• 27.08.2022 13:04

  • von Roland Hildebrandt

Dieser Opel Blitz nahm das VW-Bulli-Konzept schon 1937 vorweg

Alle kennen und lieben den VW Bus - Wie ein neuer Fund zeigt, hatte Opel bereits im Jahr 1937 ein ähnliches Konzept mit Frontlenker fertig entwickelt

(Motorsport-Total.com/Motor1) - War Opel in Sachen Lieferwagen seiner Zeit voraus? Bei einer Auktion entdecken die Experten von Opel Classic acht unbekannte Fotos eines Lieferwagens aus den 1930er Jahren. Zu dieser Zeit war Opel bei den Nutzfahrzeugen Marktführer mit verschiedenen Versionen des legendären Blitz, die jedoch alle über einen klassischen Aufbau mit langer Motorhaube und anschließender Fahrerkabine verfügten.

Titel-Bild zur News: Opel Blitz Lieferwagen Typ 1,5-23 COE (1937)

Opel Blitz Lieferwagen Typ 1,5-23 COE (1937) Zoom

Das bislang unveröffentlichte Bilderset beweist nun: Opel hatte zu dieser Zeit auch einen serienreifen Kleintransporter in Frontlenkerbauweise entwickelt - viele Jahre, bevor sich das Konzept mit flacher, nicht vorstehender Front weltweit verbreitete und zum heutigen Standard für leichte Nutzfahrzeuge bis hin zu Opel Vivaro und Movano wurde.

Oder anders formuliert: Man hatte bereits ein Jahrzehnt vor dem VW Transporter ein formal ähnliches Konzept in Arbeit, wenngleich ohne Heckmotor. Opel Classic-Leiter Leif Rohwedder ist von dem Fund begeistert: "Das ist ein automobilhistorischer Paukenschlag. Die Bilder waren im Archiv von Opel nirgendwo vorhanden.

Miniaturmodell vom Prototypen von Opel angefertigt

Keine einzige Publikation hat nach heutigem Kenntnisstand das Fahrzeug je erwähnt. Das Wissen um den einzigartigen Prototyp war seit Jahrzehnten verschollen."

Das soll sich nun ändern. Denn die Verantwortlichen bei Opel Classic beließen es nicht beim Ausgraben der alten Aufnahmen, sie haben vom Prototyp des frühen Kleintransporters direkt ein Miniaturmodell anfertigen lassen - maßstabsgetreu und in den Farben der damaligen Zeit.

Die acht historischen Aufnahmen zeigen einen wegweisend designten kompakten Opel Blitz-Transporter, der offenkundig fertig entwickelt und fahrbereit ist. Der Projektname ist auf der Rückseite neben dem damaligen Stempel der Opel-Fotoabteilung mit Bleistift vermerkt: 1.5-23 COE.

Nur wenig Transporter vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Markt

Die Ziffern weisen auf den Hubraum (1.488 cm3) und den ungefähren Radstand hin (2.400 mm). Das Kürzel COE steht für "Cab Over Engine", zu deutsch: Fahrerkabine über dem Motor, ergo Frontlenker.

Dieses Konzept war in den 1930er Jahren innovativ. Die Frontlenker-Bauweise sorgt gegenüber dem damals verbreiteten Haubenwagen-Design mit weit vorstehender Schnauze für kompaktere Außenmaße bei gleich großem Laderaum. Das kommt der Wirtschaftlichkeit und der Wendigkeit zugute. Der Motor befindet sich dabei unter oder kurz vor der Sitzbank.

Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs waren erste entsprechende Transporter nur in den USA, Deutschland und Frankreich in kleinen Stückzahlen auf dem Markt. Die einzigen beiden deutschen Frontlenker-Vertreter von Goliath und Magirus stammten aus den frühen Dreißigern und kamen mit einem spartanischen, würfelförmigen Führerhaus daher. Als Antrieb dienten ihnen Zweitakt-Zweizylindermotoren.


Fotostrecke: Dieser Opel Blitz nahm das VW-Bulli-Konzept schon 1937 vorweg

Karosserie des Blitz war schnörkellos und funktional

Stattdessen war die Kundschaft dieser Zeit Autos mit langer Motorhaube gewöhnt, die auch der damalige europäische Nutzfahrzeug-Marktführer Opel in Nutzlastklassen von 0,3 bis 3,0 Tonnen unter den Namen "Lieferungswagen", "Geschäftswagen" und "Blitz" erfolgreich im Angebot führte.

Die Ingenieure und Designer bei Opel gestalten die Karosserie des Frontlenker-Blitz schnörkellos und funktional. Ein in den Grundzügen stromlinienförmiges Design und die großen glatten Flächen unterstreichen die Modernität des Konzepts. Die schwarz abgesetzten Kotflügel sind eine Referenz an die bestehenden Opel-Nutzfahrzeuge und sorgen für einen optisch homogenen Auftritt der Modellpalette.

Seinen progressiven Charakter erhält der Wagen durch die markante Front mit Art-Déco-Zierelementen. Sie betonen ausnahmslos die Horizontale und verleihen dem Nutzfahrzeug ein modernes und freundliches Gesicht.

Karosserie aus fortschrittlicher Ganzstahl-Bauweise ausgeführt

Ein Lieferwagen mit Sympathie-Faktor - damals ein völlig ungewohnter Anblick. Der Art-Deco-Stil war übrigens Ende der 1930er Jahre bei allen Opel-Pkw angesagt: bei den Modellen Kadett und Olympia genauso wie bei Super 6, Kapitän und Admiral.

Die inneren Werte des Transporters fußen auf der langjährigen Erfahrung Opels. Die Rüsselsheimer Ingenieure können seinerzeit auf Komponenten aus anderen Modellen zurückgreifen - etwa den brandneuen 1,5-Liter-Vierzylinder des Olympia oder die Achsen des bewährten Blitz-Eintonners. Die Karosserie ist - von Trennwand, Ladeboden und einem Teil des Dachs abgesehen - in fortschrittlicher Ganzstahl-Bauweise ausgeführt.

Viel ist über die technischen Details des Blitz 1.5-23 COE nicht bekannt. Immerhin stießen die Opel Classic-Experten nach intensiver Suche im Opel-Archiv doch noch auf ein Dokument, in dem das Fahrzeug Erwähnung findet: eine englischsprachige Informationsbroschüre für das Modelljahr 1937.

Dieser kann neben der zeitlichen Einordnung und einigen Eckdaten entnommen werden, dass es neben der Eintonner-Variante, die auf den Bildern zu sehen ist, auch einen 1,5-Tonner mit Sechszylinder und Zwillingsbereifung geben sollte.

Darüber hinaus konnten durch den Fotofund nun auch fünf im Opel-Archiv befindliche Profil-Zeichnungen zugeordnet werden. Sie zeigen neben dem Lieferwagen auch Pritschenwagen - und eine 15-sitzige Kleinbus-Variante des Blitz 1.5-23 COE.

Mehr aus der Opel-Historie:

Die geheimen Prototypen von Opel: Vom Omega V8 bis zum Tigra B
Zeitreise: Unterwegs im Opel Diplomat Coupé von 1966

Die Gründe, warum der fortschrittliche Blitz-Eintonner-Lieferwagen nicht in Serie geht, liegen wohl in den deutschen Kriegsvorbereitungen in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre. Leichte Nutzfahrzeuge waren als nicht kriegswichtig eingestuft, Opel musste mit einer erzwungenen Einstellung des Fahrzeugs rechnen. Der seit 1933 angebotene Blitz-Eintonner mit Haube wird dann auch 1940 auf Anweisung vom Markt genommen.

Die Wiederaufnahme der Fahrzeugproduktion in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre erfolgt mit den nur leicht modifizierten Vorkriegsmodellen Olympia, Kapitän und Blitz 1,5-Tonner. Ihre Fertigungsanlagen waren noch vorhanden.

Bis 1975 hatte Opel einen Blitz im Programm, doch bereits seit 1960 schrumpften seine Marktanteile massiv. Erst 1997 stieg die Marke mit dem Arena und danach dem Vivaro, beide auf Renault-Basis, wieder ins Lieferwagen-Geschäft ein.