• 21.04.2010 19:24

  • von Britta Weddige

Coulthard: Vom Routinier zum Anfänger

David Coulthard wird noch einmal zum Lehrling: Der Ehrgeiz treibt ihn an, in Hockenheim will er erst einmal "das Auto auf der Strecke halten"

(Motorsport-Total.com) - 2010 ist das Jahr der Comebacks: Michael Schumacher versucht bei Mercedes noch einmal in der Formel 1 und ein alter Weggefährte kehrt ebenfalls für den Stern zurück auf die Rennstrecke. David Coulthard steht kurz vor seinem ersten DTM-Rennen am Wochenende in Hockenheim. Doch der Schotte betont, dass man diese beiden Comebacks nicht miteinander vergleichen kann: "Denn Michael ist in eine Serie zurückgekehrt, die er sehr gut kennt. Ich fange in einer für mich ganz neuen Serie an."

Titel-Bild zur News: David Coulthard

Routinier David Coulthard wird im DTM-Cockpit wieder zum Lehrling

"Ich starte eine neue Karriere mit einem Dach über meinem Kopf und ich hoffe, dass ich mich so schnell wie möglich an die DTM gewöhnen kann", so Coulthard. "Aber wer weiß? Ich weiß nicht, was passieren wird. Und das macht es ja so aufregend." Dass es für ihn nicht leicht wird, weiß er auch. Das zeigt schon allein die Häufigkeit, mit der er in diesen Tagen das Wort "Herausforderung" in den Mund nimmt.#w1#

Coulthard hat für seine Anfänge in der DTM nur ein spezielles Ziel: "Zu lernen - und dabei zu lächeln. Denn es ist sehr wichtig, dass einem das Fahren Spaß macht. Und das ist bei Mercedes dank des guten Verhältnisses, das wir zueinander haben, möglich. Wenn ich einen guten Job mache, dann weiß ich das, Norbert weiß das und die ganze Mercedes-Familie weiß es. Und genauso ist es, wenn ich einen schlechten Job mache. Wir werden sehr ehrlich zueinander sein. Wir müssen nichts voreinander verstecken und arbeiten zusammen als Team und versuchen, den besten Job zu machen."

Wenn alles gut läuft und er viel lernt, dann sei gut möglich, dass er in Zukunft auch vorn mitfahren kann, erklärt Coulthard weiter. "Aber ich glaube, dass ich am Anfang hinten fahren werde. Und von da versuche ich, meinen Weg nach vorn zu machen", fügt er an. Aber auch, wenn er zunächst noch nicht nach Topergebnissen schielt, bezeichnet sich der Schotte durchaus aus ehrgeizig.

"Ich glaube, dass ich am Anfang hinten fahren werde." David Coulthard

"Natürlich, wenn ich nicht ehrgeizig wäre, würde ich diese Herausforderung nie annehmen und in dieser für mich völlig neuen Serie fahren", betont er. "Ich habe meine Karriere im Motorsport gemacht und ich könnte ganz aufhören. Die Statistiken würden trotzdem zeigen, dass ich in der Formel 1 500 Punkte geholt, 13 Grand Prix gewonnen habe und dass wir als McLaren-Mercedes zusammen das erste Rennen in der neuen Ära der Silberpfeile gewonnen haben. Alles das ist Tatsache. Wenn ich nicht ehrgeizig wäre, dann würde ich es dabei belassen. Aber mein Ehrgeiz ist, in einer neuen Serie zu fahren, mit neuen Herausforderungen und dabei zu lernen."

¿pbvin|1|2648||0|1pb¿Und lernen will er von "jedem, der in der DTM Erfahrung hat" - von seinem Teamkollegen Maro Engel und allen anderen. "Ich gehe nicht mir der Einstellung rein, dass ich in der Formel 1 gefahren bin und dass ich mit niemandem reden und von niemandem lernen muss. Denn das wäre lächerlich", erklärt er.

Dabei ist dem Schotten durchaus bewusst, dass die Öffentlichkeit auch von ihm bald Topergebnisse erwartet - obwohl sich gezeigt hat, dass der Umstieg für einen Formel-1-Fahrer gar nicht so einfach ist. "In der modernen Welt erwartet jeder, dass alles sofort passiert", philosophiert Coulthard. "Wir schicken eine Email und erwarten sofort eine Antwort. Vor 50 Jahren hat man einen Brief geschrieben und hat dann eine oder zwei Wochen auf die Antwort gewartet. Wir leben jetzt in einer anderen Welt. Natürlich will jeder sofort Ergebnisse sehen."

Man könne die DTM aber mit der Formel 1 nicht vergleichen: "Wenn man jemand hat, der gut im Tennis ist, kann man nicht erwarten, dass er alle Squashspiele gewinnt. Man würde natürlich denken, dass er gut ist, denn er hat auch einen Schläger und einen Ball. Aber es ist eine andere Herausforderung", erläuert er. "Ich bin zwar weiter im gleichen Handwerk tätig, aber habe jetzt ein anderes Werkzeug, um das finale Ziel zu erreichen."

"In der modernen Welt erwartet jeder, dass alles sofort passiert." David Coulthard

Deshalb nimmt er es, wie es kommt: "Ich werde nach zehn Rennen in dieser Saison wissen, ob ich mich eingewöhnt habe oder nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich bin bereit, mich dieser Herausforderung zu stellen. Und ich kann eines sagen: Egal was passiert, ich werde Spaß haben. Ich habe das große Privileg, vor begeisterten Fans Autorennen zu fahren, und das bei einer Familie wie Mercedes."

Tipps für den Einstieg hat sich Coulthard von allen Seiten geholt. "Ich habe mit allen geredet, den alten Formel-1-Fahrern, die in der DTM waren, den aktuellen DTM-Fahrern, Gary, Paul, Mattias Ekström von Audi, Tom Kristensen - mit ihnen allen", berichtet er lachend. "Das sind Jungs, die ich respektiere. Es sind Racer, die sehr erfolgreich sind."


Fotos: DTM-Test in Valencia


Und von allen hat er gehört, "dass es in der DTM eine große Herausforderung ist, ans Limit zu gehen. Da ist die Aerdynamik, die für einen Tourenwagen ungewöhnlich ist und näher an dem dran, was ich bisher gewöhnt bin. Aber die große Herausforderung ist, die Reifen zu nutzen. Offen gesagt, war das Qualifying in meiner Formelkarriere nie meine Stärke, aber meine Rennen waren immer recht stark. Von daher ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für mich, im Qualifying das Maximum aus den Reifen herauszuholen."

Die Umstellung des Fahrstils ist ebenfalls nicht einfach. Die einzige Gemeinsamkeit mit der Formel 1 sei, dass man auf einer Rennstrecke fährt, betont der Schotte: "Man hat in einem DTM-Auto ein ganz anderes Gefühl. Das Leistungs-Gewichts-Verhältnis ist ganz anders, ich muss wieder mit der Hand schalten, was ich 17 Jahre nicht mehr gemacht habe, ich hatte immer halbautomatisches Getriebe. Es gibt viele Dinge, an die man sich gewöhnen muss."

"Glücklicherweise fahren da zwei Damen mit, denn ich habe schon immer lieber Frauen als Männer berührt..." David Coulthard

Ungewohnt werden für "DC" auch die Rad-an-Rad-Kämpfe und das Kontakfahren sein. "Glücklicherweise fahren da zwei Damen mit, denn ich habe schon immer lieber Frauen als Männer berührt...", witzelt er zu diesem Thema. "Spaß beiseite: Das muss man abwarten. Vielleicht fühle ich mich damit wirklich unwohl und habe große Schwierigkeiten damit, vielleicht gewöhne ich mich aber auch ganz einfach daran."

Zu dem vielen Neuen, mit dem der Schotte konfrontiert ist, gehört auch das Eingewöhnen auf neuen Rennstrecken. Kurse wie Hockenheim und den Nürburgring kennt er nach 15 Jahren Formel 1 wie seine Westentasche. Aber alle anderen DTM-Strecken sind absolutes Neuland für ihn. Hier kann er aber auf seine bewährte Herangehensweise zurückgreifen: "Das macht man wie immer. Man geht mit den Ingenieuren und dem Team die Daten durch. Wenn man die Chance hat, sich Simulationen anzuschauen, macht man das. Und sobald man dort ist, zieht man sich seine Laufschuhe an und läuft um den Kurs."

Die Aufregung ist da

Nun also steht es direkt bevor, Coulthards Debüt in einer Serie, die er selbst als "Königsklasse des Tourenwagensports" bezeichnet. Der Routinier ist plötzlich wieder ein Anfänger. Ist er auch so aufgeregt wie damals vor seinem Formel-1-Debüt?

"Es ist auf alle Fälle aufregend. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich mich so weit zurückerinnern kann, an die Anfänge meiner Formel-1-Karriere, denn ich bin ja der alte Mann", antwortet er lachend. "Ich bin aufgeregt. Als ich in Spanien meinen ersten DTM-Test gefahren bin, habe ich mich nach wenigen Runden wieder zu Hause gefühlt. Nicht, weil ich das Auto kannte, sondern weil ich wieder die Umgebung eines Rennfahrers hatte. Und das kenne ich sehr gut."

"Ich habe keine Ahnung, wie ich in Hockenheim abschneiden werde." David Coulthard

Derzeit würde Coulthard es schon "als großen Erfolg" bezeichnen, wenn er an nah an die Performance seines Teamkollegen Maro Engel herankomme. "Ich weiß, dass er im Mücke-Team sehr hoch angesehen ist - und er ist in der DTM erfahrener als ich", sagt er über den jungen Deutschen.

Doch er reist nach Hockenheim, ohne sich selbst unter Druck zu setzen: "Ich habe keine Ahnung, wie ich in Hockenheim abschneiden werde. Deshalb habe ich auch keine Erwartungen. Aber ich hoffe sehr, dass ich das Auto auf der Strecke halte und dass ich die Zielflagge sehe."