• 27.05.2013 10:05

  • von Armin Schwarz

Kolumne: Armin Schwarz blickt auf die Volkswagen-Dominanz

Volkswagen und Sebastien Ogier haben die Rallye-WM im Sturm erobert - Armin Schwarz blickt in seiner Kolumne auf die Gründe dieses starken Einstands

(Motorsport-Total.com) - Liebe Rallye-Fans und Leser von Motorsport-Total.com,

Titel-Bild zur News: Armin Schwarz

Für Ex-WRC-Fahrer Armin Schwarz kommt der Volkswagen-Erfolg nicht überraschend Zoom

Die ersten fünf Rallyes der Saison liegen hinter uns. Vom Klassiker in Monte Carlo, dem verschneiten Schweden über die harten und heißen Schotter-Strecken von Portugal bis Argentinien hat das Volkswagen-Team und Sebastien Ogier eine unglaubliche Leistung gezeigt. Lediglich Weltmeister Sebastien Loeb konnte Ogier und Volkswagen unter Druck setzen. Loeb fährt allerdings nur vier Rallyes in diesem Jahr. Ich stelle die Behauptung auf, dass Loeb sich bewusst nur für vier Rallyes entschieden hat, weil er genau wusste, was ihm von Ogier im Volkswagen Polo für ein Wind entgegenweht.

Meine Gratulation geht an die Volkswagen-Mannschaft. Ich habe großen Respekt davor, wie schnell das Team alles auf den Punkt gebracht hat. Es ist eine tolle Leistung! Jost Capito weiß genau, was er macht und wie er es macht. Er hat das Projekt auf solide Beine gestellt. Bis nach unten macht die gesamte Mannschaft einen super Job. Man sieht genau, was eine gute Planung ausmacht. Ford hat es in all den Jahren nie geschafft, Citroen so unter Druck zu setzen, wie es Volkswagen im ersten WM-Jahr schafft.


Fotos: Volkswagen, WRC: Rallye Argentinien


Natürlich war ich auch gespannt, wie sich Volkswagen in der Debütsaison schlagen wird. Monte Carlo ist generell eine Rallye, die immer Überraschungen parat hält. Wenn man gut vorbereitet ist und die richtige Reifenwahl trifft, dann gehen Dinge, die woanders nicht möglich sind. Es ist und bleibt eben die "Monte". Überraschend war für mich Schweden, weil ich eigentlich damit gerechnet habe, dass Hirvonen und Loeb stärker sind. Dass Ogier sich so durchsetzen konnte, war für mich eindrucksvoll.

Prinzipiell habe ich erwartet, dass Volkswagen mit dieser langen Vorbereitungszeit und den Leuten, die hinter diesem Projekt stehen, die Performance sofort auf den Punkt bringen kann - und nicht erst im zweiten Jahr, wie viele vermutet haben, sondern gleich von Beginn an. Eine große Rolle spielt natürlich auch das überragende Talent von Ogier. Im Vergleich dazu ist es schon etwas enttäuschend zu sehen, wo M-Sport eigentlich steht, wenn sie keinen Topfahrer haben.

Sebastien Ogier

Sebastien Ogier zeigt derzeit auf eindrucksvolle Art sein Talent Zoom

Das Reglement und die Freiheiten sind so eng geschnürt, dass sich die Autos sehr ähnlich sind. Deshalb macht der Fahrer am Ende den Unterschied aus. Für mich persönlich stehen Loeb und Ogier auf einer Stufe. Dann kommt lange nichts und erst dann kommen die übrigen Fahrer. Auf der anderen Seite ist das natürlich auch bedenklich, weil Loeb nur vier Rallyes in diesem Jahr fährt. Bei den übrigen Rallyes gibt es niemanden, der Ogier Paroli bieten kann.

Obwohl Ogier in die Entwicklung des Polo eingebunden war, glaube ich nicht unbedingt, dass es ein "Ogier-Auto" ist. Schon bei Citroen hat er das Auto übernommen, das von Loeb entwickelt wurde, und in kürzester Zeit hat er sich als härtester Rivale von Loeb herauskristallisiert. Für mich hat es Ogier schon bei Citroen auf den Punkt gebracht. Das muss Latvala nun auch hinbekommen. Nach den ersten Anlaufschwierigkeiten hat sich auch der Finne zuletzt gefangen.

Latvala muss sich mental einstellen

Es ist manchmal schwierig, wenn man in ein Team kommt, in dem ein anderer Fahrer das Auto entwickelt hat. Jari-Matti konnte nicht mehr in die Entwicklung eingreifen und musste mit dieser Situation umgehen. Jari-Matti kann sicher nur beschränkt Abstimmungsänderungen am Auto vornehmen, die im Rahmen der Homologationsbestimmungen sind. Es wird nicht so viele Möglichkeiten geben, wo er beim Differential andere Abstimmungen verwenden kann als die vorliegenden.

Ich glaube, dass es bei Jari-Matti eine große Rolle spielen wird, wie er sich vom Kopf her darauf einstellt, Ogier Paroli zu bieten. Das wird seine Messlatte sein und daran muss man sich orientieren. Man darf nicht vergessen, dass Latvala schon bei Ford bei der Konstanz das Nachsehen gegenüber Hirvonen hatte. Vom Speed her hat er es drauf. Bei Ford war er deswegen auch schon hinter Hirvonen. Es wird sicher bei Volkswagen auch eine harte Nuss werden, dass er die Leistung konstant auf den Punkt bringt. Einzig der Umgang im Team wird ihm helfen, da man ihn bei Volkswagen sicher nicht dem gleichen Druck aussetzt wie es bei Ford der Fall war.

Zuletzt gab es auch technische Schwierigkeiten mit dem neuen Polo. Das ist aber ganz normal. Es ist ja keine Maschinerie sondern ein ganz normaler Entwicklungsvorgang. Jost hat es so umschrieben, dass sie in Portugal viel Glück hatten, dass sie das Auto immer in den Service-Park gebracht haben. Das gehört aber dazu, dass du nicht draußen auf der Prüfung stehenbleibst, sondern man einen Fahrer hat, der das Auto zurück in den Service-Park bringt.

Jari-Matti Latvala

Jari-Matti Latvala hat einen schweren Stand gegen Sebastien Ogier Zoom

Natürlich gehört auch dazu, dass man eine Topmannschaft hat, die in der Kürze der Zeit das Auto wieder auf die Beine stellt und der Fahrer das Auto wieder zu 100 Prozent nutzen kann. Ich glaube, wenn diese Kinderkrankheiten ausgemerzt sind, dann wird die Kombination Volkswagen und Ogier noch stärker werden. Ich wünsche es Volkswagen, der Mannschaft und Jost Capito vom Herzen, dass sie diesen Lauf bekommen.

Dennoch Vorsicht, es ist ein extrem gefährliches Pflaster für die Rallye-Weltmeisterschaft, denn nach der Loeb-Dominanz könnte eine Ogier-Dominanz über vier, fünf Jahre folgen. Dann hätten wir den gleichen Zustand wie in den vergangenen neun Jahren, dass diese Kombination unschlagbar ist. Dann wird sich auch wenig am Zuschauerzuspruch der Rallye-Weltmeisterschaft ändern.

Wenn Ogier nach den Prüfungen davon redet, dass er Tempo herausgenommen hat und trotzdem die Bestzeit gefahren ist, dann zeigt das, in welcher Liga er spielt. Für die Rivalen ist es natürlich ernüchternd, wenn sie die für sie wichtigen drei Punkte in der Power-Stage holen wollen - und trotzdem staubt sie Ogier ab. Dann ist man an einem Punkt angekommen, an dem er nicht 100 Prozent geben muss und die Sache kontrollieren kann.

Promoter muss WM attraktiver machen

Das beste Beispiel war Portugal, wo Mads Östberg bei den ersten drei Prüfungen so schnell wie Ogier ausgesehen hat, aber dann ist er im Unterholz geendet. So war es auch mit Sordo. Auch er fährt an der Grenze. Wenn sie merken, dass sie knapp an der Bestzeit sind, dann legen sie noch einmal zu, bewegen sich dann aber in einem wesentlich höheren Risikobereich als Ogier, der mit seinen 98,9 Prozent immer noch kontrolliert dahinfährt.

Aus deutscher Sicht dürfen wir uns darüber freuen, dass Volkswagen dieses Projekt so erfolgreich auf die Beine gestellt hat. Dieses Engagement ist auf jeden Fall eine Chance für junge deutsche Talente. Ich glaube, dass der Rallye-Sport einen Auftrieb bekommt. Wie viel mehr Beachtung der Sport in der öffentlichen Wahrnehmung bekommt, bleibt abzuwarten. Es hängt viel mit der Spannung und dem Spektakel zusammen und genau da muss sich der neue Promotor auch etwas einfallen lassen, um die WM wieder attraktiver zu machen.

Ich glaube, wenn frische No-Name-Nachwuchsfahrer vorne mitfahren, dann kann es die Sache aufwerten. Momentan ist es schwierig, weil niemand da ist, der Ogier Paroli bieten kann. Ich glaube nicht, dass Fahrer wie Östberg, Nowikow oder Neuville länger als zwei Prüfungen auf dem Niveau von Ogier fahren können. Die Hürde ist unglaublich hoch. Das kann in gewisser Weise uninteressant werden. Es wird spannend werden zu sehen, welchen Auftrieb die Rallye-WM bekommen wird. Und nun wartet mit der Akropolis-Rallye der nächste Klassiker. Ich wünsche Euch viel Spaß dabei!

Euer,
Armin Schwarz