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  • 22.08.2017 15:07

  • von Julia Spacek

Kolumne: Lasst sie einfach fahren!

Die umstrittenen Performance-Gewichte der DTM bleiben das Gesprächsthema bei der DTM 2017 in Zandvoort: Schafft sie endlich ab!

Titel-Bild zur News: Bruno Spengler

Warum können die Performance-Gewicht nicht wieder abgeschafft werden? Zoom

Liebe DTM-Freunde,

was war das für eine DTM-Veranstaltung in Zandvoort. Wieder einmal gab es ein beherrschendes Thema, das sich das gesamte Wochenende hindurch zog: Performance-Gewichte.

Als am vergangenen Mittwoch, also am Vorabend des Treffens der DTM-Kommission in München, bekannt wurde, dass sich alle drei Hersteller einig seien, die Performance-Gewichte abzuschaffen, herrschte eine Art Erleichterung bei allen DTM-Beteiligten. Man stellte sich für Freitagmorgen darauf ein, endlich eine positive Nachricht über die umstrittenen Gewichte vermelden zu dürfen.

Konstruktives Treffen, aber keine Einigung

Denkste. Man habe ein angeblich konstruktives Treffen abgehalten, heißt es seitens der Hersteller. Doch einigen konnte man sich immer noch nicht. Diese Information hat alle im Fahrerlager in Zandvoort wie ein Schlag getroffen - denn damit hatte man, besonders nach der Aussage von BMW am Mittwoch, die bisher gegen die Abschaffung der Gewichte waren, nicht gerechnet.

Da es sich um eine Regeländerung während der laufenden Saison handelt muss nach Informationen von 'Motosport-Total.com' eine einstimmige Einigung erzielt werden. Eine einfache Mehrheit bei der Abstimmung ist dabei nicht ausreichend, um die Neuerung einzuführen. Und da eine Regeländerung bei den Herstellern meistens durch den Vorstand abgesegnet werden muss, scheint es nicht so einfach zu sein, dass der jeweilige Motorsportchef darüber entscheidet. Nein, er muss die Erlaubnis seines Entwicklungs-Vorstands einholen. Aber wissen die Vorstände, was in der DTM überhaupt vor sich geht und welche Diskussionen es im Moment gibt?

Dass BMW trotz des Dreifacherfolgs am Samstag nach dem Rennen sogar noch Gewichte ausladen durfte, ist vor allem für DTM-Fans einfach unverständlich. Audi, deren bester Pilot mit Mike Rockenfeller am Samstag Vierter wurde, musste hingegen Gewicht einladen. Wie soll man das noch erklären? Im Pressezentrum in Zandvoort herrschte allgemeines Kopfschütteln und Ratlosigkeit.

Es ist höchste Eisenbahn...

"Würde man die Gewichte wegbekommen, die den Sieger am Samstag ja sogar noch belohnt haben, indem fünf Kilo bei BMW rauskommen, was natürlich auch noch geholfen hat bei dem Sieg heute, 15 Kilo leichter als die Konkurrenz zu sein. Das sind drei Zehntel pro Runde, die man geschenkt bekommt", sagt Motorsportexperte Norbert Haug nach dem Rennen am Sonntag in der 'ARD'.

"Ein BMW-Sieg wäre viel mehr wert, wenn er mit gleichem Gewicht erkämpft wird. Ich hoffe, dass die Zeit genutzt wird, um endlich, endlich, endlich einen Punkt zu machen und zu sagen: 'Wir machen einen Gewichtsgleichstand.' Es ist höchste Eisenbahn, das zu entscheiden", so Haug weiter.


Fotos: DTM in Zandvoort


Nach dem Rennen am Sonntag dann der Hammer, als die Gewichtsverteilung für die Veranstaltung am Nürburgring bekannt wurde. Audi muss weiter Gewicht zuladen und wird sage und schreibe 25 Kilo schwerer sein als BMW (1.107,5), die erneut fünf Kilo ausladen dürfen. Auch Mercedes darf endlich ausladen und wird mit einem Gesamtgewicht von 1.122,5 Kilo zwar immer noch viel schwerer als BMW sein, aber immerhin zehn Kilo leichter als Audi.

Sieger nicht gleich Schnellster

"Ich werde schon mal anfangen, mit einem 25-Kilo-Rucksack zu trainieren", zeigt der Audi-Pilot Mattias Ekström einen gewissen Galgenhumor. Die 18 DTM-Fahrer und der Vorstandsvorsitzende der DTM-Dachorganisation ITR Gerhard Berger fordern schon seit Langem die komplette Abschaffung der Gewichtsregel.

Mattias Ekström

Mattias Ekström muss am Nürburgring ein 25-Kilo-Päckchen schleppen Zoom

Was die Herren, die die Performance-Gewichte eingeführt haben, wohl nicht bedacht haben: Derjenige, der ein Rennen gewinnt, muss nicht zwangsläufig derjenige sein, der im Rennen am schnellsten fährt. Bestes Beispiel Zandvoort. Die schnellste Rundenzeit von Samstagssieger Timo Glock war eine 1:30.726. Audi-Pilot Rene Rast war mit einer Zeit von 1:30.160 schon deutlich schneller. 33 Runden lang fuhr Rast, der im Rennen Neunter wurde, mehr als eine Sekunde schneller als der Sieger.

Dass BMW, die sowieso schon das mit Abstand leichteste Auto im Feld haben, am Sonntag auch noch disqualifiziert wird, weil das Sieger-Auto von Marco Wittmann nach Informationen von 'Motorsport-Total.com' nicht einmal mehr 500 Gramm Restbenzin im Tank hatte (per Reglement ist ein Kilogramm Restbenzin vorgeschrieben) - und dadurch noch leichter war - setzt dem ganzen Gewichts-Wirr-Warr die Krone auf. Kein Wunder, dass viele Fans sich von der DTM abwenden, weil sie die ewigen politischen Diskussionen einfach satthaben.

Regeln sorgen für Verwirrung bei DTM-Fans

38.000 Zuschauer waren am Wochenende in Zandvoort vor Ort. Und alle gingen nach Hause in dem Glauben, dass Wittmann das Rennen gewonnen hat. Ein gutes Beispiel lieferte mein Kollege Roman Wittemeier, der in Zandvoort selbst hinters Lenkrad gegriffen hat und als Gaststarter beim Audi-TT-Cup unterwegs war. Als er am Sonntagabend sein Rennwochenende bei einem Fischbrötchen am Strand ausklingen ließ, hörte er, wie einige DTM-Fans, die von Deutschland an die niederländische Nordseeküste gereist sind, von der Wittmann-Disqualifikation erfahren haben.

"Wittmann wurde der Sieg aberkannt", vermeldete einer der Tischnachbarn. "Warum, der ist doch als Erster über die Ziellinie gefahren?", lautete die verwunderte Antwort eines weiteren Fans. Und genau so denken die Anhänger vieler Motorsportserien: Der, der als Erster ins Ziel kommt, hat das Rennen gewonnen. Und genau das wollen sie auch sehen. Und nicht abends von einem tollen Rennwochenende nach Hause kommen und im Internet lesen müssen, dass der Fahrer, dem sie an der Strecke als vermeintlichem Sieger zugejubelt haben, nachträglich aus der Wertung genommen wurde. Warum kann es nicht so einfach sein?


Fotostrecke: DTM-Wochenende aus der Sicht eines Fahrers

Ein Szenario, das in der amerikanischen Nascar-Serie undenkbar ist. In der weltweit populären Tourenwagen-Serie gilt das Motto: "Win on Sunday, sell on Monday!" - "Gewinne am Sonntag, verkaufe am Montag!". Die Plattform wird, ähnlich wie die DTM, von den Herstellern als Marketing-Plattform genutzt, um den Verkauf von Serienfahrzeugen zu steigen. Dass nach dem Rennen Strafen ausgesprochen und Fahrer disqualifiziert werden, wodurch das komplette Ergebnis auf den Kopf gestellt wird, gibt es dort nicht. Die Teams und Hersteller werden bei einem Vergehen zu hohen Geldstrafen verdonnert. Doch am Rennergebnis wird nicht mehr gerüttelt. Warum kann das in der DTM nicht auch so sein?

Mehr Racing, weniger Politik!

Die leidigen Diskussionen um politische Themen sind für Außenstehende schwer zu verstehen. Und ganz ehrlich: auf für Insider wird es immer schwieriger, da durchzublicken. Ganz zu schweigen davon, die Geschehnisse hinter den Kulissen und abseits der Rennstrecke den Lesern und Fans einigermaßen verständlich zu erklären.

Loic Duval

Loic Duval jubelt über sein erstes DTM-Podium, aber alle reden über Gewichte Zoom

Bei all der Diskussion um die leidigen Gewichte rückt das Sportliche wieder einmal in den Hintergrund. Leider. So wird die hervorragende Leistung und das erste DTM-Podium von DTM-Rookie Loic Duval in Zandvoort kaum wahrgenommen. Schade, denn der Le-Mans-, Super-GT- und Formel-Nippon-Champion lieferte ein blitzsauberes DTM-Wochenende ab und bei ihm scheint nach anfänglichen Schwierigkeiten in seiner Debütsaison in der DTM endlich der Knoten geplatzt zu sein. Entsprechend groß war die Freude und Erleichterung bei ihm und seiner Mannschaft von Phoenix-Audi, die nach der Disqualifikation von Wittmann sogar über einen Doppelsieg jubeln durften.

Und eben diese Emotionen sollen und müssen in der DTM im Mittelpunkt stehen. Und nicht die Politik, die am Ende vielleicht sogar über die Meisterschaft entscheidet. Deshalb meine Bitte - und damit bin ich bestimmt nicht die Einzige: Weg mit den Gewichten! Am besten schon morgen! Keiner will sie haben und keiner versteht das komplizierte System, das dahintersteckt. Sorgt wieder für mehr Action auf der Strecke und lasst die Fahrer einfach fahren!

Möge der Beste und Schnellste gewinnen. Und nicht der, der sich durch politische Diskussionen und Machtgerangel die größten Vorteile verschafft.

Leidenschaft, Emotionen und echte Helden: Das wollen die Fans sehen - und ehrlich gesagt auch ich.

Sportliche Grüße,
Julia Spacek