Heftige Kritik an Audi: "Alles, was F1 verhindern könnte, wird plattgemacht"

Audis scheidender Boss Markus Duesmann muss sich harte Kritik gefallen lassen: War der Abbau des erfolgreichen Kundensport-Bereichs von langer Hand geplant?

(Motorsport-Total.com) - Der Vorstandsbeschluss von Audi, das erfolgreichen Kundensport-Programm auslaufen zu lassen, den R8 LMS GT3 ab 2024 nicht mehr zu bauen und den Fahrerkader aufzulösen, sorgt in den Reihen der Teams für Unverständnis und Enttäuschung. Vor allem Audi-Boss Markus Duesmann, der noch bis September im Amt ist und alles auf die Karte Formel 1 gesetzt hat, muss sich harte Kritik gefallen lassen.

Titel-Bild zur News: Markus Duesmann

Markus Duesmanns Entscheidungen sorgen im Motorsport für großen Unmut Zoom

"Audi Sport Customer Racing war das Aushängeschild von Audi Sport - und Vorsprung durch Technik", sagt Ernst Moser, der als Teamchef das Audi-Werksteams Phoenix lange in der DTM war und auf der Nordschleife große Erfolge feierte, im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

"Für mich ist das auch ein persönliches Thema von gewissen Leuten in der oberen Entscheidungsriege: Bevor er geht, macht da jemand alles, damit das Formel-1-Engagement umgesetzt werden muss. Die Leute, die das betrifft, haben nicht verdient, dass man so eine Struktur sterben lässt."

Gefahr für F1-Projekt? "Pflänzchen wird ausgetrocknet"

Das sei "seine persönliche Meinung" und er wisse nicht, warum "man jetzt Formel 1 machen will und sonst gar nichts mehr", betont Moser, der sein Team an die Scherer-Gruppe verkauft hat und in Zukunft nur noch Berater ist. Er könne den radikalen Schritt nicht nachvollziehen.

"Man hätte es mit kleinen Budgets weiterlaufen lassen können, denn die Kunden und ihre Partner zahlen fast alles selbst", so Moser über das Kundensport-Programm. "Aber wenn dieses Pflänzchen weiterwächst, könnte es für das Formel-1-Projekt vielleicht gefährlich sein. Daher wird es nicht mehr gegossen und ausgetrocknet."

"Das ist mein Eindruck: Alles, was das Formel-1-Projekt vielleicht noch verhindern könnte, wird jetzt plattgemacht."

Was bleibt bei Audi Sport übrig?

Tatsächlich argumentiert Audi den Kundensport-Abbau mit dem Fokus auf dem Formel-1-Einstieg im Jahr 2026. Aber inwiefern hätte durch Chris Reinkes Kundensport-Abteilung intern Gefahr gedroht? "Man hätte mit dieser Abteilung vielleicht etwas Neues aufbauen können. Wenn die nicht mehr da ist, geht das nicht mehr", erklärt Moser.

Das Formel-1-Projekt ist in der eigenen Firma Audi Formula Racing GmbH untergebracht und ist offiziell eine Tochter der Audi Sport GmbH. F1-Geschäftsführer Adam Baker berichtet aber direkt an Audis Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann. Neben dem Kundensport bleibt daher in der Audi Sport GmbH nur noch das Dakar-Projekt übrig, das aber auch Ende 2024 Geschichte sein dürfte. Dann gäbe es in Audi-Sportchef Rolf Michls Verantwortungsbereich kein aktives Projekt mehr.

WRT-Boss Vosse: "Jetzt passiert das, was man haben wollte"

Auch WRT-Teamchef Vincent Vosse, der mit seiner Truppe nach vielen erfolgreichen Audi-Jahren im Vorjahr zu BMW wechselte, sieht einen langfristigen Plan hinter den Ereignissen. "Jetzt passiert genau das, was man haben wollte - daran habe ich keinen Zweifel", sagt der Belgier im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

All das sei "schon vor eineinhalb Jahren, vielleicht vor zwei Jahren" entschieden worden. Eine Anspielung auf den Audi-Vorstandsbeschluss Ende 2022, auf Kosten der anderen Motorsport-Engagements auf die Formel 1 zu setzen, über den 'Motorsport-Total.com' im Mai berichtete?

Vincent Vosse

Bild aus besseren Zeiten: Reinke und Vosse 2022, als WRT noch Audi-Team war Zoom

"Als Markus Duesmann anfing, hatte er entschieden, aus der Class-1-DTM auszusteigen", verweist Vosse auf das Ende als Herstellerserie im Jahr 2020. "Das war der erste Schritt. Sehr schnell hat er aber auch entschieden, den Motorsport allgemein einzustellen und alle Bemühungen auf die Formel 1 zu legen."

Kundensport-Abbau wegen Formel 1? "Das ist ein Witz"

Ein Fehler? "Wenn sie in der Formel 1 gewinnen, dann werden alle sehr schnell vergessen, was passiert ist. Aber ich habe meine Zweifel", sagt der Belgier. Abgesehen davon sei ein erfolgreiches Doppelprogramm möglich, wie Mercedes mit acht Titeln in der Formel 1 bewiesen hat. "Das ist ein Witz", sagt Vosse. " Formel 1 hat nichts mit Kundensport zu tun. Die Kosten sind nicht hoch und sie haben das in den letzten 13 Jahren gerne genutzt."

Auch Attempto-Teamchef Arkin Aka, der mit seinem Audi-Team nach wie vor in der DTM und in der GT-World-Challenge Europe startet, kann den alleinigen Fokus auf die Formel 1 nicht nachvollziehen. "Der Motorsport muss breit aufgestellt sein", sagt er im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

"Porsche hat es vorgelebt - und auch die Marke Mercedes macht nicht nur Formel 1, sondern auch GT-Sport. Alle bringen neue Modelle, also frage ich mich: Warum macht das Audi nicht?", spielt er darauf an, dass man trotz der gemeinsamen Plattform mit Lamborghini keinen GT3-Nachfolger für den R8 baut. "Wenn man bedenkt, dass Audi eine der erfolgreichsten Marken war, ist das schwer nachzuvollziehen."

Warum wurde Audi Sport Customer Racing nicht zugesperrt?

Aber gibt die Tatsache Hoffnung, dass Audi Sport Customer Racing nun doch nicht zugesperrt wurde sondern weiter existiert, wie Michl betont? "Ich hoffe es für sie", denkt Vosse an die Mitarbeiter. "Aber das hat damit zu tun, dass sie zumindest ihre existierenden Kunden betreuen müssen. Sie müssen weiter Teile verkaufen", verweist er auf die zahlreichen Boliden in Kundenhand.

Und auch Moser gibt ihm recht: Da die Weiterentwicklung eingestellt werde, ein GT3-Nachfolger vom Tisch ist und der Fahrerkader aufgelöst wird, werde nur noch "verwaltet, was man hat", sagt der Ex-Phoenix-Teamchef. "Man muss seinen Verträgen gerecht werden. Wenn man Autos verkauft, muss man einige Jahre Service und Ersatzteile bereitstellen."

Oliver Hoffmann (CTO) und Markus Duesmann (CEO) von Audi

Hoffmann und Duesmann: Alles für das Formel-1-Projekt ab 2026 Zoom

Ob Moser Hoffnung hat, dass der Audi-Vorstand unter der Leitung des neue Audi-Chefs Gernot Döllner die Lage neu bewertet und es zu einer Änderung der Kundensport-Pläne kommt? "Ich freue mich auf jeden Fall, dass ein Wechsel da ist", sagt er. "Und ich würde es mir wünschen, aber ich habe keine Ahnung, in welche Richtung er geht".

"Name und Ruf in wenigen Monaten kaputtgemacht"

Auch Aka sieht den Wechsel keinesfalls negativ: "Duesmann hat der Marke Audi nicht sonderlich gutgetan hat. Diese Visionen, die er hat, waren wirklich nur Vision, die sich nicht umsetzen lassen", spielt er auf das klare Bekenntnis zur Elektromobilität an. "Ich hoffe, dass sie zur Erkenntnis gekommen sind, dass sie eigentlich auf den Kunden hören sollen."

Mit dem Beschluss geht nun eine Ära bei Audi zu Ende - das ist allen Teamchefs bewusst. "All das macht mich traurig für die Leute, die den Namen Audi Sport aufgebaut haben - Dr. Ullrich, Dieter Gass, Romolo Liebchen, Chris Reinke, Siegfried Krause", nennt Vosse die wichtigsten Vertreter aus seiner Sicht.

"Sie alle haben den Namen Audi Sport etabliert, haben so viel erreicht. Dieser Name und dieser Ruf - und was ihnen gelungen ist - wurde in wenigen Monaten kaputtgemacht. Das ist schade." Er leide aber auch mit Fahrern und Mechanikern mit. "Ich fühle mich immer noch als einer von ihnen", sagt er.

Auch Moser blickt mit Wehmut zurück: "Ich habe viele extrem gut Jahre mit diesen Leuten zusammengearbeitet und wir haben gemeinsam Erfolg gehabt", sagt er. Vor allem Kundensport-Chef Reinke sei am Ende "Passagier" gewesen: "Er machte bestimmt seine 100. Präsentation, aber es interessiert keinen Menschen. Sowas macht dich kaputt."

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