentliches Temperament verfügte.

Wie wurde aus Stewart der Bad-Boy?

Tony Stewart Juan Pablo Montoya

Auch mit Juan Pablo Montoya bestand 2007 einiges an Klärungsbedarf Zoom

So haderte er etwa in Watkins Glen gesten- und wortreich mit Jeff Gordon, worauf ihm die ersten Berichterstatter zu einer Wut-Therapie rieten. Schlimmer wurde es im Jahr darauf, als der "Bad Boy" gleich eine ganze Reihe von Delikten beging. In Bristol geriet er wieder mit dem späteren Champion aneinander und drehte Jeff Gordon in der Boxengasse um, nachdem ihm dieser im Rennen einen Schubser gab.

In Daytona schlug er einem Reporter dessen Aufnahmegerät aus der Hand und in Talladega verweigerte er den Gebrauch des HANS-Systems. Drei Siege in Richmond, Sonoma und Bristol, sowie 22 Top-10-Platzierungen reichten 2001 für Gesamtrang zwei, doch sein Image als böser Bube der NASCAR hatte er weg, die Presse schlachtete seine Geschichten genüsslich aus.

Und dann folgte 2002 ausgerechnet das, was für viele Amerikaner in etwa das bedeutete, als wäre Serienkiller Charles Manson gerade zum Präsidenten des amerikanischen Roten Kreuzes gewählt worden, denn der "Bad Boy" gewann seinen ersten NASCAR-Titel hauchdünn mit einem Vorsprung von 38 Punkten gegenüber Urgestein Mark Martin.

Wieder einmal verschlief er den Saisonstart und befand sich zu Saisonmitte nur auf Rang sieben, und wieder gab es Stunk - dieses Mal mit einem Fotografen - aber drei Siege in Atlanta, Richmond und Watkins Glen reichten zum Titel. Der Kampf Gut gegen Böse sorgte für Rekordquoten und 2002 war gleichzeitig auch eines der ausgeglichensten NASCAR-Jahre, denn die ersten fünf der Gesamtwertung - Stewart, Martin, Kurt Busch, Jeff Gordon und Jimmie Johnson - waren nur um 200 Punkte getrennt.

Zwei durchschnittliche Jahre

Tony Stewart

2003 und 2004 erlebte Tony Stewart eine erste Durststrecke im Cup Zoom

"Ich denke, wenn man sich unser Team ansieht, dann muss man wahrscheinlich feststellen, dass der Schwachpunkt wahrscheinlich immer noch der Fahrer ist", äußerte Stewart damals, obwohl er längst zur Nummer eins im Gibbs-Team aufgestiegen war.

Das Jahr 2003 sollte sich dann als relativ ereignislos herausstellen, was nicht zuletzt daran lag, dass die Gibbs-Mannschaft im Winter von Pontiac zu Chevrolet wechselte. Stewart erlebte seine bislang schlechteste Saison und landete am Ende mit zwei Siegen in Pocono und Charlotte nur auf Rang sieben.

Ähnliches gilt für seine Saison 2004 und ganz offensichtlich hatte Stewart ein wenig Heimweh, denn in dieser Zeit beschloss er, wieder nach Indiana zu ziehen. "Wenn ich nach Hause komme, dann ist das ein guter Weg, um auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben", so Stewart. "Man lernt zu realisieren, was im Leben wirklich wichtig ist."

Wichtig war 2004 neben zwei Erfolgen in Chicago und Watkins Glen auch der Erwerb des Eldora Speedways, einem der berühmtesten US-amerikanischen Dirt-Track-Ovalen. Überhaupt munkelte man angesichts zweier eher durchschnittlicher Saisons, ob die zahlreichen Nebentätigkeiten Stewart nicht eine zu große Ablenkung vom NASCAR-Geschäft seien, denn "Smoke" betrieb nebenher viele eigene Rennteams in der "World of Outlaw"-Klasse und den diversen USAC-Ligen.

2005 der Karrierehöhepunkt

Tony Stewart

Tony Stewart klettert wieder - nach jedem Sieg, egal wie es um seine Pfunde steht Zoom

Doch Stewart wäre nicht Stewart, wenn er nicht in der Lage wäre, den vielen Kritikern die passende Antwort zu geben. "Die Sache, die mich am meisten fasziniert, ist die Tatsache, dass die meisten Fragen, die ich beantworten muss, theoretischer Natur sind. Ich bin doch kein Philosoph", erklärte der Joe-Gibbs-Pilot und ließ 2005 seine bislang beste NASCAR-Saison folgen.

Es war auch die Geburtsstunde der Legende von der alljährlichen Sommerform Stewarts, denn er gewann zwischen Ende Juni und Mitte August fünf von sieben Cup-Rennen. Sonoma, Daytona, Loudon, Indianapolis und Watkins Glen - Stewart fuhr in nur sieben Wochen fünfmal in die Victory Lane und die Krönung war sein langersehnter Heimsieg in Indianapolis.

"Für diesen Sieg würde ich sogar meinen Titel hergeben", so lautete einer der Stewart-Sätze und wie groß die anschließende Freude im gesamten Umfeld war, verdeutlicht das Beispiel von Sponsor 'Home Depot': Denn in der folgenden Woche gab es im ganzen Land einen nicht unerheblichen Rabatt auf Ziegelsteine - immerhin handelte es sich ja um das Brickyard 400.

In dieser Zeit begann Stewart auch, sehr zum Leid von Spiderman Helio Castroneves, nach einem Sieg den Zaun der Streckenbegrenzung hochzuklettern, obwohl er immer von sich behauptete, für solche Scherze "viel zu fett" zu sein. "Ich bin etwa 15 Pfund schwerer und habe blondierte Haarspitzen", antwortete er etwa nach seinem zweiten Titelgewinn auf die Frage, was sich zwischen 2002 und 2005 alles verändert habe.

Stewart und sein Frauenbild

Tony Stewart

Tony Stewart ist auch in der Boxengasse die meiste Zeit zu Scherzen aufgelegt Zoom

Übrigens: Bald darauf gab es bei 'Home Depot' auch Leitern und Zäune im Sonderangebot und prompt ließ Stewart verkünden: "Ich plane auch weiterhin Rennen zu gewinnen, damit ich die Renovierungskosten für die 'Home-Depot-Kunden' im Keller halten kann."

Stewart ließ sich 2005 nicht mehr die Butter vom Brot nehmen. Er ging auf Position eins in den Chase und verteidigte seinen Rang souverän, was aus heutiger Sicht wohl seinen bisherigen Karrierehöhepunkt darstellte. 34 Lenze zählte er damals, doch was für NASCAR-Verhältnisse recht jung war, erschien ihm bereits damals ein wenig suspekt.

"Mit meinen 34 Jahren fühle ich mich manchmal wie ein Rentner", flachste Stewart, "wenn ich mit all den acht Jahre alten Kids spreche, die noch nicht einmal ein Mädchen haben. Ich sage ihnen dann immer, dass mein bester Rat der ist, dass sie die Finger von den Mädels lassen sollten. Man ist besser dran, wenn man mit Rennautos herumhängt."

Wobei er selbst jedoch niemals als Kostverächter durchgehen würde - ein Beispiel zum Thema Frauen? "Wenn ihr mir eine ehrliche Frage stellt, dann bekommt ihr immer eine ehrliche Antwort von mir. Ich bin Single, ich schaue in der Boxengasse nach heißen Fegern. Das ist alles, was ich mache. Und wenn ich einmal keine entdecke, dann kommt normalerweise einer aus meiner Crew, der mir dann sagt: 'Schau mal nach links, etwa elf Uhr.'"

Was macht Stewart in 2008?

Tony Stewart

Einen Sieg im ungeliebten CoT hat er schon - 2007 in Watkins Glen Zoom

Doch typisch für Stewart ist auch ein hochvolatiler Karriereverlauf. 2006 machte er zu Saisonbeginn wieder mehr Schlagzeilen in diversen Scharmützeln - dieses Mal bevorzugt mit Matt Kenseth - und eine hartnäckige Schulterverletzung behinderte ihn ebenfalls, was dazu führte, dass er prompt um 16 Punkte den Chase verpasste.

Dabei scherzte er zu Saisonbeginn noch: "Ich weiß, dass meine Fans meine brutale Ehrlichkeit mögen. Jedes Jahr versuchen alle meine Gegner mich an der Bar betrunken zu machen, so dass ich am nächsten Tag nicht fahren kann. Das wird dieses Jahr nicht funktionieren." Seine fünf Siege halfen jedoch nicht, drei davon kamen viel zu spät erst im Verlauf der Playoffs.

2007 war ein ganz ähnlich verlaufendes Jahr und wenn man das nackte Gesetz der Regelmäßigkeit anwenden würde, dann wäre Stewart einer der Top-Favoriten für 2008, denn er scheint immer zwei Jahre zu brauchen, bis er sich zu einer erneuten Spitzenleistung aufraffen kann.

Doch dabei gibt es zwei große Fragezeichen. Denn zum einen hat sein Gibbs-Team einen Wechsel zu Toyota vollzogen und zum anderen wird mit dem Car-of-Tomorrow gefahren, welches Stewart - charmant wie immer - als eine "Scheißkiste" bezeichnete. Allerdings hat er mit der NASCAR in gewisser Hinsicht auch seinen Frieden geschlossen.

Stewart bleibt sich selber treu

Tony Stewart

Tony Stewart wird sich auch in vielen Jahren nicht verbiegen lassen Zoom

"Das Gute an der NASCAR ist", so Stewart, "dass ich nicht mehr in Frage stelle, was sie machen, denn ich habe in den letzten Jahren, in denen ich hier war, gelernt, dass es für alles einen Grund gibt. Ob du das nun gleich verstehst, oder erst etwas später, wenn es alle verstanden haben, du weißt jedenfalls, dass sie normalerweise eine ziemlich gute Rechtfertigung dahinter haben."

Auch wenn die Presse immer wieder gerne das Klischee vom "Bad Boy" herausholt, in Wirklichkeit ist Stewart ein menschenfreundlicher, und fast immer zu Scherzen aufgelegter Zeitgenosse. 2003 rief er zum Beispiel die "Tony-Stewart-Foundation" ins Leben, die sich um schwer kranke Kinder und um die Familien verunglückter Rennfahrer kümmert.

Eines ist jedoch vollkommen klar: Natürlich wird die Person Stewart auch in Zukunft immer für Zündstoff sorgen. Stewart ist schließlich kein Eiskunstläufer und wäre etwa im Beuteschema eines Ron Dennis die Reinkarnation des Bösen, gegen die ein Juan Pablo Montoya wie ein harmloser Rauschgoldengel aussehen würde.

In den Zeiten, in denen sich auch die NASCAR einer gewissen Kommerzialisierung ausgesetzt sieht, ist Stewart sicher derjenige, dem die NASCAR liebend gerne einen bezahlten Kurs in einer Benimm-Schule verpassen würde - für die überwiegende Mehrzahl der NASCAR-Fans ist er jedoch genau wegen seiner unangepassten Persönlichkeit einer der absoluten und extrem beliebten Superstars.