• 15.11.2010 22:52

  • von Britta Weddige 2011: Neues Kräfteverhältnis oder weiter Citroën-Dominanz?

2011: Neues Kräfteverhältnis oder weiter Citroën-Dominanz?

Experte Armin Schwarz rechnet damit, dass Citroën auch mit neuem Auto die Oberhand behält - Analyse der Fahrerpaarungen: Loeb/Ogier, Hirvonen/Latvala

(Motorsport-Total.com) - Die Ära von C4 WRC und Focus WRC geht an diesem Wochenende zu Ende. Beim Saisonfinale in Wales wird zum letzten Mal mit der bisherigen Fahrzeuggeneration gefahren, bevor im nächsten Jahr in der Rallyweltmeisterschaft die neuen Autos zum Einsatz kommen. Ford baut darauf, mit dem neuen Fiesta WRC Dauerkonkurrent Citroën endlich wieder schlagen zu können, nach dem Motto: Neue Autos, neue Chancen, neues Kräfteverhältnis.

Titel-Bild zur News: Mikko Hirvonen

Die große Frage. Zeigt Ford mit dem neuen Auto wieder aufgsteigende Form?

Doch Rallye-Experte Armin Schwarz glaubt, dass es auch in Zeiten von Fiesta WRC und DS3 WRC beim alten Kräfteverhältnis bleibt. "Da müsste ich mich schwer täuschen, wenn Citroën sich mit dem neuen Auto ein Ei legen würde. Ich würde mich auch schwer täuschen, wenn Ford plötzlich den Hasen aus dem Zylinder zaubern würde", sagt Schwarz gegenüber 'Motorsport-Total.com'

Ford kann mit dem Fiesta - in der S2000-Version - zwar schon den Siege vorweisen, unter anderem bei der Rallye Monte Carlo. Doch das würde Schwarz nicht überbewerten. Werkspilot Mikko Hirvonen trat bei der "Monte" im Januar unter anderem gegen Sébastien Ogier an, der in einem Peugeot 207 S2000 unterwegs war. "Ogier hatte eigentlich schon ein zwei Jahre altes Auto, während Ford mit dem neuen Fiesta gefahren ist, sicher mit allen möglichen Maßnahmen bis hin zum eigens produzierten Reifen von BF Goodrich. Und Hirvonen konnte deshalb die 'Monte' gewinnen, weil Ogier am zweiten Tag mal von der Strecke war", so Schwarz.

Citroën werde da sicher höhere Ansprüche haben, so Schwarz: "Citroën wird mit dem neuen WRC sicher die gleiche Zuverlässigkeit, den gleichen Hammer auflegen, wie sie bisher haben. Da müsste irgendwo im Konzept ein Hund begraben sein, dass sie im ersten Halbjahr richtig schwach da stehen. Aber das kann ich mir nicht vorstellen."

Citroën geht in der kommenden Saison mit einer neuen Fahrerkombination an den Start. Der siebenmalige Weltmeister Sébastien Loeb, der 2011 seine letzte WRC-Saison bestreiten wird, bekommt Jungstart Ogier an seine Seite. Druck könne Ogier auf Loeb allemal ausbüben, prophezeit Schwarz, "denn schnell genug ist er".

Doch der frühere Rallye-Europameister sieht einen Bereich, in dem sich Lehrmeister und Schüler unterscheiden: die Zuverlässigkeit. "Loeb ist zu einer Zeit gekommen, als er sich gegen Colin McRae und Carlos Sainz durchsetzen musste. Und das ad hoc fehlerlos. Und das hat er getan. Da war kein Fehler dabei. Von der Zuverlässigkeit her hat er ein Plus, dass er die ganzen sieben Jahre wirklich wunderbar umgesetzt hat. Und da fehlt es Ogier allemal noch. Der Speed ist da, aber die Zuverlässigkeit nicht. Deshalb glaube ich, dass Ogier im nächsten Jahr sicher einen gewissen Druck ausüben kann, aber ich denke, dass Loeb nach wie vor die Nase vorn hat."

Damit zu Ford: Zu Beginn dieser Saison war Hirvonen die klare Nummer eins im Team, Jari-Matti Latvala die klare Nummer zwei. Das dürfte sich nun wieder ändern. Experte Schwarz ist der Meinung, dass Teamchef Malcolm Wilson "es zu lange an Hirvonen festgemacht hat": "Wenn er Latvala in der Sturm- und Drang-Zeit vergangenes Jahr mehr gestützt hätte, dann wäre er jetzt schon sein Nummer-1-Fahrer, und zwar schon seit Anfang der Saison. Und so wird es jetzt unter Umständen für nächstes Jahr."

Außer Ford bekommt noch Zuwachs in Form von Petter Solberg oder dem aus dem Citroën-Werksteam ausgemusterten Dani Sordo. Spanischen Medien zufolge hat Sordo ein Angebot von Ford: Wenn er eine Million Euro mitbringt, könnte er einen Werks-Fiesta bekommen. "Da muss ich ganz ehrlich sagen: Als Sordo suche ich lieber drei Millionen für Citroën als eine Million für Ford", so Schwarz. Denn Teamchef Wilson müsste bewusst sein, wie wertvoll Sordo sein kann: "Er bringt sehr viel Erfahrung im Citroën mit. Und wenn das Wilson nicht klar ist, dann ist es schon eine gewisse Arroganz, die ich da sehe. Auch von Seiten Engineering: 'Wir machen das schon, wir bauen ein Gewinnerauto'. Und damit hauen sie sich selbst wieder so auf das Schienbein, dass es nur so qualmt."


Fotos: WRC-Finale in Wales


Sordo wird von der Gerüchteküche auch mit MINI in Verbindung gebracht. Doch das sei laut Schwarz "der absolute Notnagel", für den Spanier, nicht nur, weil MINI 2011 nicht die ganze Saison bestreitet: "Ich schätze den MINI vielleicht als Auto nicht so schlecht ein, aber nachdem, was ich höre und gesehen habe, versucht David Richards ja sofort Autos zu verkaufen. Das gehört zu seinem Konzept. Er braucht sofort Geld in der Tasche, um das Programm durchzuziehen. Und dann klemmt es hinten und vorne, dann kannst du keine vernünftige Entwicklung machen, dann wirst du ganz sicher sehen, dass sie vom Anfang an in der Entwicklung hinten dran sind, was da heißt, keine Rallyes gewinnen."

Eine weitere Personalie ist für die kommende Saison noch nicht geklärt: die Zukunft von Kimi Räikkönen. "Er sollte weitermachen, ja aber für mich ist das nicht von großem Belang", sagt Schwarz. Dass der frühere Formel-1-Weltmeister in die WRC gekommen ist, sei eine Art "Unterhaltungs-Überbrückungs-Politik" gewesen. Rein sportlich gäbe es eine Menge anderer, besser Kandidaten.

"Ich glaube, dass Kimi sicher ein guter Fahrer ist. Er wird sich aber sicher da hinten anstellen, wo er jetzt ist", so der Experte. "Und ich glaube, dass es für ihn noch schwieriger wird, sobald da noch mehr junge Fahrer eine Chance bekommen, mit neuen Autos zu fahren. Und er hat einfach für den Speed, den er an den Tag gelegt hat, viel zu viel Kleinholz gemacht. Das kann man ihm nicht einmal anlasten. Aber da gibt es wirklich genügend junge Leute, die sicher das Zeug haben, weit vorne hin zu fahren. Da ist man äußerst zögerlich und zurückhaltend. Und dann kommt Räikkönen, der fährt von 0 auf 300, weil er Formel 1 gefahren ist und Formel-1-Weltmeister war. Und da glaube ich, passt die Balance nicht."