• 16.10.2008 11:52

  • von Britta Weddige

Dominanz, bewährte Taktiken und neues Selbstbewusstsein

'Motorsport-Total.com' analysiert mit Armin Schwarz die Korsika-Rallye: Über Loebs Stärken, Hirvonens Grenzerfahrungen und Latvalas Sternstunde

(Motorsport-Total.com) - Dass Sébastien Loeb als Favorit in den Asphalt-Doppelpack Spanien und Korsika startet, war schon vorher allen Beteiligten klar. Der Citroën-Star absolvierte die beiden Läufe jedoch mit einer Dominanz, über die man nur staunen kann. In Spanien konnte er seinen Teamkollegen Daniel Sordo kontrolliert auf Abstand halten, auf die Ford-Verfolger hatte er am Ende rund eine Minute Abstand. In Korsika hatte er nach dem zweiten Tag 52 Sekunden Vorsprung auf die Ford-Piloten. Am Ende waren es fast dreieinhalb Minuten - weil die Konkurrenz am letzten Tag durch Mikko Hirvonens Plattfuß und Francois Duvals Zurückstempeln massiv an Zeit verloren hatte. Wäre der Sonntag normal verlaufen, hätte Loebs Vorsprung am Ende wohl im Bereich von 45 Sekunden bis zu einer Minute gelegen. Klar ist so oder so: Er hat das Tempo vorgegeben und fast alle Bestzeiten geholt.

Titel-Bild zur News: Sébastien Loeb

Sébastien Loeb lieferte auf Korsika wieder einmal eine Klasseleistung ab

Die Konkurrenz aus dem eigenen Lager fehlte in Korsika: Loebs Citroën-Teamkollege Daniel Sordo schied schon in der dritten Prüfung aus. Hätte er den französischen Superstar unter Druck setzen können? Rallye-Experte Armin Schwarz glaubt das nicht: "Ich glaube eher, dass sein Ausfall Sordo eine ziemliche Frustnummer erspart hat", so Schwarz gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Er wollte hier ja unbedingt besser fahren als in Spanien - oder schneller. Und das wäre wohl nicht gegangen. Ich glaube nach wie vor, dass er Loeb in Korsika nicht geschlagen hätte. Er war schon nach Spanien relativ frustriert. Und wenn er hier am Ende eine Minute hinter seinem Teamkollegen gewesen wäre, wäre der Frust wesentlich größer gewesen."#w1#

Mächtig frustriert war am Sonntag Ford-Pilot Hirvonen. Er fuhr sich gleich in der ersten Prüfung des Tages in einem Schlagloch ein Rad kaputt. "Es war ein klassischer Durchschlag, wenn die Lauffläche durchschlägt bis auf das Felgenbett", erklärt Experte Schwarz. "Dadurch hat es das Felgenbett nach innen gebogen, bis es am Bremssattel angeschlagen ist. Der Bremssattel hat dann die Felge aufgeschliffen, bis die Luft draußen war."

Es war nicht das erste Mal, dass Hirvonen einen solchen Rückschlag hinnehmen muss. "Ich habe die WM durch Reifenschäden verloren, einen in Deutschland, einen in Neuseeland, der mich dort den Sieg gekostet hat, und jetzt hier", sagte Hirvonen am Sonntag in Korsika. "Aber ich hätte das selbst vermeiden können. Ich habe das Schlagloch gesehen, hatte mich aber entschieden, drüber zu fahren. Mein Fehler, deshalb habe ich es verdient."

Für Schwarz sind Hirvonens Reifenschäden "ein klares Zeichen, wie hart an der Grenze er fährt, wie hart er mit seinem Material umgehen muss, damit er die Zeiten fahren kann, die er fährt." Macht das Unterschied zu einem Champion wie Loeb aus, der eine Bestzeit nach der anderen hinlegen und dabei noch so vorsichtig agieren kann, dass er sich eben keinen Reifenschaden zuzieht? "Ich denke, dass Sébastien sehr kontrollierend fährt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er die ersten beiden Tage wirklich auf Sicherheit gefahren ist", schränkt Schwarz ein. "Aber: Er kann 99,9 Prozent fahren und kann es kontrollieren. Die anderen müssen auf 95 Prozent fahren, damit sie es kontrollieren können. Das ist der Unterschied."

Um das Rennen um den WM-Titel offen zu halten, holte Ford Hirvonen mit vereinten Teamkräften wieder nach vorn auf den zweiten Platz. Sich freiwillig durch Zurückstempeln eine Zeitstrafe zu holen, ist ein altbewährtes Mittel: "Es war glaube ich 1991 bei der Rallye San Remo. Damals war ich Zweiter und mein Toyota-Teamkollege Carlos Sainz war Siebter", erinnert sich Experte Schwarz. "Ich habe mich zurückgestempelt und war letztlich Achter und Carlos war Sechster - auch bei ihm ist es damals um die WM gegangen." Sainz musste sich damals erst im letzten WM-Lauf Juha Kankkunen geschlagen geben.


Fotos: Rallye Korsika - powered by Sony Ericsson


Zurück in die Gegenwart: Für viele Beobachter war nicht Sieger Loeb, sondern Ford-Youngster Jari-Matti Latvala der Mann der Rallye. Eine Meinung, der sich Experte Schwarz anschließt. Ford hatte den Druck von den Schultern des jungen Finnen genommen, indem er nicht im Werksteam WM-Punkte liefern musste, sondern bei Stobart weiter an seiner Asphalt-Technik und seinem Selbstvertrauen feilen konnte. Und Latvala hat dabei eindrucksvolle Fortschritte gemacht. Mit angeknackstem Selbstbewusstsein war er nach Spanien und Korsika gekommen und plötzlich legte er wie befreit los. Der Lohn: Platz vier. Nach Hirvonens Reifenschaden lag er sogar auf einem Podiumsplatz. Auf den hat er aber freiwillig verzichtet, um den Teamkollegen wieder nach vorn zu bringen.

"Für mich hat es in Korsika bei Jari-Matti nach dem ersten Tag irgendwo einen Knackpunkt gegeben", so Schwarz. "Danach ist er von den Zeiten her so schnell und so sicher geworden. Wir haben ihn beobachtet: Er hat einen ähnlichen Fahrstil gehabt wie Loeb. Du hast gemeint, er hat ein Problem am Auto, so ist der gefahren. Aber das ruhige und runde Fahren war halt die schnellere Variante."

Zwei Läufe stehen in dieser Saison noch aus: Am ersten Novemberwochenende wird in Japan gefahren, Anfang Dezember steht das große Finale in Wales an. Loeb hat vor den letzten beiden Rallyes 14 Punkte Vorsprung auf Hirvonen. Wird sich der Franzose schon in Japan vorzeitig zum Rekord-Weltmeister krönen oder kann Hirvonen die WM noch einmal offen halten? "Er kann es nur offen halten, wenn Sébastien einen Totalausfall hat", meint Schwarz. "Ich glaube allerdings nicht, dass Loeb noch einmal so etwas passiert wie im letzten Jahr." Damals schoss Loeb nach einem falschen Kommando von Co-Pilot Daniel Elena in den Straßengraben und schied aus - ein äußerst seltener Fehler des Erfolgsduos...

Dass sich ein solcher Patzer wiederholt, ist unwahrscheinlich. Schwarz gibt aber zu bedenken: "In Japan wird alles für alle neu sein. Neue Strecken, eine neue Rallye, ein neuer Untergrund, das Terrain ist komplett neu, weil sie umziehen nach Sapporo. Da kann auch ein einem Weltmeister mal ein Fehler passieren, wobei ich aber nicht glaube, dass ihm das passieren wird."