• 08.08.2011 12:11

  • von Britta Weddige

Schwarz: "Es gibt zwei Lager bei Citroen"

In Finnland duellierten sich Sebastien Loeb und Sebastien Ogier auf einem hohen Niveau um den Sieg - Armin Schwarz analysiert im Interview das Stallduell bei Citroen

(Motorsport-Total.com) - Weltmeister Sebastien Loeb hat zum zweiten Mal die Finnland-Rallye gewonnen, obwohl der Citroen-Pilot an drei Tagen als Erster auf die Strecke musste. Normalerweise ist das bei Schotter-Rallyes oft ein Nachteil. Es entbrannte auch ein heftiges Duell mit seinem Landsmann und Teamkollegen Sebastien Ogier. Obwohl Jari-Matti Latvala (Ford) am Ende Zweiter wurde, spielten die Skandinavier nur eine Nebenrolle im französischen Duell. Der ehemalige WRC-Pilot Armin Schwarz blickt im Interview mit 'Motorsport-Total.com' auf eine der spektakulärsten Rallyes im Kalender zurück.

Titel-Bild zur News: Armin Schwarz

Armin Schwarz hat das Stallduell bei Citroen aus nächster Nähe beobachtet

Frage: "Sebastien Loeb hat seinen zweiten Sieg in Finnland gefeiert, obwohl er dreimal als Erster auf die Strecke musste und damit den Straßenfeger spielen musste, was normalerweise ein Nachteil ist. Hat Sebastien mit dem Sieg einmal mehr seine Klasse bewiesen?"
Armin Schwarz: "Seine Klasse hat er ganz sicher bewiesen. Ich finde aber, dass um diese ganzen Strategien eine viel zu große Geschichte gemacht wird. Er hat mit seiner Leistung eigentlich diesen Grundsatz widerlegt, denn es gibt nur bei ungefähr 40 Prozent der Rallyes eine Nebenwirkung, wenn man als Erster und gleichzeitig als Bester auf die Strecke geht. Wenn der beste Fahrer mit dem besten Auto als Erster auf die Strecke muss, dann hat die Konkurrenz vielleicht erst mal einen Gleichstand, also einen geringen Vorteil, den sie eventuell gar nicht nutzen können."

Frage: "Freitagabend gab es einige Verwirrung. Loeb hat zu spät gestempelt und dafür eine Strafe von zehn Sekunden bekommen. War das Absicht? Darüber gibt es ja die wildesten Theorien. Was meinst du dazu?"
Schwarz: "Das ist ein Zeichen, dass Loeb seinem Team nicht mehr traut. Das war eine Aktion, bei der er ohne Splitzeiten einfach Zeit verloren hat. Er ist zu spät zur Zeitkontrolle gefahren. Das können nur er und sein Beifahrer machen, denn er hat auch sein Team nicht darüber informiert, sondern ist einfach zu spät hingefahren und hat dafür zehn Strafsekunden kassiert."

"Sehr aufmerksam war der Beifahrer von Ogier. Wenn Julian Ingrassia das nicht bemerkt hätte, dann wäre er mit seiner Zeit ins Ziel gefahren und hätte nicht über die Zwischenzeiten irgendeine Regung gezeigt, langsamer zu fahren. Es gibt zwei Lager bei Citroen. Es gibt keine Absprachen mehr untereinander, sondern jeder will dem anderen den kleinsten Vorteil nehmen, oder bekommen, und damit hat der Teamchef sicher früher oder später ein Problem, da seine Autorität komplett verloren geht."


Fotos: WRC: Rallye Finnland


Frage: "War deshalb Loeb sauer, weil er gedacht hat, dass Citroen Ogier informiert hat?"
Schwarz: "Nein, in Griechenland war er sauer, aber hier nicht. In Finnland hat Loeb eine Strategie probiert, aber Ogier hat darauf reagiert. Auf der Straße konnte Loeb ja nichts machen, weil er der Erste in den Prüfungen war. Man hat am Freitagabend in den Interviews der beiden klar gehört, dass es wichtiger ist, den anderen zu schlagen. Der Sieg war nicht so wichtig."

"Loeb hat gemeint, dass er vor Ogier sein will und umgekehrt, weil die Weltmeisterschaft wichtiger ist. Es hätte für sie ruhig Latvala gewinnen können. Das zeigt aber auch klar, dass Olivier Quesnel (der Citroen-Teamchef; Anm. d. Red.) keinen Einfluss mehr hat. Loeb entscheidet klar, wann und wo er einen Vorteil haben will. Er spricht das nicht mehr mit seinem Team ab, und auch Ogier meinte schon, er kann gleichermaßen agieren."

Sebastien Ogier

Sebastien Ogier hat auch in Finnland seinen Teamkollegen Loeb unter Druck gesetzt Zoom

Frage: "In der WM hat Loeb jetzt wieder einen etwas größeren Vorsprung. Glaubst du, ist er jetzt wieder im Team die klare Nummer eins? Ogier scheint das zu befürchten."
Schwarz: "Die Furcht ist natürlich berechtigt. Loeb muss aber von sich aus eine Zusage machen, ob er im nächsten Jahr weiter bei Citroen bleibt, oder ob VW doch interessant für ihn ist. Solange es da keinen Vertrag gibt, wird sich Quesnel auch nicht festlegen."

"Quesnel wird sich sagen, dass Ogier im günstigsten Fall Weltmeister wird - aber im ungünstigsten Fall wirft Ogier das Auto weg, Loeb wird Weltmeister und geht dann trotzdem weg. Man kann aber nur auf den Fahrer setzen, den man auch 2012 und 2013 unter Vertrag hat. Das ist im Moment nur Ogier und nicht Loeb. Schade nur, dass man den Eindruck bekommt, dass alles was Loeb bisher für Citroen geleistet und gewonnen hat, nicht mehr so wichtig ist."

Frage: "Gefährdet Citroen damit eigentlich den Titel? Ford sieht nicht so stark aus."
Schwarz: "Der WM-Titel kann nicht gefährdet sein, weil beide Citroen-Piloten auf einem sehr hohen Niveau fahren. Der Rest spielt nur noch eine Nebenrolle."

Frage: "Ist der Citroen DS3 WRC das bessere Auto im Gegensatz zum Ford Fiesta RS WRC?"
Schwarz: "Ja, und nicht erst seit Finnland. Ford ist schon das gesamte Jahr in einer gewissen Weise unterlegen. Das liegt aber auch daran, dass Ford viel weniger Entwicklungszeit und Budget für den Fiesta zur Verfügung hatte. Sie gehen deshalb mit einer ganz anderen Philosophie als Citroen an das Auto heran."

Sebastien Loeb

Am Ende jubelte Sebastien Loeb über seinen zweiten Finnalnd-Sieg Zoom

Frage: "Bleiben wir bei den Autos. MINI war in Finnland zum zweiten Mal mit dabei. Wie bewertest du deren Auftritt?"
Schwarz: "Für mich war das beachtlich. Ich finde, dass war sehr gut. Finnland erinnert an die Formel 1. Es ist dort so schnell, dass man ein gutes Auto braucht, weil man sonst die Zeit gar nicht aufholen kann. Deshalb war es beim zweiten WM-Auftritt umso verwunderlicher, dass sie bei den Zeiten so gut dabei waren. Leider sind beide nicht ins Ziel gekommen, da müsste man mehr testen. Aber auch bei MINI - besser gesagt Prodrive - ist kein Geld da."

"Ich bin eher skeptisch, wie da die Entwicklung weitergehen wird, weil sich David Richards (Teamchef von Prodrive; Anm. d. Red) hinstellt und sagt, dass seine Fahrer die nächste Prüfung gewinnen müssen. Ich weiß nicht, warum er jetzt schon so hoch pokert, denn die Ziele, die sich das Team gesteckt hat, sind damit sehr unrealistisch. Von der Performance des Autos bin ich überrascht, aber vielleicht gibt es da Maßgaben, die nur David und BMW wissen."

Frage: "Hermann Gassner jun. war ebenfalls mit dabei. In der Gesamtwertung wurde der Deutsche 16. und in der S-WRC Vierter. Wie bewertest du seinen Auftritt in Finnland?"
Schwarz: "Das war für mich eine Überraschung. Mir hat Raimund Baumschlager (Teamchef; Anm. d. Red.) noch vor der Rallye gesagt, dass der Hermann eigentlich nicht schnell fahren darf, weil der Aufschrieb nicht vollständig genug ist. Wenn er schnell fahren würde, dann wäre ein Unfall unvermeidbar. Da frage ich mich, ob Raimund seinen Schützling falsch eingeschätzt hat, oder sich Hermann gesagt hat: 'Jetzt zeige ich es euch erst recht'. Meiner Meinung nach war die Finnland-Rallye die beste Leistung, die er bisher gezeigt hat, dafür hat er meinen Respekt."

Frage: "Das macht den deutschen Fans Hoffnung."
Schwarz: "Ja sicher. Man darf jetzt aber nicht von ihm erwarten, dass solche Leistungen zur Tagesordnung gehören werden. Dazu muss man aber schon auch sagen, dass Ott Tanak am ersten Tag Sechster der Gesamtwertung war. Dann hat er dreieinhalb Minuten verloren, war eine halbe Minute hinter dem Hermann und hat am letzten Tag noch zwei Minuten Vorsprung auf Hermann herausgefahren. Es gibt also Fahrer, die leistungsmäßig noch einiges mehr draufhaben, aber die Leistung war in Finnland auf jeden Fall sehr gut."