Die Geschichte von Intermeccanica: Steuerflucht auf italienisch
Sportwagen mit großen amerikanischen Motoren und italienischem Chic wollte Frank Reisner bauen, doch Qualitätsmängel und Benzinkrise stoppten "Intermeccanica"
(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Hans-Peter Thyssen von Bornemisza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Dresdner war Redakteur bei folgenden Blättern: "Deutsche Auto-Zeitung", der heutigen "Auto-Zeitung", "Die Welt", "Welt am Sonntag" und "Bunte", zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure deutscher Nachkriegs-Mobile wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte.
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Intermeccanica Indra von 1972 während der Sachsen Classic Rallye 2010 Zoom
Große Aufregung im Hafen der italienischen Stadt Genua. Zoll und Polizei sperrten 1975 das ganze Gelände um den Frachter ab, der mit Produktionsmaschinen und Geräten der Firma Intermeccanica beladen wurde. Wegen ausstehender Steuerschulden beschlagnahmten Zoll und Polizei alles Inventar, das Intermeccanica heimlich nach Kalifornien schaffen wollte.
Die Firma gehörte Frank Reisner, einem 1932 in Paris geborener Ungarn, der sich nach vorübergehenden Aufenthalt im kanadischen Montreal im italienischen Turin niedergelassen hatte. Hier gründete er die Firma Intermeccanica, die zunächst Karosserien herstellte. Reissner fand schnell Kontakt zu einer österreichischen Firma, die den in Graz gebauten Steyr-Puch-Kleinwagen mit einer eleganten Karosserie herstellen wollte. Gemeinsam gründete man die Firma IMP(= Intermeccanica-Puch).
Mit Hilfe von Erich Bitter entstand das erste Intermeccanica-Auto
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Apollo 5000 GT Coupé, 1962 - 1968 Zoom
Reisner begann mit einfachsten Mitteln. Er mietete in der Innenstadt von Turin ein größeres Ladenlokal, die Bleche wurden - wie üblich - über dem Holzklotz gebogen. Zum Zusammenbau wurden nur Schrauben einer einzigen Größe verwendet. Eine Lackieranlage konnte sich der gelernte Autolackierer nicht leisten. Deshalb wurden seine Wagen einfach mit der Spritzpistole am Straßenrand zwischen parkenden Autos lackiert.
Wohl wegen der mangelnden Qualität fand der hübsche Steyr-Puch mit seinem 500 ccm-Heck-Boxermotor wenig Freunde. Seine Bekanntschaft zu dem amerikanischen Designer Milt Brown brachte ihm kurz darauf den Auftrag zum Bau des Sportwagens Apollo, eines der ersten Wagen mit italienischem Design, der amerikanische Motoren verwendete. Über Brown lernte Reisner den Designer Franco Scaglione kennen, der ehemals bei Bertone gearbeitet hatte. Scaglione beteiligte sich an der Firma Intereccanica beteiligt.
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Intermeccanica Italia von 1967 Zoom
Auf der Rennstrecke lernte Reissner den deutschen Rennfahrer Erich Bitter kennen, der sich mit großen Auto-Plänen trug. Mit seiner Hilfe entstand das erste Intermeccanica-Auto. Es entstand 1966 der "Italia", dessen Linie natürlich Scaglione zeichnete. Der Italia war ein elegantes Sportwagen-Coupé mit italienischem Design und amerikanischem Ford-V8-Motor, gebaut von 1966 bis 1969 in 411 Exemplaren. Bitter handelte für sich einen Exklusiv-Vertrag für Deutschland aus.
Verarbeitungsqualität wurde nicht besser
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Innenraum des Intermeccanica Indra Cabriolets von 1972 Zoom
Schon die ersten gelieferten Wagen zeigten Bitter eine erschreckende Verarbeitungsqualität, der entsprechend viele Reklamationen folgte. Qualitäts-Fanatiker Bitter hoffte, mit noch mehr Einflussnahme etwas ändern zu können. Mit Bitters Hilfe entstand noch ein weiteres Intermeccanica-Modell, nun mit Chevrolet-Motor des Opel Diplomat. Zumindest nahmen dadurch die Reklamationen am Motor ab. Es war der Indra, der in 125 Exemplaren von 1971-1974 entstand; benannt nach einem Schlager, der damals von Udo Jürgens gesungen und vom Bitter im Autoradio gehört wurde.
Weil sich - trotz Bitters Einfluss - die Verarbeitungsqualität nicht besserte, ging Erich Bitter mit seinem neuen Wagen, dem späteren Bitter CD, andere Wege und legte den Intermeccanica-Import nieder. Mit Reisners Geschäft ging es abwärts, weil er keine neuen Kunden gewinnen konnte. Noch 1970 entstand im Kundenauftrag ein Einzelstück, eine zweitürige Limousine "Centaur" auf der Basis der amerikanischen Chevrolet Corvette. Doch die Geschäfte rollten nicht mehr. Die Ölkrise hatte Intermeccanica den Rest gegeben.
1975 beschloß Reisner, seine Karosseriefabrik nach San Bernardino in Kalifornien zu verlegen, was der italienische Staat verhindert. 2001 starb Reissner in Amerika. Sein Sohn Henry führte die Firma im kanadischen Vancouver weiter - mit dem Bau von Replicas.