• 28.04.2010 08:22

  • von Britta Weddige

Abt: "Sind schon ein bisschen vor den Kopf gestoßen"

Vor einem Jahr holte Audi zum Auftakt den Vierfachsieg, jetzt gab es "die goldene Ananas" - Teamchef Hans-Jürgen Abt analysiert die Ereignisse in Hockenheim

(Motorsport-Total.com) - Blendend war die Stimmung bei Audi nach dem Auftaktrennen in Hockenheim nicht gerade. Kein Wunder: Gelangen den Ingolstädtern im Hardtwald in den vergangenen drei Jahren der Auftakterfolg - 2009 sogar ein Vierfachsieg - gab es für sie diesmal nichts zu holen. Gary Paffett führte Mercedes zum Vierfachtriumph, während Jahreswagenfahrer Mike Rockenfeller als Fünfter bester Audi-Pilot wurde.

Titel-Bild zur News: Hans-Jürgen Abt (Abt-Teamchef)

Hans-Jürgen Abt kennt die Ursachen für die Reifenschäden noch nicht

Dabei wäre ein vierter Auftaktsieg für Audi aber durchaus in Reichweite gewesen. Martin Tomczyk war das ganze Wochenende über schnell und setzte sich im Rennen schnell an die Spitze - bis ihn in Runde elf ein Reifenplatzer ans Ende des Feldes zurückwarf. Nach einem zweiten Reifenschaden gab der Rosenheimer vorzeitig auf. Auch Alexandre Prémat stürmte nach vorn, hatte aber ebenfalls einen Reifenschaden. Und Mattias Ekström, der als zwischenzeitlicher Zweiter auch Siegchancen hatte, wurde durch seinen zu frühen Boxenstopp zurückgeworfen.#w1#

Nun wird bei Audi intensiv analysiert, wie es zu den Reifenschäden kommen konnte. "Wir wissen es nicht", räumt Tomczyks Abt-Teamchef Hans-Jürgen Abt gegenüber 'Motorsport-Total.com' ein. "Wenn wir wüssten, warum es diese Schäden gibt, dann hätten wir es mit Sicherheit von vornherein abgestellt. Wir wurden von dieser ganzen Thematik ein bisschen überrumpelt."

Für Audi sind Reifenschäden nichts Neues, doch laut Abt habe man in Hockenheim "mit dem Thema das ganze Wochenende über keine Probleme" gehabt: "Wir haben auch zum Rennen im Prinzip nichts verändert. Sicherlich kann es auch ein mechanischer Schaden sein, es kann Überhitzung sein, das muss man alles in Ruhe analysieren. Das ist auch sehr wichtig für uns. Es ist ein neuer Reifen und wir haben auch bei den Tests gut mit dem Reifen gearbeitet und versucht, es ordentlich abzuarbeiten. Vielleicht hat sich durch die Temperaturen was geändert, oder die Empfindlichkeit. Aber das muss man erst mal analysieren, bevor man da eine Aussage treffen kann."

Fehler im Eifer des Gefechts

Martin Tomczyk

Bei Martin Tomczyk hatte Abt keine Reifenprobleme erwartet Zoom

Momentan sind die "Äbte" aufgrund der Reifenschäden aber "schon ein bisschen vor den Kopf gestoßen", räumt der Teamchef ein. "Gerade Martin hat ja nun über viele Jahre bewiesen, dass er sehr smart mit den Reifen umgeht und dass er wirklich Reifen schonend fährt. Und ihn hat es wirklich voll erwischt. Das ist für uns eine große Enttäuschung." Jetzt gelte es, das Problem in den Griff zu bekommen.

Klarer ist da die Ursache für Ekströms zu frühen Boxenstopp. "Wir haben das Thema besprochen und ich sage jetzt mal, dass dieser Fehler im Eifer des Gefechts passiert ist. Es ist ein Fehler, ganz klar, da muss man dazu stehen", so Abt. Er betont jedoch: "Wir hatten aber in der Phase auch gerade das Thema Tomczyk, man war einfach verunsichert und hat natürlich dann Mattias auf die Schnelle hereingerufen. Da war ein Funkspruch, es war alles große Hektik. Aber es ist natürlich nicht zu entschuldigen, das darf nicht passieren."

"Ich bin jedoch auch der Meinung: Man steht zusammen." Hans-Jürgen Abt

"Aber der Unglücklichste ist der Ingenieur, der jetzt meint, er hat den größten Fehler seines Lebens gemacht", betont Abt. "Ich bin jedoch auch der Meinung: Man steht zusammen. Natürlich darf man solche Fehler nicht mehr machen, aber ich glaube, die macht er auch von Haus aus nicht mehr." Und abgesehen davon habe die Crew einmal mehr "einen tollen Job gemacht, super Boxenstopps und es hat alles gut geklappt."

Auch Ekström sei "stark gefahren", lobt der Teamchef. "Es war für ihn vielleicht auch ein Riesenvorteil, immer mit drei relativ frischen Sets zu fahren. Er konnte den Speed gehen. 19 Sekunden Verlust in der Boxengasse hat er eigentlich auf der Strecke wieder reingefahren."

Glück im Unglück

Mattias Ekström

Mattias Ekström gereichten die drei Boxenstopps vielleicht sogar zum Vorteil Zoom

Und Abt sagt ganz offen, dass es vielleicht gar nicht so schlecht war, dass Ekström einen dritten Stopp absolviert hat: "Denn die Reifen, die wir vom Fahrzeug runtergeholt haben, haben optisch auch nicht den Eindruck gemacht, als ob sie noch lange haltbar gewesen wären. Also war die Dreistoppstrategie vielleicht sogar das Quäntchen Glück." Denn so kam Ekström als Sechster ins Ziel und holte immerhin drei Punkte - und wäre vielleicht sonst wegen eines Reifenschadens ganz ausgeschieden.

Angesichts der Probleme ist Abt froh, dass mit Ekström und Timo Scheider zwei seiner Neuwagenpiloten noch gepunktet haben. Um Tomczyk tut es ihm aber "wahnsinnig leid": "Denn er hat das ganze Wochenende über keinen Fehler gemacht und war immer voll dabei. Dass er dann so abgestraft wurde, ist für ihn schon ernüchternd. Er ist jetzt in seinem zehnten DTM-Jahr, aber ich glaube, das war einer seiner bitteren Tage. Ich hoffe natürlich, dass er sich davon nicht unterkriegen lässt und dass er so motiviert weitermacht, wie er es kann. Und er kann es - und wir werden alles für ihn tun, damit er in Zukunft wieder ganz vorn steht."

"Magic Molina" ist die positive Überraschung

Beim Abt-Team gab es in Hockenheim aber auch eine erfreuliche Überraschung: Neuzugang Miguel Molina, der in einem Jahreswagen der Kemptener fährt, holte in seinem allerersten DTM-Rennen als Achter gleich seinen ersten Punkt. Der Spitzname des Spaniers "Magic Molina" komme nicht von ungefährt, so Abt: "Wir halten große Stücke von ihm."


Fotos: DTM-Auftakt Hockenheim, Sonntag


Dabei hatte das Wochenende für Molina mit einem Unfall im Training am Freitag auch schwierig begonnen. "Aber er hat gezeigt, dass er ein ganz toller Rennfahrer ist", lobt der Teamchef. "Ich habe ihm auch den Tipp gegeben, dass er sich wirklich aus allem raushalten soll, sein Rennen fahren, wie er kann. Aber dass er dann einen so guten Speed hatte! Und er hätte Timo Scheider auch noch angreifen können. Er hat es nicht getan, weil das Risiko dann doch zu groß war. Aber vom Speed her: große Klasse und großen Respekt."

In den Wochen bis zum nächsten Rennen in Valencia wird bei Abt nun analysiert, wo die Probleme liegen. "Wir werden uns da mit unserem Reifenpartner einschließen und versuchen, die richtige Lösung zu finden. Damit wir sagen können: Wir sind schnell und zuverlässig. Was wir auch in der Vergangenheit waren", erklärt Abt. "So ist das im Motorsport: im vergangenen Jahr hatten wir einen Vierfachsieg, jetzt haben wir die 'goldene Ananas' geholt. So hart kann der Sport sein."