• 18.07.2010 20:53

  • von Pete Fink

Toronto-Thriller: Wilson wirft Sieg weg - Power gewinnt!

Will Power holte sich in einem turbulenten Toronto-Rennen seinen vierten Saisonsieg, während Justin Wilson den Erfolg wegwarf - de Silvestro in den Top 10

(Motorsport-Total.com) - Tabellenführer Will Power marschiert stramm in Richtung IndyCar-Titel. Der Australier in Diensten von Roger Penske holte sich am Sonntagabend in einem hochturbulenten Honda Indy Toronto bereits seinen vierten Saisonsieg. Allerdings benötigte Power dabei die indirekte Mithilfe von Justin Wilson (Dreyer and Reinbold; 7.), dem gleich zwei alles entscheidende Fehler in einer einzigen Runde unterliefen.

Titel-Bild zur News: Will Power

Siegerfaust: Ist Toronto-Sieger Will Power nun auf dem Weg zum IndyCar-Titel?

Es geschah in Runde 71. Beim fünften von insgesamt sechs Restarts attackierte Power den bis dato führenden Wilson und überraschte ihn in Turn 1. Sichtlich irritiert, drehte sich der lange Brite nur wenige Kurven weiter in Turn 8. Das warf Wilson entscheidend zurück, während Power an der Spitze keine Probleme damit hatte, Dario Franchitti (Ganassi; 2.) in Schach zu halten.#w1#

Es war ein IndyCar-Rennen, das nicht nur der drittplatzierte Ryan Hunter-Reay (Andretti) direkt im Anschluss als "chaotisch" bezeichnete. Zahlreiche Scharmützel, Kollisionen und Abflüge beherrschten die Szenerie rund um das Exhibition Center von Toronto. Nur wenige Piloten behielten in den heißen 85 Runden kühlen Kopf.


Fotos: IndyCars in Toronto


Das Chaos begann in Runde 17. Polesitter Wilson hatte den Start gewonnen und lag vor Helio Castroneves (Penske), Franchitti, Hunter-Reay, Power und Scott Dixon (Ganassi). Weiter hinten im Feld erwischte Takuma Sato keinen guten Ausgang aus Turn 1, was dazu führte, dass er beim Anbremsen zu Turn 3 von seinem drängelnden KV-Teamkollegen Mario Moraes in die Mauer gedrückt wurde.

Frühes Aus für Sato und Castroneves

Der eigentlich zurückhaltende Japaner hatte danach einen dicken Hals: "Er hat die Türe zugemacht, ich hatte überhaupt keinen Platz mehr", schimpfte Sato in Richtung Moraes. Der Brasilianer machte sich in Toronto übrigens keine Freunde, denn später im Rennverlauf schoss er auch noch den Conquest-Dallara von Mario Romancini ab. Daraufhin hatten die IndyCar-Offiziellen genug und schickten Moraes zum Abkühlen einmal durch die Boxengasse.

Start Toronto

Beim Start verlief im wieder einmal chaotischen Toronto noch alles normal Zoom

Natürlich gab es nach dem Sato-Abflug die erste Gelbe Flagge. Bis auf Paul Tracy (KV) und Vitor Meira (Foyt), der sich übrigens schon in der Einführungsrunde einen Dreher leistete, fuhr das geschlossene Feld zum Tanken an die Box. Plötzlich lag Local-Hero Tracy, der nur als 24. ins Rennen gegangen war, unter dem Jubel der Zuschauer in Front.

An der Box arbeitete die Penske-Crew von Castroneves am Schnellsten. Der Brasilianer attackierte direkt nach dem Restart den Foyt-Dallara seines Landsmannes Meira. Ähnlich wie in Valencia Mark Webber verschätzte sich Castroneves aber und fuhr Meira hinten auf. Der Penske stieg leicht in die Luft auf und krachte nahezu ungebremst in der Auslaufzone in die Reifenstapel.

Eine heftige Schrecksekunde in Runde 22, die jedoch glimpflich ausging: Castroneves passierte - wie in allen anderen Toronto-Crashes auch - nichts. "Vitor hat extrem früh gebremst", beschrieb der "Spiderman" den Unfallhergang. "Das hatte ich ganz einfach nicht erwartet." Meira stand beim zweiten Restart an der gleichen Stelle erneut im Fokus, als es hinter ihm mit Franchitti und Power ganz eng wurde.

Tracy erwischt keine freien Runden

Beide zogen dabei am Brasilianer vorbei, doch ein Abflug von Alex Lloyd (Dale-Coyne) löste sofort Gelbphase Nummer drei aus. Nach wie vor lag also Paul Tracy in Front vor Franchitti und Power, die beide an Spitzenreiter Wilson bei dessen ersten Stopp vorbeigezogen waren. Lokalmatador Tracy hätte nun unbedingt ein paar freie Runden gebraucht, um bei seinem Stopp nicht allzuweit zurückzufallen, doch dazu sollte es nicht kommen.

Paul Tracy

Keine freie Fahrt: Irgendwann musste auch Paul Tracy zum Tanken abbiegen Zoom

Beim nächsten Restart in Runde 31 zog Franchitti an Tracy vorbei. Doch erneut musste das Rennen sofort wieder neutralisiert werden, denn nun kam es zu der Kollision zwischen Moraes und Romancini. Tracy gab jetzt auf und fuhr an die Box zum Tanken. Damit war der Lokalmatador aus der Entscheidung herausgefallen. Ein später Verbremser führte zu einem Rundenverlust, das IndyCar-Urgestein landete abgeschlagen auf Rang 13.

Vorne setze sich das Trio Franchitti, Power und Wilson nun deutlich ab. Weil ab Runde 49 die letzten Tankstopps erledigt wurden, lief die Spitze kurze Zeit später auf zur Überrundung anstehende Hinterbänkler auf. Franchitti reagierte prompt und fuhr ebenfalls an die Box, eine Runde später folgten Power und Wilson.

Dabei drehte sich das Szenario der ersten Stopps um, denn nun war es die Dreyer-and-Reinbold-Mannschaft, die Wilson schneller als Power abfertigte. Ausgangs der Boxengasse zog der Brite an Power vorbei, beide schnappten sich Franchitti. "Ich habe meine Track-Position verloren", schilderte der Schotte nach dem Rennen. "Mein Auto war nicht schlecht, aber einfach nicht schnell genug."

Power nutzt die Wilson-Fehler eiskalt

Damit schien die Vorentscheidung gefallen zu sein. Wilson donnerte nun auf und davon, und setzte schnell vier Sekunden Distanz zwischen sich und seine Verfolger Power und Franchitti. Doch das turbulente Toronto hatte noch nicht genug Zwischenfälle gesehen: In Runde 56 kollidierten Bertrand Baguette (Conquest) und Tomas Scheckter (Dreyer and Reinbold), zwei Runden später schob ein aggressiver Newman/Haas-Rückkehrer Graham Rahal den Penske-Dallara von Ryan Briscoe in die Mauer. Beide Male gab es kein Full-Course-Yellow.

Justin Wilson

Eigentlich hatte Justin Wilson Toronto über weite Strecken fest im Griff Zoom

Das änderte sich in Runde 65. Danica Patrick, die bereits das gesamte Wochenende über eine starke Leistung bot, kämpfte sich an ihrem Andretti-Teamkollegen Marco Andretti vorbei. Direkt dahinter kam es zu einem Kuddelmuddel zwischen Ernesto Viso (KV), Alex Tagliani (FAZZT) und Raphael Matos (De Ferran/Dragon). Für Matos bedeutete dies das Aus, für den Rest des Feldes Gelbphase Nummer fünf.

Beim Restart in Runde 71 folgte das Wilson-Drama. "Ich würde auch gerne wissen, was genau da los war", kommentierte der restlos enttäuschte Brite nach dem Rennen. "Wahrscheinlich hatte ich dreckige Reifen. Es war vermutlich mein Fehler. Ich habe mich nicht ausreichend darum gekümmert, dass die Reifen beim Restart sauber sind. Beim Dreher später haben meine Reifen blockiert. Es war ein Fehler des Piloten, für den ich mich gar nicht genug entschuldigen kann."

Platz neun für Simona de Silvestro

Power nutzte die Restart-Situation eiskalt, zog an Wilson vorbei und kontrollierte den Rest des Rennens - das immer noch nicht genug Carbon-Schrott sah. Im Kampf um Platz drei gerieten Hunter-Reay und Dixon in Turn 3 aneinander, wobei der Ganassi-Pilot den Kürzeren zog. Mit kaputter Aufhängung humpelte Dixon zurück an die Box.

Simona de Silvestro

Simona de Silvestro holte als Neunte ihre erste Top-10-Platzierung Zoom

Wilson wurde durch sein Missgeschick bis auf Platz zwölf zurückgeworfen, arbeitete sich in den letzten neun Runden aber noch bis auf Position sieben nach vorne. Hinter Sieger Power, Franchitti und Hunter-Reay holte sich Tony Kanaan einen vierten Platz vor Graham Rahal und Danica Patrick. "Ich liebe das Gewinnen", lautete das nachvollziehbare Toronto-Fazit Powers, während Hunter-Reay von "extrem harten 85 Qualifikationsrunden" sprach.

Ein Rezept für eine Top-Platzierung hieß im chaotischen Toronto: Sich aus allem heraushalten. Eine Pilotin, die dies perfekt umsetzen konnte, war Simona de Silvestro. Hinter Marco Andretti holte sich die 21-jährige Schweizerin einen absolut unauffällig, aber genauso fehlerfrei herausgefahrenen neunten Platz. Das erste Top-10-Resultat des orange-schwarzen HVM-Dallara mit der Startnummer 78.