• 19.11.2012 15:52

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Es kann nur Einen geben

Action im Überfluss beim Saisonfinale der WTCC: Redakteur Stefan Ziegler schreibt über den neuen Weltmeister und auch über die beiden Geschlagenen

Liebe WTCC-Fans,

Titel-Bild zur News: Robert Huff

Rob Huff ist der große Gewinner: Der Brite fuhr in Macao zum Weltmeister-Titel 2012 Zoom

ich muss schon sagen: Vor dem Saisonfinale in Macao hatte ich mit allem Möglichen gerechnet, aber sicher nicht damit, dass die WM noch einmal eine so dramatische Wendung nehmen würde. Ich war auch nicht der Einzige, der sich im Pressezentrum des Grand-Prix-Gebäudes von Macao ungläubig die Augen rieb. Einen solchen Showdown hatte niemand erwartet. Und dann dieses Saisonfinale!

Zur Erinnerung: Die Situation in der Fahrerwertung wies Rob Huff als klaren Favoriten für den WM-Titelgewinn aus, während Alain Menu und Yvan Muller nur als Außenseiter nach Macao reisten. Ein Vorsprung von 35 beziehungsweise 41 Punkten bei noch maximal 55 zu vergebenden Zählern. Auf der erklärten Lieblingsstrecke von Huff, wo er seit 2008 in jedem Jahr mindestens einmal siegte.

Und das Ergebnis der Qualifikation unterstrich, was alle glaubten: WM-Spitzenreiter Huff fuhr derart überlegen (Vorsprung: sieben Zehntel!) auf die Pole-Position, dass die Entscheidung bereits gefallen schien. Lediglich 14 Punkte fehlten dem Briten vor den beiden letzten Rennen des Jahres noch zum erstmaligen Gewinn der WM. Ein dritter Platz würde Huff also reichen - egal, was die Anderen tun.

Dass er in der Startphase zum ersten Rennen hinter Muller zurückfiel, war also kein Problem. Huff lag voll auf Kurs. Und dann überraschte er. Mit einem sensationellen Überholmanöver, dem vielleicht besten des Jahres. Volles Risiko auf einer Strecke, die nicht den kleinsten Fehler verzeiht. Da war ein wahrer Könner am Werk! Und meine Kollegen und ich restlos begeistert von dem, was wir sahen.


Fotos: WTCC-Siegerehrung in Macao


Dann schlug der Guia Circuit zurück. Und für Huff begann eine regelrechte Achterbahn-Fahrt der Gefühle: Nach einem selbstverschuldeten Mauerkuss im Stadtsektor war nichts mehr zu machen. Der Chevrolet Cruze hinkte und verlor rasch an Tempo, die Verfolger zogen vorbei. "From Hero to Zero", wie man so schön sagt. Und da klappten die Kinnladen im Pressezentrum ganz weit nach unten.

Die WM ist doch nicht entschieden

Denn erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Was das erste Rennen in Macao bewies: Durch die Plätze eins und zwei reduzierten Muller und Menu den Abstand zu Huff, der punktelos geblieben war, ganz erheblich. Während Huff eine gewaltige Niete gezogen hatte, schien es für Muller und Menu das ganz große Los zu sein. Auf einmal war die WM nämlich wieder vollkommen offen.

Robert Huff

Rob Huff rang erst Yvan Muller nieder, landete dann aber in der Mauer Zoom

Wie sehr, das unterstreicht der Verlauf des zweiten Rennens. Denn als Menu die Führung übernahm, war er für wenige Sekunden - zumindest rechnerisch - Weltmeister. Erst danach machte Huff noch einmal einige Positionen gut und sicherte sich die so wichtigen Punkte, die ihn an der Tabellenspitze hielten. Und ich hatte gedacht, nach dem Finale von 2011 gäbe es sicher keine Steigerung mehr.

Was also ist die Erkenntnis daraus? Vielleicht diese hier: "It ain't over until the fat lady sings." So heißt es in der Sprache des Weltmeisters. Und das bedeutet: Es ist wirklich erst dann vorbei, wenn es ganz vorbei ist. Mit dem Fallen der letzten Zielflagge. Jeglichen Prognosen und Wahrscheinlichkeiten zum Trotz. Ein besseres Drehbuch für das Saisonfinale hätte also wohl kaum geschrieben werden können.

Hätte, wäre, wenn ...

Ich zweifle aber daran, dass es allen Beteiligten gefallen hat. Ich denke da an Menu, der unverhofft so nahe dran war, nun aber doch so weit weg ist vom ganz großen Triumph. Und ich denke auch daran, wie es hätte laufen können, wäre Muller Menu in Schanghai nicht ins Heck gedonnert. Ob es genau diese Punkte sind, die letztlich den Unterschied gemacht haben, weiß aber wohl niemand zu sagen.

Alain Menu, Yvan Muller

Yvan Muller gegen Alain Menu: Hat dieses Manöver die WM entschieden? Zoom

Fest steht nur: Muller hat sich den dritten WM-Titelgewinn in Folge und den vierten Erfolg insgesamt selbst kaputtgemacht. Mit Aktionen wie in Sonoma gegen Franz Engstler oder in Schanghai gegen Menu. Was auch immer den ansonsten so souverän agierenden Franzosen da geritten hat - er weiß es wohl selbst nicht. Gekostet hat es ihn jedenfalls den Titel und auch Sympathien bei den Fans.

Menu hat sich indes nichts vorzuwerfen. Im Endspurt der Saison war er fehlerlos unterwegs. Ein technischer Defekt in Sonoma und der Rempler von Muller kamen ihn teuer zu stehen. Da spielt man doch sicher mit dem Gedanken: hätte, wäre, wenn ... Doch all dies interessiert Menu offenbar nicht. Sagt er. Nach seiner besten Saison in der WTCC, die er fast als Weltmeister beschlossen hätte.

Huff, Menu, Muller - alle sind sie Champions

Mit diesen Blumen darf sich nun also Huff schmücken. Ein bisschen überraschend, wenn man sich zurückerinnert, wie stark Muller die Saison 2012 begonnen hatte. Genau wie Huff im vergangenen Jahr, als er zunächst dominierte, Muller ihn zum Schluss aber doch noch abfing. Dieses Mal lief es umgekehrt. Und das geht auch in Ordnung, denn Huff hat die entscheidenden Punkte eben geholt.

Stefan Ziegler

Es bleibt spannend: Auch für die lange Winterpause habe ich noch Themen Zoom

Das ist, was die drei Titelkandidaten aus dem Chevrolet-Werksteam voneinander unterscheidet. Nichts weiter. Alle drei waren in diesem Jahr absolut topp unterwegs. Jeder von ihnen hatte seine Höhen, jeder hatte seine Tiefen. Und jeder hatte bis zuletzt noch Chancen auf den WM-Triumph. Am Ende kann es aber nur Einen geben, der in Macao den größten Siegerpokal stemmt. Und 2012 ist es Huff.

So bleibt mir an dieser Stelle nur noch zu sagen: Danke, liebe Leser, für Euer Interesse an dieser Saison, mit der ich mich in den kommenden Wochen nochmals detailliert befassen werde. Doch 2013 wirft bereits seine Schatten voraus. Verraten kann ich schon jetzt: Die WTCC wird uns auch im neuen Jahr sehr gut unterhalten. Und wartet mal ab, welche Neuigkeiten ich Euch bald für 2014 auftische!

Beste Grüße & eine schöne Winterpause!

Euer


Stefan Ziegler