Fusions-PK: Jetzt beginnt die harte Arbeit

Die Formalitäten sind unter Dach und Fach, aber jetzt müssen die Open-Wheel-Bosse die Ärmel hochkrempeln und zur Arbeit schreiten

(Motorsport-Total.com) - In Homestead, also dort, wo die ersten Tests der neuen, einheitlichen IndyCar-Serie stattfinden werden, wurde gestern Geschichte geschrieben: IndyCar-Boss Tony George und ChampCar-Promoter Kevin Kalkhoven traten gemeinsam vor die Motorsportpresse, reichten sich die Hand und besiegelten damit die Open-Wheel-Fusion in Nordamerika auch ganz offiziell.

Titel-Bild zur News: Tony George und Kevin Kalkhoven

Ein Handschlag für die Geschichtsbücher: Tony George und Kevin Kalkhoven

Die Fahrer beider Serien stellten sich im Hintergrund auf und lächelten für die Kameras um die Wette, während sich Kalkhoven vom Medienauflauf beeindruckt zeigte: "Was für ein Publikum! Anscheinend machen wir mit dieser Wiedervereinigung irgendetwas richtig." Und George fügte sentimental an: "Vor ein paar Wochen, am Silvesterabend, habe ich mich noch gefragt, ob das hier je passieren wird. Dann kam ein Anruf, der mir ein gutes Gefühl gab. Das ist das Beste, was ich in den 48 Jahren meines Lebens erreicht habe."#w1#

Verhandlungen seit vier Jahren

"Es war ein langer und steiniger Weg, um endlich hierher zu kommen." Kevin Kalkhoven

In den vergangenen vier Jahren hat es immer wieder Verhandlungen gegeben: "Es war ein langer und steiniger Weg, um endlich hierher zu kommen, aber wir sind hier. Ich denke, die großen Sieger sind heute die Fans, die Teams, die Fahrer und der Sport insgesamt, denn das Potenzial, das wir in den nächsten Jahren entfalten können, das ist riesig", gab Kalkhoven zufrieden zu Protokoll. Aber er fügte realistisch an: "Die Wiedervereinigung ist nicht die Antwort auf alles!"

Denn wer glaubt, dass nun alles erledigt ist, der liegt natürlich komplett falsch - im Gegenteil: Jetzt geht die Arbeit erst richtig los! Es gilt Deals mit den ChampCar-Partnern auszuhandeln, die durch den Rost fallen werden, es muss ein Rennkalender erstellt werden, es bedarf teilweise neuer TV-Verträge, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und dann ist da natürlich die große Frage, welche ChampCar-Teams künftig IndyCar fahren werden.

Newman/Haas/Lanigan, KV (ehemals PKV), Conquest und die Truppe von Derrick Walker haben bereits verbindlich zugesagt und angeblich auch schon die ersten Autos bestellt. Ob diese auch rechtzeitig geliefert werden, ist freilich eine andere Frage, denn Chassishersteller Dallara ist bis Mai ausgebucht und muss auf Hochtouren arbeiten, um den IndyCar-Bestellungen gerecht werden zu können. Erst in ein paar Monaten werden sich die Materialengpässe wohl etwas entspannen.

Barnhart garantiert jedem Team ein Chassis

"Kurzfristig haben wir das größte Problem." Tony George

"Unsere Hoffnung ist, jedem Team ein neues und ein gebrauchtes Chassis zur Verfügung stellen zu können", erklärte George. "Im Laufe der Saison, so ab Mai, sollte sich die Situation entspannen. Kurzfristig haben wir das größte Problem." Und IndyCar-Manager Brian Barnhart garantierte jedem ChampCar-Team für den Saisonauftakt in Homestead "zumindest ein" Chassis. Insgesamt rechnet Barnhart mit acht bis zwölf neuen Autos - maximal könnten es 16 werden.

Doch wo sollen diese rechtzeitig herkommen? George hat in seinen Vision-Garagen noch ein paar Autos rumstehen, aber das wird bei weitem nicht für alle Interessenten reichen. Also appellierte der Indy-Erbe an seine Teams, ihre Ersatzboliden quasi zu spenden - offenbar mit Erfolg. Überhaupt hat man das Gefühl, dass alle wollen, dass alle an einem Strang ziehen, um neben NASCAR auf dem nordamerikanischen Motorsportmarkt wieder wer zu werden.

Um den ChampCar-Teams den Umstieg so einfach wie möglich zu machen, haben sich die IndyCar-Bosse sogar zu übergreifenden Kooperationen bereiterklärt. Die ersten Allianzen stehen schon fest: Newman/Haas/Lanigan wurde Rahal/Letterman zugewiesen, KV ist mit der Truppe von Chip Ganassi verbandelt. Durch dieses Modell sollen die Startnachteile der ChampCar-Teams so gering wie möglich gehalten werden.

Großes ChampCar-Finale in Long Beach

Tony George und Kevin Kalkhoven

Tony George und Kevin Kalkhoven bei der Pressekonferenz in Homestead Zoom

Die von Panoz hergestellten DP01-ChampCar-Chassis können die Fans aber noch einmal in Action erleben, nämlich beim allerletzten ChampCar-Rennen in Long Beach, das wie geplant am 20. April stattfinden wird. Parallel dazu steigt das IndyCar-Rennen in Motegi mit dem Dallara-Feld. Wie das gehen soll? Ganz einfach: In beiden Rennen - ein allerletztes Mal geteilt - werden Punkte und Preisgelder nach IndyCar-Struktur verteilt.

"Die Kombination aus Long Beach und dem Indy 500", freute sich Kalkhoven schon auf die seiner Meinung nach große Zukunft der Open-Wheeler, "ist einfach sensationell!" Und George fügte an: "Long Beach wird als ChampCar-Finale in die Meisterschaft aufgenommen. Dazu wollen wir Edmonton und Australien in den Kalender integrieren. In beiden Fällen müssen die Details aber noch verhandelt werden. Ich glaube, das wird uns gelingen."

"In Long Beach", ging Kalkhoven noch einmal auf das große Finale seiner ChampCars ein, "werden wir ein riesiges Fest mit den DP01s erleben. Es wird sensationell! Es wird nicht nur ein ChampCar-Fest, sondern eine Präsentation der Wiedervereinigung. Wir hoffen, dass viele Fans kommen werden, um die DP01s ein letztes Mal live zu sehen. Dann wechseln wir auf die Dallaras. Wer weiß, vielleicht kommen sogar ein paar Fahrer aus Motegi nach Long Beach, weil sie sich das nicht entgehen lassen wollen?"

Rennkalender ab 2009 völlig neu?

"Es ist mir persönlich ein Anliegen, weiter Ovale zu haben." Tony George

Ab 2009 kann sich George indes einen Kalender mit 20 Rennen vorstellen. Welche ChampCar-Events übernommen werden sollen, ist noch unklar. Von den kanadischen Strecken zeigt der IndyCar-Boss Interesse an Toronto und Edmonton, weniger an Montréal. Auch die Internationalisierung soll vorangetrieben werden, was für die Europarennen Chancen bieten könnte. Und Mike Lanigans Strecken in Houston und Cleveland sind sowieso ein Thema.

Die ChampCars, die nur auf Rundstrecken unterwegs waren, müssen sich übrigens auf die vielen Ovale umstellen, denn daran wird nicht gerüttelt: "Es ist mir persönlich ein Anliegen, weiter Ovale zu haben, verschiedene Ovale", stellte George klar - und letztendlich ist er der Mann, der das Sagen hat. "Aber viele Fahrer, die lange nicht mehr auf einem Oval gefahren sind, werden diese Erfahrung umwerfend finden, davon bin ich überzeugt." Zumindest jede zweite Strecke soll ein Oval bleiben.

Diversen Partnern der ChampCar-Serie - das ist die Kehrseite der Medaille -, deren Zukunft nun in der Luft hängt, müssen in den nächsten Wochen Kompromissangebote gemacht werden. George sieht das aber nur als Kollateralschaden: "Wir können nicht jedermanns Probleme lösen. In dem Fall gilt es, den Blick auf das Wesentliche zu richten und die Perspektive für den Sport insgesamt zu erkennen", zeigte sich der Amerikaner kompromisslos.