Warum Tech 3 ein eigenes Moto2-Projekt betreibt

Tech 3 betreibt mit der Mistral 610 ein ambitioniertes Moto2-Projekt, aber die Erfolge bleiben aus - Teamchef Herve Poncharal über die Gründe, warum er daran festhält

(Motorsport-Total.com) - Die Moto2-Klasse wird derzeit von Kalex dominiert. Dazu gewann Suter zuletzt auf dem Sachsenring und Speed Up feierte beim Wetterchaos in Assen einen Überraschungssieg. Unter normalen Umständen ist Kalex die erste Wahl, dazu können auch die Suter-Fahrer einige Highlights setzen. Andere Fabrikate sind im Feld dünn gesät. Es gibt drei reguläre Speed-Up-Fahrer, JiR setzt auf ein TSR-Chassis und das Tech-3-Team baut ein komplett eigenes Motorrad rund um den Honda-Einheitsmotor.

Titel-Bild zur News: Marcel Schrötter

Marcel Schrötter fährt in diesem Jahr für Herve Poncharal in der Moto2 Zoom

Als im Jahr 2010 die Moto2-Klasse eingeführt wurde, zeigte sich ein komplett anderes Bild. Neben Kalex, Suter, Speed Up und Tech 3 gab es eine Vielfalt an Chassis. Darunter waren Namen wie FTR, Moriwaki, MotoBI, RSV, Bimota, Promoharris, ADV, BQR. "Im ersten Jahr hatte Moriwaki das mit Abstand beste Paket", blickt Tech-3-Teamchef Herve Poncharal im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' auf die Geschichte der Moto2 zurück. "Heute ist keine Moriwaki mehr in der Startaufstellung."

"In der zweiten Saison war es Suter. Stefan (Bradl; Anm. d. Red.) gewann aber mit Kalex. In diesem Jahr sieht es so aus, dass Suter im Nirgendwo steht. Wenn es nur nach den Fahrern gehen würde, würde das Starterfeld zu 100 Prozent aus Kalex bestehen. Kalex will das aber nicht. Ich kann das auch verstehen und respektieren. Sie haben keine Interesse daran und auch keine Kapazitäten."

Aber worin liegen die Gründe, dass sich die Moto2 beinahe zu einem Kalex-Markenpokal entwickelt hat? "Am Ende muss man die Realität des Lebens akzeptieren", meint Poncharal. "Wenn ich nicht um mein Motorrad kämpfen würde, dann hätte ich aufgegeben. Ich kann mich an ein Team erinnern, das in einem Jahr drei verschiedene Chassis verwendet hat: FTR, Moriwaki und Suter. Die Resultate blieben gleich. Manchmal wundert man sich. Viele Teams geben aber unter Druck nach, wenn der Fahrer das Geld bringt. Wenn der Fahrer eine Kalex will, was machst du dann?"


Fotos: Moto2 auf dem Sachsenring


"Dein Sponsor hört auf den Fahrer. Der Fahrer sagt, er kann nicht gewinnen, weil er keine Kalex hat. Dann übt der Sponsor auf dich Druck aus, damit du eine Kalex kaufst", beschreibt Poncharal die Realität im Fahrerlager. "Ich verstehe das. Mein Leben wäre so viel einfacher, wenn ich eine Kalex hätte, denn die Fahrer könnten sich nicht beschweren. In der MotoGP beschweren sich die Fahrer nie über das Motorrad."

Bildunterschrift

Yuki Takahashi holte im Jahr 2010 den bisher einzigen Moto2-Sieg von Tech 3 Zoom

"Mit einer Kalex würde ich vielleicht bessere Fahrer und einen besseren Sponsor finden, aber ich habe mich für dieses Projekt entschieden. Sollte ich damit aufhören müssen, würde ich auch in der Moto2 aufhören. Wenn ich mir sicher wäre, dass das Motorrad nicht konkurrenzfähig ist, dann würde ich ehrlich gesagt aufhören. Ich glaube aber daran." Poncharal betreibt sein Moto2-Team mit Leidenschaft, auch wenn die Erfolge ausbleiben.

2010: Viele Teams wollten eigenes Chassis bauen

2010 gewann Yuki Takahashi mit der Mistral 610 in Barcelona. Es war bislang der einzige Sieg dieses Projektes. Bradley Smith eroberte 2011 einen zweiten und zwei dritte Plätze. 2012 schaffte der Brite das nicht mehr. Tech3 fiel in das Mittelfeld zurück. Derzeit fahren Marcel Schrötter und Ricard Cardus für Tech 3. Poncharal steht weiterhin hinter dem Konzept der Moto2, allerdings bedauert er, dass die Markenvielfalt geschrumpft ist.

"Als wir mit der Moto2 begonnen haben, war ich Teil der Entscheidung. Als IRTA-Präsident sitze ich im Tisch der Grand-Prix-Kommission. Als wir von der 250er-Klasse auf die Moto2 gewechselt sind, haben viele Teams gesagt, dass sie ihr eigenes Bike bauen werden. Im ersten Jahr gab es 13 Hersteller. Viele davon sind aber wieder verschwunden. Gresini hat mir beispielsweise gesagt, dass er auch sein eigenes Motorrad bauen wird. Es tut mir leid das zu sagen, aber er hatte nicht die Courage, es umzusetzen. Am Ende hat er eine Moriwaki gekauft. Ich habe gesagt, dass ich an meinem Plan festhalte und nicht aufgebe", so Poncharal.

Herve Poncharal

Herve Poncharal hält trotz ausbleibender Erfolge am Moto2-Projekt fest Zoom

Ingenieure können sich beweisen

Mit dem Moto2-Team bietet der Franzose seinen Mechanikern und Ingenieuren ein interessantes Betätigungsfeld, denn in der MotoGP muss nur die Abstimmung der Yamaha M1 erarbeitet werden. "Warum sollten wir es wie in der MotoGP machen?", fragt sich deshalb Poncharal. "Dort entwickelt Yamaha das Motorrad und wir kümmern uns nur um die Abstimmung. Viele Leute sagen, dass das technisch nicht so aufregend ist."

"Unsere Leute designen und bauen das Motorrad. Sie müssen sich um Probleme kümmern und Lösungen finden. Es geht beim Chassis um die Dimensionen, Steifigkeit, die Aerodynamik. Man lernt so viel. Für mich ist das eine gute Schule für meine Jungs. Das ist viel besser, als ihnen zu sagen, dass sie nur die Abstimmung machen müssen. Es ist natürlich nicht einfach." Poncharal betreibt den Rennsport mit Enthusiasmus. Das erwartet er auch von seinen Mitarbeitern.

Bradley Smith

Bradely Smith eroberte im Jahr 2011 drei Podestplätze in der Moto2 Zoom

Schrötter vertieft sich in das Motorrad und will das Paket gemeinsam mit Tech 3 weiterentwickeln. "Das war ein guter Punkt bei Marcel. Viele Fahrer kommen zu mir und sagen, dass sie in meinem Team ein Jahr Moto2 fahren und dann in die MotoGP aufsteigen wollen. Ich antworte, dass ich interessiert und gesprächsbereit bin. Wenn der Fahrer dann sagt, dass ich eine Kalex kaufen soll, dann ist das Meeting vorbei", stellt Poncharal klar. "Marcel hat das nie gesagt."

Der Fahrer macht den Unterschied

"Ich glaube, dass alle Fahrer sehr eng beisammen liegen. In der Moto2 macht der Fahrer den größten Unterschied - mehr noch als in anderen Klassen. Marquez gewann mit einer Suter, aber er hätte auch mit einer Kalex oder einer Mistral gewonnen. Ich bin mir ziemlich sicher." Dennoch bliebt unter dem Strich stehen, dass Tech 3 seit vier Jahren nicht gewonnen hat und seit drei Jahren nicht auf dem Podest stand.

Poncharal ist aber überzeugt, dass die Fahrer mit der Mistral Highlights setzen können. "Natürlich sieht man sich die Resultate an und wir gewinnen nicht. Ich glaube, das unser Motorrad konkurrenzfähig ist. Wir haben nicht das beste Bike, aber wir müssten in fast jedem Rennen in die Top 5 fahren können. Natürlich haben wir nur das Feedback von zwei Fahrern. Kalex hat mehr Fahrer und dadurch auch mehr Feedback. Deshalb können sie auch schneller entwickeln."

Marcel Schrötter

Marcel Schrötter fuhr in der laufenden Saison zweimal in die Top 10 Zoom

Dass Tech 3 in der mittleren Klasse erfolgreich sein kann, zeigte die Vergangenheit. 1999 und 2000 fungierte Tech 3 als Werksteam in der 250er-Klasse. Im Jahr 2000 wurde Olivier Jacque knapp vor Shinja Nakano Weltmeister. Anschließend wechselte das Team in die MotoGP. Seit 2000 ist Tech 3 auch wieder in der Moto2-Klasse vertreten.