• 29.06.2008 11:15

Breite Front gegen neue 600er Klasse

Die für 2011 angesetzte 600er Viertakt-Klasse in der Motorrad-WM sorgt für Diskussionen - Stefan Bradl: "Können wir gleich Supersport fahren"

(Motorsport-Total.com/sid) - Neue WM-Klasse, neuer EM-Modus, neuer TV-Sender: Der Motorrad-Weltverband FIM, sein europäischer Bruder UEM sowie die Herstellervereinigung MSMA und WM-Vermarkter Dorna haben am Wochenende Nägel mit Köpfen gemacht und weitreichende Änderungen beschlossen. So wird die seit dem WM-Start 1949 ununterbrochen bestehende Klasse bis 250 ccm 2011 zugunsten einer neuen 600er-Klasse aufgelöst. Eine Maßnahme, die nach einer 'sid'-Umfrage bei den meisten Fahrern und Teamchefs auf Unverständnis stößt.

Titel-Bild zur News: Ratthapark Wilairot

Die 250er Klasse wird im Rahmen der WM wohl nur bis 2010 fahren

"Da können wir doch gleich Supersport fahren", meint Deutschlands derzeit bester Fahrer Stefan Bradl mit Blick auf die Weltmeisterschaft von seriennahen 600er-Maschinen, die sich ihrerseits durch die Änderung in der Existenz bedroht sieht.#w1#

Ins gleiche Horn stößt Daniel Epp, Teamchef von Deutschlands zweitem Spitzenfahrer Sandro Cortese. "Es gibt zwei Probleme: Entweder wird die neue Klasse mit Prototypen ausgefahren, dann wird sie zu teuer, denn das Budget ist so für viele schon kaum zu stemmen", meint der Schweizer: "Oder aber es wird mit billigen Durchschnittsgurken gefahren, dann wird es sportlich uninteressant."

Das befürchtet auch Bradls Boss Stefan Kiefer, einziger deutscher Teamchef in der WM: "Wenn es das Ziel ist, die Klasse der MotoGP anzunähern, wird der Spaß für Privatteams unerschwinglich", erklärte er.

Die Initiative zur Änderung kam vermutlich von den Herstellern. Bis auf KTM und Aprilia haben alle anderen die Produktion von Zweitakter-Rennmaschinen eingestellt. Die neuen 600er werden ausschließlich Viertaktmaschinen sein. Details wurden bisher öffentlich keine genannt, "und mit uns spricht ja keiner", wie Epp kritisiert. Für ihn gibt es nur eine positive Nachricht: "Dass die Änderung erst 2011 und nicht wie von der Dorna beabsichtigt schon 2010 kommt. So sehen wir noch zwei Jahre guten Sport, ehe eine Ära zu Ende geht."

Eigentlich bleibt genügend Vorbereitungszeit, doch die Hersteller stehen trotzdem unter Zugzwang. Bis zum 31. Juli müssen sie ihr Interesse bekunden, danach sollen Details und Regeln festgelegt werden. Somit haben sie die Wahl, fast drei Jahre vor dem Start der Serie kurzfristig eine endgültige Zusage zu geben oder auf ihr Mitspracherecht bei der Gestaltung zu verzichten.

Ziel für alle Teams und Fahrer müsse es jetzt sein, möglichst schnell in die MotoGP aufzusteigen und die Übergangsklasse hinter sich zu lassen, meint Epp. Sportlich sei der Aufstieg von der 125er- in die neue 600er-Klasse aber nicht so groß, wie es klingt. "Der Sprung in die 250er war schon größer als von dort in die MotoGP", meint Epp: "Die 250er sind giftige, brutale Dinger, die sehr anspruchsvoll sind."

Auch Kiefer glaubt, dass der Klassenwechsel kein Problem sei, "vielleicht sind die Viertakter sogar einfacher zu fahren als die Zweitakter". Dafür könnten die neuen Maschinen "fast schon so schnell sein wie in der MotoGP", vermutet Bradl. Deshalb sieht Deutschlands letzter Weltmeister Dirk Raudies einen "gefährlichen Sprung" und findet die Neuerung "gar nicht gut". Cortese enthält sich lieber gleich der Stimme, "das wäre zu diesem Zeitpunkt Gedankenverschwendung".

Für weniger Aufregung sorgte die Modusänderung in der sportlich wertlosen EM, die künftig in drei Klassen innerhalb eines Rennens mit den Besten der nationalen Meisterschaften ausgefahren wird (darunter fünf Deutschen). Einschneidender ist die Änderung des TV-Senders für die WM. Die Dorna verlängerte nach 17 Jahren den Vertrag mit Eurosport nicht und sucht nationale Lösungen. Als erstes hat sie in Deutschland bereits einen Partner bis 2011 gefunden. Nach 'sid'-Informationen handelt es sich hierbei um das DSF.