Tony Kanaan: "Man muss schon ein bisschen verrückt sein"

Angesichts der Tragödie um Justin Wilson fühlten sich die IndyCar-Piloten an den Tod von Dan Wheldon erinnert - Tony Kanaan erklärt, warum Aufhören kein Thema ist

(Motorsport-Total.com) - Mit dem Tod von Justin Wilson am Tag nach dem Rennen in Pocono hatte die IndyCar-Szene im August 2015 den zweiten tödlichen Unfall innerhalb von vier Jahren zu beklagen. Die routinierten Fahrer im Feld, wie etwa Tony Kanaan, Scott Dixon, Helio Castroneves, Will Power und Co., fühlten sich sofort an den Tag erinnert, an dem Dan Wheldon beim IndyCar-Saisonfinale 2011 in Las Vegas sein Leben ließ.

Titel-Bild zur News: Tony Kanaan

Tony Kanaan: Trauer um Justin Wilson ja, Gedanken an Rücktritt nein Zoom

"Motorsport ist ein gefährlicher Sport. Jeder von uns Fahrern weiß das", sagt Tony Kanaan, dem Wheldons Tod besonders schwer zu schaffen machte. Bei Andretti/Green Racing waren die beiden in den Jahren 2003 bis 2005 Teamkollegen und bauten in dieser Zeit eine enge Freundschaft auf. "Als wir Dan verloren, war das ein Tragödie. Es war einer der schwierigsten Tage meines Lebens", gesteht Kanaan gegenüber 'The Players Tribune'.

Aller Trauer zum Trotz: Der 40-jährige Brasilianer versucht zu erklären, warum es überflüssig ist, im Zusammenhang mit dem Tod eines Fahrerkollegen stets die gleichen Fragen zu stellen. "Am Tag, als wir Justin verloren, wollten unsere Freunde und unsere Fans wissen: 'Warum tut ihr das? Warum fahrt ihr weiter Rennen, obwohl ihr um die Risiken wisst?' Die Antwort darauf ist keine sonderlich beliebte", weiß Kanaan, um darzulegen: "Wir tun es, weil es unser Job ist. Wir sind Rennfahrer. Wir fahren Rennwagen. Wir lieben das Rennfahren."

Rennfahrer wollen kein zu 100 Prozent sicheres Racing

Tony Kanaan, Justin Wilson

Freies Training in Pocono 2015: Tony Kanaan und Justin Wilson in Turn 1 Zoom

Um es im Motorsport bis an die Spitze zu schaffen, ist es unerlässlich, Risiken einzugehen. Die IndyCar-Serie ist da keine Ausnahme. Kanaan aber geht noch einen Schritt weiter und zieht den Vergleich zu anderen Sportarten heran. "Mir ist klar, dass die Risiken im Motorsport größer sind, aber es ist wie bei einem Football-Spieler, der sich der Gefahr von Gehirnverletzungen aussetzt. An solche Dinge denkt man nicht. Es ist einfach die Realität unseres Sports. Was den Motorsport betrifft, so war es so seit einst der erste Rennwagen gebaut wurde."

Die Bestrebungen, die Sicherheit zu verbessern, gehen unvermindert weiter. Für die IndyCar-Saison 2016 wurde erst kürzlich eine Reihe neuer Sicherheits-Features bekanntgegeben. Hundertprozentige Sicherheit wird es freilich auch mit den neuen Features nicht geben.

Kanaan spricht in diesem Zusammenhang einen wichtigen Punkt an. "Wenn man den Motorsport zu 100 Prozent sicher machen würde, dann könnte jeder einen Rennwagen fahren. Wenn jeder meinen Job erledigen könnte, dann würde ich ihn nicht mehr wollen. Dem Rennsport das Risiko zu nehmen, würde bedeuten, dass man kein Rennfahrer mehr ist. Das will niemand."

Weiterfahren im Sinne der verunglückten Kollegen

Dan Wheldon, Tony Kanaan

Mit Dan Wheldon, der 2011 verunglückte, verband Kanaan eine enge Freundschaft Zoom

"Könnten sich Dan Wheldon oder Justin Wilson oder Ayrton Senna oder jeder andere Fahrer, den wir in den vergangenen Jahren verloren haben, vor uns Fahrer stellen und sagen, wie wir mit ihrem Tod umgehen sollten, so würden sie alle das gleiche sagen, nämlich: 'Schwingt euch wieder ins Auto'", ist Kanaan überzeugt und stellt heraus: "Als tun wir es."

"Es mag verzogen klingen, aber man muss schon ein bisschen verrückt sein, um das zu tun, was wir tun. Wir haben kein Problem damit. Wir würden es nicht anders wollen", bringt Kanaan abschließend den Sinn des Rennfahrens auf den Punkt.