• 27.02.2011 11:29

  • von Britta Weddige

Schwarz: "Loeb hatte keinen Biss"

Armin Schwarz über den WRC-Auftakt: Von Fords Erfolgsdruck, Sebastien Loebs mangelndem Biss, Mads Östbergs Heimvorteil und Petter Solbergs Chancen

(Motorsport-Total.com) - Nun ist sie also angebrochen, die neue Ära in der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC). Bei der Rallye Schweden waren die neuen Boliden zum ersten Mal in Aktion zu erleben. Ford startete mit einem Dreifachsieg, Citroen war noch in Problemen, mit Mads Östberg trumpfte ein junger Norweger auf, Petter Solberg und Chris Patterson sorgten für ein kurioses Finale.

Titel-Bild zur News: Sebastien Loeb

Laut Armin Schwarz blieb Sebastien Loeb in Schweden unter seinen Möglichkeiten

Der frühere Rallye-Europameister Armin Schwarz, in dieser Saison unter anderem Experte bei 'Sport 1', analysiert im Interview mit 'Motorsport-Total.com' den Saisonauftakt. Hat sich der Showaspekt durch die neuen Autos verändert? War das Ergebnis schon ein Vorgeschmack auf das künftige Kräfteverhältnis? Hat Östberg das Zeug zum neuen Star? Diese und weitere Fragen stellten wir dem Experten.

Frage: "Armin, die erste WRC-Rallye in der 'neuen Ära' ist absolviert, in Schweden haben wir zum ersten Mal die Fahrzeuge der neuen Generation gesehen. Wie ist dein Eindruck, hat man in Sachen Show einen großen Unterschied zu früher bemerkt?"
Armin Schwarz: "Ich denke eigentlich nicht, dass man einen großen Unterschied bemerkt hat. Es hat sich ja auch Format nicht viel geändert. Es waren nur alle auf das neue Auto gespannt, auf neue Leistungen. Schweden ist aber sowieso immer eine eigene Rallye für sich, weil dort andere Gesetze gelten. Die Autos wirken dort besonders toll, weil es auf dem Schnee recht rutschig und sehr speziell zu fahren ist."

"Ich glaube, es bleibt abzuwarten, wie sich die Show verändert, wenn guter Grip vorhanden ist, wenn wir zu Schotter- und Asphaltrallyes kommen. Dann wird sich zeigen, ob über das Drehmoment gerutscht wird oder die Piloten Antriebsdrifts hinlegen - oder ob das ausbleibt, weil das Drehmoment nicht vorhanden ist. Ansonsten hat sich für mich an der Show selbst nichts geändert."


Fotos: WRC-Auftakt in Schweden


Frage: "Ford hat in Schweden das Tempo vorgegeben. War das nur eine Momentaufnahme oder hat das schon die Richtung angedeutet, in die das Kräfteverhältnis geht?"
Schwarz: "Ich glaube nicht, dass das schon die Richtung angedeutet hat. Es wäre Ford natürlich schon irgendwo zu wünschen, denn der Vertrag von M-Sport und Ford ist im letzten Jahr angekommen. Malcolm Wilson wartet auf einen neuen Vertrag. Man muss also schon unter Beweis stellen, dass es voran geht, denn sonst könnte Ford schneller weg sein, als man denkt."

Citroen wird zurückschlagen

Frage: "Rechnest du damit, dass Citroen in Mexiko, spätestens in Portugal zurückschlägt?"
Schwarz: "Das nehme ich an, ja. Denn Citroen waren ja bisher immer diejenigen, die ein topp vorbereitetes Auto und topp vorbereitete Fahrer hatten und eigentlich noch nie so richtig gepatzt haben. Für mich war aber ein bisschen enttäuschend, dass Sebastien Loeb meines Erachtens nach ein bisschen arg schnell die Luft herausgelassen hat, als er gemerkt hat: 'Hoppla, es geht jetzt hier nicht um das Gewinnen, ich habe eine schlechte Startposition, und okay, dann fahren wir halt das heim, was wir haben'."

Frage: "Stimmt, Loeb sprach von Anfang an schon 'nur' vom Podium, nicht wie gewohnt vom Sieg. Hätte er früher mehr Biss gezeigt?"
Schwarz: "Richtig. So ist es. Das einzig Positive ist, dass mit Sebastien Ogier jetzt einer da ist, der vielleicht intern schon einmal Oberluft schnuppert und sich sagt: 'Aha, wenn der Chef nicht mehr den so großen Bock hat und nur noch vorne mitfährt, wenn er meint, vorne mitfahren zu müssen, dann nutze ich die Gunst der Stunde.'"

"Normalerweise ist Loebs Spezialität, immer in der zweiten Durchfahrt schon wieder da zu sein, auch schon am Freitag. Und da hat mir der Biss bei ihm gefehlt - dafür, dass es ein neues Auto ist und er neue Maßstäbe hätte setzen können. Ich glaube auch, dass er nach wie vor einer ist - dadurch, dass er alles schon gewonnen und erreicht hat - der sich fragt, was er noch an neuen Rekorden und Zielen erreichen könnte. Und da wäre schon gut gewesen, wenn er sich gesagt hätte: 'Ich habe die letzte Rallye mit dem alten Auto gewonnen, und ich gewinne aber auch gleich mit dem neuen Auto.' Und das hat mir ein bisschen gefehlt."

Frage: "Loeb hatte in Schweden auch zwei Reifenschäden - und Citroen grundsätzlich Probleme mit den Reifen. Könnte es da auch weiterhin Probleme geben? Vielleicht sogar bei beiden Herstellern?"
Schwarz: "Das mit den Reifenschäden sehe ich eigentlich nicht so. Wobei es mich schon ein bisschen verwundert, weil Michelin eigentlich besser zu Citroen passt als Pirelli. Auf der anderen Seite zeigt es aber vielleicht auch, dass man in Schweden bei Citroen schon sehr an die Grenze gegangen ist, um vorne mitzufahren. Sonst kriegt man nicht so schnell Plattfüße. Denn weder Östberg noch Latvala noch Hirvonen, und auch nicht Petter Solberg hatten einen Reifenschaden. Also liegt es nicht einmal am Citroen, sondern am Fahrer Loeb."

Heimvorteil für Östberg

Frage: "Du hast ihn angesprochen - Mads Östberg. In Schweden nach dem ersten Tag in Führung, dann knapp geschlagen Zweiter. Haben wir hier einen künftigen Star gesehen?"
Schwarz: "Ich würde eher so sagen: Schweden ist für ihn als Norweger schon fast eine Heimveranstaltung. Wir haben ja in der Vergangenheit mit schwedischen Fahrern schon Ähnliches erlebt, zum Beispiel mit Daniel Carlsson. Der wurde dort 2006 im Mitsubishi auch Dritter, und man dachte, er reißt jetzt Bäume aus."

"Ich glaube nicht, dass sich Mads Östberg bei anderen Rallyes auch so gut in Szene setzen kann." Armin Schwarz

"Es gab schon einige Fahrer, die es dort oben auch gut hinbekommen haben. Aber es hat nie zu einem weiteren Durchmarsch gereicht. Und so gut ich Östbergs Leistung dort einschätze, so wenig glaube ich, dass er sich bei anderen Rallyes auch so gut in Szene setzen kann."

Frage: "Ein anderer 'Fahrer' der Rallye war Chris Patterson, Petter Solbergs Co-Pilot, der in der letzten Prüfung das Steuer übernehmen musste. Es ist sicher nicht so einfach, mal eben in ein WRC zu steigen und es unter Rennbedingungen heil über die verschneiten und rutschigen viereinhalb Kilometer bis ins Ziel zu bringen. Muss man da sagen: Hut ab?"
Schwarz: "So ist es. Wobei er wohl wirklich mit einer so langsamen Gangart gefahren ist, dass eigentlich kein Risiko bestand, dass er es nicht ins Ziel bringt. Aber was ich viel höher einschätze, ist die Teamüberlegung. Das sind Kunststücke, die sich normalerweise Citroen einfallen lässt. Hier müsste man Petters Teammanager Ken Rees ein großes Lob aussprechen."

"Das ist hundertprozentig eine Geschichte, bei der ihn Petter anruft und sagt: 'Ken, mich hat die Polizei angehalten, wir haben noch 48 Stunden Zeit, in 48 Stunden ist der Führerschein weg'. Und Rees musste sich etwas einfallen lassen. Er hat sicher gesagt: 'Die Zeit ist vor der letzten Prüfung abgelaufen - und dann muss eben Chris fahren'."

Der Fall Solberg

Frage: "Petter Solberg war bis dahin als Gesamtdritter bester Citroen-Pilot. Hat er auch weiterhin Chancengleichheit mit den Werkspiloten - vom Material her?"
Schwarz: "Ja, das glaube ich. Da sind die Karten neu gemischt. Und ich bin fast überzeugt davon, dass er diese Chance hat. Es kommt nur darauf an, wie er in Sachen Entwicklungsteile eingebunden ist. Nicht, dass man bei Citroen auf die Idee kommt, bis zur Technikeinfrierung noch Updates zu bringen, aber Petter davon nicht betroffen ist."

Frage: "Und wie geht es bei dir jetzt sportlich weiter? Du kurierst ja gerade einen Riss der Achillessehne aus, den du dir bei einem Benefiz-Handballspiel zugezogen hast..."
Schwarz: "Ich bin noch bis zum 6. März bei unseren jährlichen Rallye-Wintertraining im finnischen Ivalo. Mit dem Fuß geht es Gott sei Dank so gut, dass ich hier die Fahrtrainings durchführen kann. Es wurde für mich extra ein 'Spezialfuß' gebaut, eine Art Karbongürtel, der den ganzen Fuß und auch unten das Fußgelenk umfasst. Damit kann ich 14 Tage nach der Operation schon ohne Krücken laufen, kann die Kupplung treten und anfahren."

"Von daher bin ich guter Dinge, dass ich bei der Baja 250, die eine Woche danach ansteht, auch die vorgesehene halbe Distanz fahren kann. Ich fliege am 6. März abends hier weg und habe dann am 13. die Baja 250. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine Familie, meinen Physio Siegfried Hornikel und alle meine Freunde, die mich wirklich bestens unterstützen, damit ich schnell wieder auf die Beine komme."