Schwarz: "FIA hat zu oft zu schnelle Entscheidungen getroffen"

Rallye-Experte Armin Schwarz macht sich Gedanken über die diskutierten Veränderungen der Rallye-WM - Es werden zu viele Schnellschüsse gemacht

(Motorsport-Total.com) - Die Rallye-WM befindet sich im Umbruch. In den vergangenen Jahren bekam die WRC in der großen Öffentlichkeit immer weniger Aufmerksamkeit. Fußball und die Formel 1 dominieren die Sportwelt in Europa, die Rallye-WM ist eine Randsportart geworden. FIA-Präsident Jean Todt, FIA-Managerin Michele Mouton und FIA Rallye-Direktor Jarmo Mahonen wollen gemeinsam mit Promotor Red Bull den Sport attraktiver gestalten. Dafür liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch. So befasst sich die WRC-Kommission demnächst mit einer grundlegenden Veränderung: Die Power-Stage soll am Ende den Ausgang der Rallye bestimmen.

Titel-Bild zur News: Mads Östberg

Wird das Endergebnis künftig nur noch in der Power-Stage bestimmt? Zoom

Zu dem angedachten Format, wo der Erste und der Zweite gegeneinander im direkten Duell antreten und den Platz entscheiden, gibt es unterschiedliche Meinungen. "Ich denke, dass es durchaus eine Möglichkeit sein könnte, die Sache interessanter zu gestalten", meint 'Motorsport-Total.com'-Experte Armin Schwarz. Es stellt sich aber die Frage: "Nur was soll es genau bezwecken? Sollen die Zuschauer bis zum Schluss vor dem Fernseher gehalten werden, oder will man die Fahrer bis zum Schluss auf Vollgas halten?"

"Ich finde, dass eine Power-Stage für den Zuschauer interessant sein sollte. Die Power-Stage von Ende der 1970er Jahre in Portugal ist ein Beispiel, wie die Power-Stage sein sollte", blickt der ehemalige WRC-Fahrer auf die Vergangenheit zurück. Portugal war berühmt für den Enthusiasmus der Fans. Zehntausende Zuschauer säumten die Strecke und sorgten für viel Stimmung. "Es müssen die Autos nicht zwingend gegeneinander fahren, aber sie müssen eine dementsprechende Show bieten", streicht Schwarz das elementare Element hervor.


Fotos: WRC: Rallye Argentinien


Zählt die Power-Stage zur Gesamtwertung, dann sieht er ein Problem: "Wenn man dafür Punkte vergibt, dann werden die Fahrer zwar schnell, aber auch effektiv fahren. Das war auch schon in der Vergangenheit der Knackpunkt, denn Loeb hat die Power-Stages gewonnen, weil er effektiv gefahren ist. Das hat aber keine Zuschauer vom Hocker gerissen, weil man bei der Effizienz nicht spektakulär aussieht."

Armin Schwarz

Armin Schwarz ist derzeit in der US-amerikanischen SCORE-Serie aktiv Zoom

"Deswegen bin ich vorsichtig, welche Schnellschüsse gemacht werden. In der Vergangenheit hat die FIA zuhauf schnelle Entscheidungen getroffen, um es attraktiver und populärer zu machen. Letztendlich hat man dann meistens zurückgerudert. Ich sehe das etwas skeptisch, weil es mir wieder zu schnell geht", richtet der Spanien-Sieger von 1991 Kritik an den Weltverband. Derzeit bekommt der schnellste Fahrer der Power-Stage drei WM-Punkte, der Zweite zwei und der dritte einen.

In der Praxis geben nur noch die verbliebenen Werksfahrer in der Power-Stage Gas. Alle übrigen Teilnehmer nehmen in der Regel Tempo heraus und bringen ihr Auto nur noch ins Ziel. Deshalb findet Schwarz das aktuelle Format nicht in Ordnung. "Ich würde die Power-Stage wesentlich sichtbarer gestalten und ich würde es mehr auf Show trimmen. Die Rallye hat so viele tolle Elemente, die man gut darstellen könnte. Sobald es aber um Zeiten geht, werden alle effizient fahren, richtig effizient. Dadurch ist die Show vorbei."

Bei der Rallye Frankreich ist geplant, dass schon die erste Prüfung als Power-Stage fungiert. "Dann erfüllt es für mich nicht den Zweck, denn in der Power-Stage ist es im Prinzip darum gegangen, dass es die Rallye bis zum Schluss interessant hält. Wenn man diese Prüfung schon am ersten Tag abhält, dann weiß ich nicht, was es bringen soll. Ich finde, dass die Power-Stage am Anfang nichts verloren hat", findet Schwarz deutliche Worte.

"Im Qualifying suchen sich die besten Fahrer die besten Startpositionen aus. Das ist völliger Quatsch." Armin Schwarz

Sollte tatsächlich die Power-Stage über das Endergebnis entscheiden, dann bekämen die ersten Etappen mehr den Charakter einer Qualifikation für die Power-Stage, für die man sich eine Ausgangslage schaffen muss. "Es weicht das Thema auf. Man muss sich schon in Position bringen, damit man Erster oder Zweiter ist, um die Rallye gewinnen zu können. Die Taktik und die Überlegungen wären ganz anders. Wenn man so etwas haben möchte, dann würde ich Punkte pro Prüfung vergeben", macht Schwarz einen Vorschlag. "Dann würde jede Prüfung mehr zählen. Das würde mehr bringen, als wenn man die Punkte nur am Ende in der Power-Stage vergibt."

Ebenfalls ist von der WRC-Kommission angedacht, dass das Qualifying entfallen könnte und bei Schotter-Rallyes die Startreihenfolge für die erste Etappe ausgelost wird. "Das ist das gleiche Thema wie vorher, denn es werden zu viele Schnellschüsse gemacht", findet der Deutsche. "Im Qualifying suchen sich die besten Fahrer die besten Startpositionen aus. Das ist völliger Quatsch, denn schwächere Fahrer mit zum Teil schwächerem Material oder Teams mit kleinem Budget müssen beim Qualifying die schlechtere Position nehmen. Der beste Fahrer mit dem besten Material zieht die beste Startposition, damit ist die Rallye für schwächere Teams schon gelaufen."

"Ich würde es so machen, wie wir es seit 20 Jahren in der Rallye-WM gehabt haben: Der beste Fahrer geht als Erster auf die Strecke. Er hat mit den Bedingungen umzugehen, egal ob er jetzt der Straßenfeger oder sonst etwas ist. Somit verschafft man schwächeren Teams eine bessere Ausgangsposition, damit sie zumindest am ersten Tag eine bessere Chance haben, weil die Straßenverhältnisse eventuell besser sind. Das hat man mit diesem Qualifying komplett verloren, weil die besten Fahrer die besten Positionen ziehen."