• 25.12.2013 14:25

  • von Dominik Sharaf

'Rocky'-Teamchef plaudert aus: "Cool war der nur nach außen"

Phoenix-Boss Ernst Moser über die verborgenen Emotionen des Mike Rockenfeller, sein Erfolgsgeheimnis und den Horrorcrash von Le Mans 2011: "Ich habe geweint"

(Motorsport-Total.com) - Da schmeckt die Meisterzigarre doppelt so gut: Ernst Moser, sein Phoenix-Team und Mike Rockenfeller formten im Jahr 2013 nicht nur den Ergebnislisten zufolge eine perfekte und immer gut gelaunte Einheit, sie waren auch abseits des Rampenlichts der DTM eine. Hinter verschlossenen Türen jedoch begann auf der Zielgeraden der Saison so manche Fassade zu bröckeln - schließlich ist 'Rocky' im Titelkampf nicht immer der eiskalte Profi geblieben, den er vor den TV-Kameras und den Journalisten abgab.

Titel-Bild zur News: Mike Rockenfeller, Ernst Moser

Mike Rockenfeller und Ernst Moser hatten gemeinsam schon einiges zu feiern Zoom

Moser kennt seinen langjährigen Schützling so gut wie kaum ein anderer im Motorsport-Zirkus und berichtet im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' über dessen fast sprichwörtliche Coolness: "Die gab es nur nach außen. Er hat alles sehr, sehr professionell erledigt, aber ab einem gewissen Punkt hat man gemerkt, dass die Anspannung steigt." Als die DTM-Krone zum Greifen nahe war und die Entscheidung in seinen eigenen Händen lag, konnte Rockenfeller seine schwitzigen Pfoten nicht mehr verbergen: "Ab Oschersleben war es extrem."

Sein Perfektionismus war letztendlich Mosaikstein des Erfolges und keine Hürde. Dennoch ließ der 30-Jährige auf diese Art durchblicken, dass der Kampf um einen der wichtigsten Meilensteine seiner Karriere Spuren hinterließ : "Wir waren in einem Freien Training unter den Top 5. Mike kam in den Lkw und sagte: 'Wir sind zu langsam. Das Ergebnis zeigt nicht, wie schlecht wir sind'", erinnert sich Moser, der den Rennfahrer-Baldrian aus dem Medizinschrank holte: "Wir mussten ihn erstmal wieder runterholen. In diesem Moment war das nur Nervosität."

Liebe auf den eineinhalbsten Blick

Augenblicke wie dieser zeigen, dass die Symbiose Rockenfeller-Phoenix funktioniert. Im Team Rosberg, wo er die ersten drei Jahre seiner DTM-Laufbahn verbrachte, gelang dem Rheinland-Pfälzer im Jahreswagen der Durchbruch nicht. Erst als er 2010 unter Moser das erste Podium einfuhr, hatte Rockenfeller eine Visitenkarte, die ihn zu Abt, dem ersten Sieg im Tourenwagen und anschließend wieder zurück nach Meuspath brachte. Das entscheidende Siegergen will der Teamchef bei seinem besten Pferd nicht erkannt haben.

Gesehen haben sich Moser und Rockenfeller zum ersten Mal "irgendwann bei irgendeinem Langstrecken-Rennen auf dem Nürburgring, Ewigkeiten her". Später traf man sich als Audi-Kollegen regelmäßig im DTM-Paddock. Sofort stimmte die Chemie, ohne dass der Phoenix-Boss der Meinung gewesen wäre, ein Supertalent entdeckt zu haben. "Es gab da nichts Besonderes, was ich unbedingt erwähnen müsste. Er war einfach von Anfang ein Fahrer, dem ich angemerkt habe, dass er ins Team passt."


Fotostrecke: Rockenfellers Weg zum Titel

Der Begriff Team beinhaltet beim früheren Opel-Technikchef und Kfz-Meister jeden einzelnen vom Piloten bis zum unauffälligsten Schrauber. Für Selbstdarsteller ist bei Moser kein Platz: "Es gibt Piloten, die sind überzeugt, dass der Erfolg zu 95 Prozent an ihnen liegt und zu fünf Prozent am Rest. Fahrer, die Meisterschaften gewinnen, wissen, was drumherum alles passiert", erklärt Moser und zählt Rockenfeller eindeutig zur zweiten Kategorie. Es war diese Philosophie, die ihm den Drive bei Phoenix sicherte.

Le Mans 2011: "Ich dachte, das könnte keiner überleben"

Schließlich war Rockenfeller vor seinem Wechsel kein sportliches Aushängeschild und schaffte es nie unter die Top 10 der DTM-Gesamtwertung, obwohl er als Junior in den Porsche-Cups regelmäßig brilliert hatte. "Wir wussten nicht einhundertprozentig einzuschätzen, wie sich seine Leistungen entwickeln würden", meint Moser. "Er kam von Rosberg und da waren seine Ergebnisse nicht so überzeugend." Sehr wohl jedoch die Tatsache, dass Rockenfeller, der ebenfalls das Kfz-Handwerk lernte, den Kontakt zu Ingenieuren suchte und Erfolg als gemeinsames Projekt begriff.

Mike Rockenfeller

Mike Rockenfeller ist ein echter Teamplayer - das war auch 2013 Schlüssel zum Erfolg Zoom

Die Lorbeeren regnete es anschließend nicht nur für den Piloten, sondern für die gesamte Truppe von Phoenix, die mittlerweile die Nummer eins im Audi-Lager ist: 2011 Meister mit Martin Tomczyk, 2012 mit "Rocky" den besten Ingolstädter in den eigenen Reihen und 2013 die zweite Krone binnen drei Jahren. "Man kann nicht immer perfekt sein, aber aus seiner Situation das Beste machen. Dafür ist Mike ein tolles Beispiel", lobt Moser, der mit Rockenfeller auch eine der schwierigsten Stunden seines Lebens zu überstehen hatte.

Kein Plan B: Moser setzte für 2014 voll auf "Rocky"

Die Rede ist vom Highspeed-Unfall bei den 24 Stunden von Le Mans im Jahre 2011. In den Nachtstunden kollidierte der Audi R18 TDI mit Rockenfeller am Steuer mit einem Privatfahrer und schlug mit fast 300 km/h in die Leitplanke ein. "Ich stand an der Schikane vor Start und Ziel und habe das Rennen als Zuschauer angesehen", erinnert sich Moser, der mit dem Schlimmsten rechnete. "Als ich den Unfall beobachtet habe, war ich wie gelähmt. Ich dachte mir: 'Das kann ein normaler Mensch nicht überleben.' Ich habe geweint."

Während der wie durch ein Wunder nur leicht verletzte Rockenfeller rückblickend meint, durch den Crash manchmal etwas nachdenklicher geworden zu sein, hat die Schrecksekunde auch bei Moser Spuren hinterlassen: "Mich hat die Sache beeindruckt und ich habe lange darüber nachgedacht, dass Motorsport doch noch sehr gefährlich ist. Solche Unfälle vergisst man nie." Es war alles gut gegangen. Genau wie auf dem Weg zum Projekt Titelverteidigung 2014, das Rockenfeller mit Phoenix angeht. "Eine riesige Erleichterung", pustet Moser durch. "Ich war immer davon überzeugt, dass Mike die Herausforderung annimmt. Wir hatten diesmal keinen Plan B."

"Ich war wie gelähmt und habe geweint." Ernst Moser über Rockenfellers Le-Mans-Unfall 2011