• 06.10.2008 17:14

  • von Paul Jackson

Jackson-Kolumne: "Nicht das Ende der Welt!"

GP2-Teamchef Paul Jackson zieht Bilanz: Wo iSport und Bruno Senna den Titel verloren haben und warum er weiterhin an Timo Glock glaubt

Titel-Bild zur News: Paul Jackson

Paul Jackson mit dem Pokal für den zweiten Platz in der GP2-Teamwertung

Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

wenn Sie - wovon ich ausgehe - die vergangene GP2-Saison bei 'Motorsport-Total.com' verfolgt haben, dann wissen Sie bestimmt, dass wir mit iSport dieses Jahr den Titel von Timo Glock nicht verteidigen konnten. Bruno Senna wurde Zweiter in der Fahrerwertung und auch in der Teamwertung belegten wir den zweiten Platz. Das ist offensichtlich nicht so gut wie im Vorjahr, aber es ist auch nicht das Ende der Welt!

Wir hatten über weite Strecken ein gutes Jahr. Es gab zwei oder drei unglückliche Zwischenfälle, die letztendlich den Unterschied ausgemacht haben. Ich denke da etwa an den Hund, der Bruno in Istanbul vor das Auto gelaufen ist, an Magny-Cours oder an die Strafe in Spa-Francorchamps. Die Sache mit dem Hund war wirklich bizarr und unvorhersehbar, hat uns aber im Endeffekt nicht allzu viele Punkte gekostet, weil wir sowieso nicht gewonnen hätten.#w1#

20 Punkte durch Pech verloren

In Magny-Cours stand Bruno auf Pole, er führte im Rennen und die Boxenstopps, die immer ein gewisses Risiko darstellen, lagen bereits hinter uns. Dann versagte die Kupplung. Das hat uns sicher einen Sieg und zehn Punkte gekostet. Spa-Francorchamps war eine ähnliche Situation. Die Rennleitung empfand, dass sich Bruno beim Verlassen des Boxenstoppplatzes gefährlich verhalten hat, obwohl er nicht mit einem anderen Auto kollidiert ist. Auch dort hätten wir gewonnen. In Summe sind das 20 Punkte.

Was unsere Fahrer angeht, so bin ich sowohl mit Bruno wie auch mit Karun Chandhok sehr zufrieden. Von den Rundenzeiten her schenken sich die beiden nicht viel - vielleicht eine Zehntelsekunde -, aber Bruno hat sich während der Saison etwas besser weiterentwickelt, was die Konstanz und seine Reife als Rennfahrer angeht. Seine Resultate waren in Summe besser, was sich im Meisterschaftsendstand niederschlägt.

Paul Jackson und Karun Chandhok

So jubelt iSport: Mit Karun Chandhok nach dem Sieg in Hockenheim... Zoom

Mir ist auch aufgefallen, dass sich Bruno auf mentaler Ebene enorm weiterentwickelt hat. Wenn ihm ein Sieg weggenommen wurde, war er vielleicht fünf oder zehn Minuten sauer, was ganz normal ist, aber gleich danach wirkte er wieder sehr positiv und er konzentrierte sich nur noch auf das nächste Rennen. Ich glaube, das ist ein Punkt, der für Nachwuchsfahrer in diesem Alter sehr entscheidend ist, vor allem im Hinblick auf die Formel 1.

Wenn ich die Saison 2008 Revue passieren lasse, dann war für uns Brunos Sieg in Monaco sicher das Highlight des Jahres - nicht nur, weil Monaco in der Formel 1 früher das "Wohnzimmer" seines Onkels Ayrton war, sondern weil er einfach ein fantastisches und sehr reifes Rennen gefahren ist. Er hat am Limit sehr kontrolliert agiert, obwohl er von Maldonado stark unter Druck gesetzt wurde. Das war eine außergewöhnliche Leistung. Dafür wurde er mit dem Sieg bei dem Rennen belohnt, das jeder am meisten gewinnen will!

Knackpunkt Spa-Francorchamps

Die größte Enttäuschung war wahrscheinlich die Strafe in Spa-Francorchamps. Ich glaube, wenn wir das Rennen gewonnen hätten, hätte die Meisterschaft anders ausgehen können. Das war ein Wendepunkt. Bruno war sehr gut in Form, sehr schnell im nassen Qualifying, sehr schnell im Rennen. Er hat zum richtigen Zeitpunkt auf Trockenreifen gewechselt und in der ersten Runde danach war er um drei Sekunden schneller als alle anderen! Es war sein Tag. Umso größer war die Enttäuschung.

Alles in allem war 2008 für uns eine Saison mit vielen Höhen und Tiefen. Natürlich wären wir am liebsten wieder Meister geworden, aber man muss auch die Kirche im Dorf lassen und betonen, dass ein zweiter Platz bei so starker Konkurrenz wahrlich kein Grund ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Nächstes Jahr werden wir versuchen, den Titel wieder zu iSport zu holen!

Bruno Senna und Paul Jackson

... und mit Bruno Senna nach der Sternstunde in den Straßen von Monaco Zoom

Für uns geht es nun zunächst einmal mit der GP2-Asia-Meisterschaft weiter. Die Fahrer stehen bereits fest: Giedo van der Garde, der amtierende Meister der Renault-World-Series, und Hamad Al Fardan aus dem deutschen Formel-3-Cup. Al Fardan hat einen sehr guten Sponsor gebracht, von dem wir profitieren. Wir werden im Gegenzug versuchen, sein Potenzial einzuschätzen und ihn gegebenenfalls auf die Formel 1 vorzubereiten.

Abschließend möchte ich noch ein Wort zu Timo Glock verlieren. Wir sind immer noch gut befreundet und er schaut im Fahrerlager oft bei uns vorbei. In der zweiten Saisonhälfte hat er sich bei Toyota prächtig entwickelt! Am Saisonbeginn hatte er es schwer, denn das Auto passte nicht ganz zu seinem Fahrstil - es war ganz auf Trulli abgestimmt. Aber je länger er Formel 1 fährt, desto besser bekommt er das in den Griff. Ich bin von seinem Talent jedenfalls immer noch voll überzeugt! Wenn ihm Toyota nächstes Jahr ein gutes Auto hinstellt, dann wird er vorne mitfahren.

Paul Jackson