Mindestgewicht: Die politischen Hintergründe

Das Thema Mindestgewicht verdeutlicht, wie sich die Macht innerhalb der MSMA zu Ducatis Gunsten entwickelt hat - Welche Überraschungen hält die Zukunft bereit?

(Motorsport-Total.com) - Die Erhöhung des Mindestgewichts in der MotoGP hat sich zum Streitthema aufgeschaukelt. Nach den Valencia-Nachsaisontests wurde beschlossen, dass die MotoGP-Maschinen 2012 vier Kilogramm zulegen und mindestens 157 Kilogramm auf die Waage bringen müssen. Diese Entscheidung verärgerte Honda und Yamaha, deren Motorräder bereits fertig waren. Ducati hingegen begann erst nach dem Test mit dem Bau der neuen GP12 und konnte sich deshalb besser auf die Änderung einstellen.

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Die Anhebung des Mindestgewichts war ein Vorschlag von Carmelo Ezpeleta

Aus diesem Grund vermuten böse Zungen, dass die Italiener an der Regeländerung nicht ganz unschuldig sind. Genährt wird dieser Vorwurf durch den Fakt, dass Ducati für 2012 das Konzept wechselte. Für die anstehende Saison wurde ein konservativer Alurahmen konstruiert, der das rahmenlose Konzept der GP11 ersetzt. In der Serienproduktion entwickelt Ducati genau in die andere Richtung: Der Brückenrahmen der 1198 wurde bei der neuen 1199 Panigale durch das Konzept der GP11 abgelöst.

Dadurch konnte beim Serien-Superbike der Italiener ordentlich Gewicht gespart werden. Kehrt man diesen Prozess um, dann sollte es im Fall der MotoGP-Maschine zu einer nicht unerheblichen Gewichtszunahme kommen. Eine Anhebung des Mindestgewichts käme dem Hersteller in solch einer Situation gerade recht. Ein weiterer Fakt ist, dass die Herstellung eines etwas schwereren Motorrades einfacher und mit weniger finanziellem Aufwand möglich ist.

Welche Rolle spielt Ducati?

In Wahrheit war es aber wohl weniger fantasievoll. Die Dorna stellte bereits zeitig klar, dass man das Mindestgewicht schrittweise anheben möchte. Der Grund dafür ist einfach: Die Kosten sollen begrenzt werden. Die Erhöhung des Mindestgewichts ist ein einfaches Mittel, die Ausgaben zu reduzieren. Teure Werkstoffe wie Titan können einfach durch günstigere Materialien ersetzt werden.

Zudem erleichtert das angehobene Mindestgewicht den Teams, die unter der CRT-Regel starten, ein einfacheres Arbeiten. Die Motorräder dieser Teams haben in der Regel mehr Gemeinsamkeiten mit einem Superbike-WM-Motorrad als einem MotoGP-Prototypen. In der Superbike-WM beträgt das Mindestgewicht 165 Kilogramm.

Filippo Prezioso und Vittoriano Guareschi begrüßen die Midnestgewichterhöhung Zoom

Das Reglement verbietet aber an vielen Stellen Kohlefaserteile und fordert einen starken Bezug zur Serie. In der MotoGP gibt es dafür keine Beschränkungen. Dadurch kann man dem neuen Mindestgewicht von 157 Kilogramm deutlich einfacher näher kommen, als dem alten mit 153 Kilogramm.

Wie es zur Erhöhung kam

Dennoch ist Ducati sicher nicht unschuldig bei der Anhebung des Mindestgewichts, wie bei einer chronologischen Betrachtung der Geschehnisse deutlich wird. Am 5. November fand in Valencia ein Treffen der Grand-Prix-Kommission statt. Dorna-Boss Carmelo Ezpeleta schlug die Erhöhung des Mindestgewichts vor. Die Herstellervereinigung MSMA legte Veto ein.

Takanao Tsubouchi, Repräsentant der MSMA, teilte der Grand-Prix-Kommission mit, dass sich die Hersteller einstimmig gegen diesen Vorschlag entschieden haben. Mit einem einheitlichen Veto können die Hersteller technische Beschlüsse kippen. Doch im Zeitraum zwischen dem Treffen in Valencia und Mitte Dezember kam überraschend heraus, dass sich die Hersteller doch nicht einig sind. Die Stimmen besagten, dass zwei Hersteller gegen die Mindestgewichtanhebung sind und einer dafür stimmt.

Valentino Rossi

In Valencia sammelte Valentino Rossi Daten für die Entwicklung der GP12 Zoom

Da die Protokolle der MSMA nicht öffentlich sind, kann nicht klar bestimmt werden, welcher Hersteller seine Meinung änderte. Vergleicht man die Meinungen von Ducati-, Honda- und Yamaha-Vertretern, dann dürfte aber klar sein, dass nur Ducati hinter dieser Regeländerung stecken kann. Die Italiener sammelten beim Nachsaisontest Daten, um ihr neues Motorrad zu bauen.

Diese Aufgabe war auf Grund des zeitlichen Drucks nicht zu unterschätzen. Mit einem vier Kilogramm höheren Mindestgewicht erleichterte sich die Arbeit erheblich. Die Konkurrenz hingegen musste zusehen, ihre bereits ausbalancierten Motorräder an den richtigen Stellen schwerer zu machen.

Ducati zeigt Zähne

Damit hat sich Ducati innerhalb der MSMA erstmals gegen die übermächtigen Japaner durchgesetzt. Bisher hatte es der Hersteller aus Bologna nicht leicht, die eigene Meinung durchzudrücken. Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki nutzten in der Vergangenheit ihre Macht und übergingen die Bedürfnisse von Ducati nicht nur einmal. Ein Beispiel dafür war die Hubraumreduzierung auf 800 Kubikzentimeter, die bei Ducati auf wenig Zustimmung traf. Ironischerweise verließen Kawasaki und Suzuki die Serie später aus Kostengründen. Das angehobene Mindestgewicht möchte genau das verhindern und die Ausgaben limitieren.

Seit 2012 genießt Ducati in der MSMA deutlich mehr Macht. Mit Honda und Yamaha sind nur noch zwei weitere Hersteller dabei. Dass es dennoch sinnvoll ist, lieber ein Mit- als ein Gegeneinander anzustreben, beweist der Grand Prix von Japan im vergangenen Jahr. Ducati zögerte lange mit einer Zusage am Rennen in Motegi, weil man sich trotz eines unabhängigen Reports nicht sicher war, ob die Radioaktivität für Fahrer und Teammitglieder ungefährlich sei.

Shuhei Nakamoto (Technischer Direktor)

Honda ist sauer: HRC-Vize Shuhei Nakamoto ärgert die Reglementsänderung Zoom

Honda und Yamaha machten deutlich, dass man im Falle einer Absage bei kommenden Entscheidungen weniger kompromissbereit sei. Zu jenem Zeitpunkt wurde gerade das Ende des Testverbots diskutiert, an dem Ducati sehr interessiert war. Ab der Saison 2012 darf wieder mit Stammfahrern getestet werden, was vor allem dem Hersteller aus Europa entgegenkommt.

Honda und Yamaha profitieren davon weniger, steckt doch ein enormer logistischer Aufwand hinter möglichen Tests: Entweder muss man die Fahrer und deren Teammitarbeiter nach Japan fliegen oder die Motorräder, Teile und Techniker nach Europa.

Zukunftsentscheidungen

Bei zukünftigen Entscheidungen der MSMA könnte es also zu Spannungen kommen. Bei den Tests in Jerez wird über die Zukunft der MotoGP diskutiert werden. Bisher sind sich die Hersteller einig und sprechen sich gegen Drehzahllimits und Einheits-Steuergeräte aus. Beide Vorschläge haben zum Ziel, die Kosten zu begrenzen. Dorna-Boss Ezpeleta fordert, dass die Leasingraten der MotoGP-Maschinen von derzeitig etwa drei Millionen Euro auf eine Million Euro sinken.

Ezpeleta hat bereits angekündigt, sich im Zweifel auch über die Hersteller hinwegzusetzen. Bisher wäre die MSMA in der Lage, einen technischen Beschluss durch einen einstimmigen Widerspruch abzulehnen. Seit dem 1. Januar 2012 gilt diese Regel aber nicht mehr, da es noch keinen neuen Vertrag zwischen der MSMA und der Dorna gibt. Sollte sich dieser Umstand nicht ändern, liegt die MotoGP-Zukunft einzig und allein in den Händen der Dorna.