Streitpunkt Stallorder: Darum ließ Abt di Grassi nicht vorbei

Eigentlich sollte Daniel Abt Lucas di Grassi im Meisterschaftskampf unterstützen und vorbeilassen, doch das tat er nicht: Jetzt erklärt der Deutsche die Hintergründe

(Motorsport-Total.com) - So richtig konnte Daniel Abt sein bestes Formel-E-Ergebnis, das er ausgerechnet bei seinem Heimspiel in Berlin einfahren konnte, nicht genießen. Denn der zweite Platz wurde von Diskussionen um eine mögliche Stallorder überschattet. In der Schlussphase wurde dem Deutschen über Funk mitgeteilt, dass sein Teamkollege Lucas di Grassi hinter ihm schneller sei. Motorsportfans wissen, was diese Nachricht bedeutet, doch vorbei ließ Abt seinen Stallgefährten nicht.

Titel-Bild zur News: Daniel Abt, Lucas di Grassi

Wer hat Vorfahrt bei Abt? Daniel Abt behielt heute die Oberhand Zoom

So gab es nach Zieldurchfahrt durchaus betretene Mienen in der Garage des Abt-Teams, denn durch den verpassten Platztausch geht Lucas di Grassi mit einem Vorsprung von nur einem einzigen Pünktchen auf Sebastien Buemi in den letzten Event von London. Doch warum hat Abt die Ansage seines Teams missachtet? Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' klärt der Kemptener die Sache auf.

Eigentlich war Abt bereits vor dem Rennen klar, dass er di Grassi in einem solchen Fall vorbeilassen soll und würde. "Das hat man mir durch die Blume schon gesagt. Ich bin ja auch nicht doof, ich weiß wie Rennsport läuft", sagt er. Außerdem sei er darauf aus, dass sein Familienteam beide Titel in der Meisterschaft holt - und da er bei den Fahrern keine Chance mehr hat, unterstützt er di Grassi. "Für mich gab es auch keinen Moment, an dem ich nicht gedacht habe, dass es so kommen wird", schildert er.

Doch als die Message über seinen Funk kam, kam kurz darauf das Safety-Car auf die Strecke und neutralisierte das Rennen. Nach der Freigabe hatte Abt noch zwei Runden Zeit, um den Brasilianer passieren zu lassen, und wollte dies auch tun: Er wurde zunächst bei der Anfahrt auf die letzte Haarnadel langsamer und signalisierte laut eigener Aussage ein Vorbeilassen. "Aber er war ein wenig weit weg und war sich wohl nicht sicher, ob er es machen kann", so Abt.

In der letzten Runde wollte Abt dann nicht noch einmal den Versuch starten, denn hinter di Grassi lauerte bereits Nicolas Prost auf seine Chance: "Es darf da nichts schiefgehen, sonst bin ich am Ende Vierter und bin der Trottel des Tages", erklärt er seinen Gedankengang. Denn einen Grund, seinen Kollegen nicht vorbei zu lassen, hätte er nicht gehabt: "Am Ende ist es egal, ob ich Zweiter oder Dritter bin."

Di Grassi könnte es am Ende nicht egal sein, ob er in Berlin Zweiter oder Dritter geworden ist, denn schon im vergangenen Jahr wurde die Meisterschaft um einen einzigen Punkt entschieden. Doch sauer ist der Brasilianer nicht, wie er auf der Pressekonferenz versichert: "Ich bin kein Fan von Teamorder, außer es ist das letzte Rennen und wirklich notwendig, um den Titel zu gewinnen", will er überhaupt keine Hilfe von seinem Team.

Seiner Meinung nach habe Abt den zweiten Platz durch seine Leistung ohnehin mehr als verdient gehabt. "Es wäre unfair, wenn wir die Plätze getauscht hätten", so seine klare Ansage. "Ich habe keine Nachricht erhalten und habe auch nicht um einen Platztausch gebeten. Das würde ich nie tun, außer es ist wirklich notwendig. So sollten sich auch die Teams verhalten." Seiner Meinung nach sollte es keine Teamorder geben. "Jeder fährt für sich selbst, und so sollte Racing sein."


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Und so steht die Formel E vor einem äußerst spannenden Finale in London. Buemi und di Grassi liegen beinahe gleichauf, und Abt ist überzeugt davon, dass es sein Teamkollege auch ohne die Punkte aus Berlin schaffen wird: "Lucas hat die Fähigkeiten, es selbst zu gewinnen. Er ist ein fantastischer Rennfahrer und schon wieder auf das Podest gefahren", lobt er. "Er weiß, wie man fahren muss. Er wird in London zurückschlagen und gewinnen."