• 31.10.2008 17:22

  • von Szlapka/Weddige

Der große DTM-Saisonrückblick: Teil 4

Im letzten Teil des großen Rückblicks: Der dramatische Saisonendspurt mit dem Regenkrimi in Le Mans und dem Finale Furioso in Hockenheim

(Motorsport-Total.com) - Mit einem fulminanten Finale in Hockenheim ist die DTM-Saison 2008 zu Ende gegangen. Es war das Jahr des Timo Scheider. Es war aber auch das Jahr, in dem der Stern von Paul Di Resta endgültig aufgegangen ist - und das Debütjahr von Ralf Schumacher. 2008 war eine Saison, in der Mercedes zunächst schon vom neuen Audi A4 geschlagen schien und sich dann erfolgreich zurückgekämpft hat. Die Dominanz der Neuwagen, der Durchbruch eines "Spätzünders", aufstrebende Jungstars und gescheiterte Titelkandidaten - all das hat die Saison geprägt, auf die 'Motorsport-Total.com' nun zurückblickt.

Titel-Bild zur News: Timo Scheider

So heißt der neue Meister: Timo Scheider hatte am Ende die Nase vorn

Bisher wurden die ersten neun Rennen von Hockenheim bis Barcelona beleuchtet. Im vierten und letzten Teil geht es nun um den dramatischen Saisonendspurt. In Le Mans hatte Timo Scheider den Titel eigentlich schon in der Tasche, doch Audi verspielte den Matchball im Reifenpoker. Und auch das Finale in Hockenheim war vor einer Rekordzuschauerkulisse nichts für schwache Nerven.#w1#

Le Mans: Scheiders Achterbahn der Gefühle

Zum vorletzten Rennen der Saison 2008 traf man sich am ersten Oktober-Wochenende im französischen Le Mans. Audi-Pilot Timo Scheider kam mit einem Vorsprung von noch sieben Punkten auf seinen Verfolger Paul Di Resta nach Frankreich. Damit hatte er den Matchball und konnte in diesem Rennen seinen ersten Titelgewinn vorzeitig fix machen. Doch die Renngötter hatten sich vorgenommen, den Endspurt noch ein bisschen spannender zu gestalten.

Paul di Resta

Paul Di Resta konnte in Le Mans seinen Rückstand fast ganz aufholen Zoom

Schon im Qualifying von Le Mans richteten sich alle Augen sich auf die beiden Meisterschaftskandidaten Scheider Di Resta. Tom Kristensen. Startplatz zwei ging an Jamie Green (Mercedes), Platz drei sicherte sich der Schwede Mattias Ekström (Audi). Damit waren die vorne, die mit dem Ausgang der Meisterschaft nicht mehr viel zu tun hatten. Den ersten Schlagabtausch zwischen den beiden Meisterschaftskandidaten konnte Di Resta für sich entscheiden: Der Schotte platzierte sich auf Startposition vier, während Scheider eine Reihe hinter ihm auf Platz fünf stand.

Im Rennen selbst erlebten alle Beteiligten eine emotionale Achterbahn. Nach dem Start sah es nach einem sicheren Sieg und damit auch nach dem Titelgewinn für Scheider aus. Ekström ging mit Scheider im Schlepptau an Polesitter Kristensen vorbei. Ekström überließ dann auch noch Scheider die Führung und schaffte damit die optimale Ausgangssituation für Audi und Scheider. Di Resta dagegen fiel zurück. Mercedes hatte sich verspekuliert: Der Schotte war auf falschen Reifen (Regen) unterwegs, hatte keine Chance gegen den Rest des Feldes und wurde immer weiter duchgereicht.


Fotos: Rennwochenende in Le Mans


Doch während Scheider dem eigentlich sicheren Titelgewinn entgegenfuhr, wendete sich das Blatt wieder. Das Wetter wechselte beinahe minütlich, ein Reifenpoker allererster Klasse war angesagt. Als der Regen stärker wurde, fuhr Di Resta in Runde 28 die Box an und holte sich im Gegensatz zu seinen Konkurrenten Regenreifen ab. Durch den Stopp fiel er auf Rang zehn zurück. Aber alle anderen Spitzenpiloten waren noch auf Slicks unterwegs - auch Scheider, der bei seinem zweiten Stopp erneut Trockenreifen bekam. Das sollte sich als verhängnisvoll herausstellen. Der Deutsche schien das schon zu ahnen, denn er fragte vor seinem zweiten Stopp beim Team per Funk nach, ob es sich in der Taktik sicher sei.

Timo Scheider

Timo Scheider ärgerte sich über die verpatzte Taktik in Le Mans Zoom

Und Di Resta sollte am Ende der sein, der die richtige Entscheidung getroffen hatte - es begann wieder sintflutartig zu regnen. So kamen auch eine Runde nach dem Schotten Ekström, Scheider und Schneider in die Box, um sich Regenreifen abzuholen - es war Scheiders dritter Stopp, durch den er hinter Di Resta zurückfiel. Der Traum vom vorzeitigen Titelgewinn war geplatzt. Di Resta wurde trotz vier Boxenstopps Zweiter hinter Sieger Mattias Ekström, Scheider überquerte die Ziellinie nur als Sechster - sein Vorsprung in der Gesamtwertung war auf zwei Punkte zusammengeschmolzen.

"Wir haben beim zweiten Boxenstopp einfach ein, zwei Runden zu früh auf Slicks gewechselt", ärgerte sich Scheider. "Das hat bedeutet, auch einen dritten Stopp machen zu müssen. Das war in dem Moment einfach die falsche Entscheidung und das ist extrem ärgerlich. Wenn wir uns etwas geschickter angestellt hätten, hätten wir heute die Meisterschaft einfahren können". Doch er gab sich kämpferisch für das Finale: "Jetzt erst recht! Das ist die Überschrift."

"Es ist unglaublich, dass ich nach vier Boxenstopps Zweiter geworden bin!" Paul Di Resta

Ebenso wie Scheider ging auch Di Resta in Le Mans durch ein Wechselbad der Gefühle. Nach dem Start schien für ihn alles verloren, doch im Ziel hatte er plötzlich wieder alle Chancen auf den Titel. Am Start auf Regenreifen zu setzen, sei "klar die falsche Entscheidung" gewesen, sagte der Schotte danach, "aber danach haben sie eine Strategie gewählt, die perfekt war. Unter dem Strich muss man sagen, dass so etwas immer passieren kann. Ich glaube, ich war viermal an den Boxen und wurde noch Zweiter. Dessen muss man sich auch bewusst sein. Es ist unglaublich, dass ich nach vier Boxenstopps Zweiter geworden bin! Ich habe noch nie in einem Rennen so viel Regen und so viel trockene Bedingungen abwechselnd gesehen. Ich habe Timo Punkte weggenommen und habe nun noch Titelchancen, wenn ich nach Hockenheim komme. Das ist ein Erfolg, nun gibt es einen spannenden Kampf um den Titel. Wenn ich gewinne, dann habe ich die Meisterschaft gewonnen. Also heißt es, maximale Attacke, ich gebe mein Bestes!"

Hockenheim: Showdown vor Rekordkulisse

Die spannende Ausgangslage in der Meisterschaft mobilisierte beim Saisonfinale in Hockenheim die Massen. Insgesamt 165.000 Zuschauer kamen zum letzten Rennwochenende des Jahres, um bei der Titelentscheidung hautnah dabei zu sein - das war eine größere Kulisse als beim Formel-1-Grand-Prix. Damit stellte die DTM einen neuen Zuschauerrekord auf. Und die Fans bekamen am 25. und 26. Oktober ein wahres Finale Furioso geboten.

Hockenheim

Das Finale in Hockenheim fand vor einer Rekordkulisse statt Zoom

Nach dem Rennverlauf in Le Mans waren in Hockenheim starke Nerven gefragt. Das machte sich schon im Qualifying bemerkbar. Timo Scheider hatte gleich mehrfach Pech: Als er in seinem ersten Outing war, wurde Q1 abgebrochen - damit war schon einmal ein Satz Reifen nutzlos verbraucht. Rivale Di Resta hatte noch abgewartet. Als es weiter ging, flog Scheider fünf Meter weit über die Randsteine in der ersten Kurve und beschädigte sein Auto. Zwar konnte er sich am Ende noch auf Startplatz drei kämpfen, doch Di Resta behielt die Oberhand: Er stand als Zweiter hinter Polesetter Mattias Ekström und vor Scheider. Diese Position hätte der Schotte nur halten müssen, dann wäre er Meister geworden.

Bei Audi stand derweil noch eine Nachtschicht an. Bei Scheiders Flugeinlage wurde die Motorabdeckung, die den Motor nach unten hin schützt, beschädigt. Um kein Risiko einzugehen, entschied sich Auto für einen Motorwechsel an Scheiders Auto. Das ist in der Saison ein Mal erlaubt und hatte deshalb keine Auswirkungen auf Scheiders Startplatz. Aber auch die Nachtruhe der Mechaniker: Bis in den frühen Morgen wurde bei Audi geschraubt, da fast das gesamte Auto zerlegt werden musste.


Fotos: DTM-Finale in Hockenheim


Am Rennsonntag um 14:03 Uhr herrschte knisternde Spannung über dem Motodrom. Und als die Startampeln ausgingen, fiel die Entscheidung in der Meisterschaft. Scheider schoss von Platz drei aus an die Spitze. Dahinter versuchte Di Resta, an Ekström vorbeizukommen, das gelang ihm aber zunächst nicht. In der Spitzkehre beharkten sich Ekström und Di Resta weiter, so konnte Jamie Green vorbeischlüpfen auf den zweiten Rang. Im Motodrom schaffte es Di Resta schließlich, sich am Schweden vorbeizusetzen. Eine Runde später schnappte hatte Di Resta auch kein Problem, an seinem Teamkollegen Green vorbeizukommen und war Zweiter.

Vom Start weg fuhr Scheider vorne weg, dahinter versuchte Di Resta, an ihn heranzukommen. Doch das gelang ihm trotz der schnellsten Rennrunde nicht, auch nicht über die Boxenstrategie. Im letzten Renndrittel war Di Resta auch noch kurzzeitig hinter Audi-Mann Martin Tomczyk, der von seinem zweiten Stopp kam. Zuerst habe ihn Ekström zweimal abgedrängt, dann habe Tomczyk ihn aufgehalten, klagte der Schotte. Tomczyk sah jedoch bald blaue Flaggen und ließ Di Resta passieren. In den letzten Runden versuchte er noch, an Scheider heranzukommen, doch am Ende fehlten 2,7 Sekunden.

Timo Scheider

Um 15:03 Uhr kam Timo Scheider als neuer Champion ins Ziel Zoom

Um 15:03 Uhr fuhr Scheider als Rennsieger und neuer DTM-Champion durch das Feuerwerk auf der Start-Ziel-Geraden. "Ihr seid die Geilsten!!!", schrie er seinem Team per Funk entgegen. Später brauchte der Audi-Pilot lange, bis er überhaupt realisierte, was ihm gelungen war. "Ich muss mich eigentlich erst einmal allein in eine Ecke stellen, damit ich anfangen kann, es zu glauben. Die letzte Runde war sehr emotional. Ich habe mit den Tränen gekämpft und habe natürlich während der letzten fünf, sechs Runden tief ins Auto gehört. In der letzten Runde hatte ich ein Gefühl, das man jetzt gar nicht beschreiben kann. Wenn ich da jetzt dran denke, bekomme ich wieder Gänsehaut. Es ist nicht wirklich zu beschreiben, was man jetzt fühlt, denn für diesen Moment haben wir alle so hart gearbeitet. Meine Jungs, die heute Nacht eine Nachtschicht hatten. Audi hat einen großen Anteil an all dem, Abt und meine Jungs. Dafür muss ich einfach Danke sagen."

"Ich muss mich eigentlich erst einmal allein in eine Ecke stellen, damit ich anfangen kann, es zu glauben." Timo Scheider

Ein schwacher Trost für Mercedes: HWA konnte die Teamwertung für sich entscheiden. "Zuallererst müssen wir Timo gratulieren. Er hatte eine großartige Saison. Wir haben hart gekämpft und haben uns stark zurückgemeldet, aber es hat nicht ganz gereicht. Timo war heute schnell, er hat einen guten Job gemacht", erklärte der geschlagene Rivale Di Resta, bevor er seinem Ärger über Scheiders Teamkollegen Luft machte. Ob er im nächsten Jahr einen neuen Angriff startet, in der GP2 oder gar in der Formel 1 fährt, ist noch ungewiss: "Ich weiß noch nicht genau, wie meine Zukunft aussieht. Es gibt viele Möglichkeiten. Ich habe nicht darüber geredet, weil ich mich voll auf diesen Tag konzentriert habe. Bis zum Zieleinlauf um 15 Uhr. Ich habe mein Bestes gegeben, am Ende hat es nicht ganz gereicht. Timo ist Meister und er hat es verdient."

Abschied von "Mister DTM

Das Saisonfinale in Hockenheim war nicht nur wegen des spannenden Titelkampfs besonders emotional. Es war auch die Abschiedsvorstellung des Rekordchampions: Bernd Schneider bestritt sein letztes DTM-Rennen, gefeiert von 165.000 Fans und natürlich allen seinen Fahrerkollegen. Von denen bekam er für den "Ruhestand" ein Golfcart geschenkt.

Mercedes hatte sich für den Abschied auch anderweitig gerüstet: In der Startaufstellung hatten alle Teammitglieder, vom Piloten bis zum Mechaniker, Fahnen mit der Aufschrift "Bye, bye Bernd" dabei. Nur Schneider hatte eine eigene Fahne: "Bye, bye Fans" stand darauf. Zudem zierte der Schriftzug "BSC DTM 1991 - 2008" alle Heckflügel der C-Klassen. Auf der Mercedes-Tribüne grüßten die Fans mit einem großen "Danke Bernd". Nach dem Rennen feierte ein emotionaler Bernd-Schneider-Film Premiere.

Bernd Schneider

Bye, bye Fans: Bernd Schneider gab in Hockenheim seine Abschiedsvorstellung Zoom

"Mein Rennen heute war nicht optimal, aber es hat mir vor allem während der letzten Runden viel Spaß gemacht. Es war schön zu sehen, wie die Fans auf der Mercedes-Benz Tribüne mich verabschiedet haben", sagte Schneider, der Sechster wurde. In diesen letzten Runden dürfte seine einzigartige Karriere noch einmal wie ein Film vor seinem geistigen Auge abgelaufen sein. "Ich sage danke an alle, vor allem an mein Team - sie waren und bleiben gute Freunde und sind wie eine Familie für mich."

Am 26. April 2009 beginnt in Hockenheim also eine neue Ära - DTM ohne Bernd Schneider. Es wird für viele etwas ungewohnt sein, wenn der Altmeister nicht mehr dabei ist. Doch die Räder drehen sich weiter. Scheider wird die Mission Titelverteidigung starten, doch ihn erwartet harte Konkurrenz im eigenen Lager und bei Mercedes. Und wer weiß, welche neuen spannenden und dramatischen Geschichten die Saison 2009 schreiben wird.

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