Leuchter zwischen Himmel und Hölle: So fühlte sich der (Nicht-) Sieg an

Als Fahrer auf bitterste Weise ausgeschieden, als Teambesitzer großer Triumphator bei NLS Light - Benny Leuchter über die komplette emotionale Achterbahnfahrt

(Motorsport-Total.com) - "Das war natürlich die totale Achterbahn der Gefühle." - Benjamin Leuchter erlebte bei NLS Light den vielleicht bittersten Ausfall seiner Rennfahrerkarriere. Nur wenige Minuten später fuhr das Schwesterfahrzeug seines eigenen Teams Max Kruse Racing als Sieger über die Ziellinie - mit seinem eigenen Schützling Timo Hochwind und seinem früheren Fahrerpartner Nico Otto.

Titel-Bild zur News: Benny Leuchter und Heiko Hammel (links) und die NLS-Light-Sieger Timo Hochwind und Nico Otto (rechts)

Benny Leuchter und Heiko Hammel (links) und die NLS-Light-Sieger Timo Hochwind und Nico Otto (rechts) Zoom

Wie sich das anfühlt? Mit Worten schwer zu beschreiben. "Als ich das erste Mal erfahren habe, dass die Elektronik streikt, ist da ein Riesenklotz im Magen gewesen. Ich bin mir die Seele aus dem Leib gefahren, 14 Runden am Stück bei der Hitze ohne Getränk. Zwei Minuten lang war ich wirklich enttäuscht", sagt er gegenüber Motorsport-Total.com.

Doch das schlug schnell in Freude um. "Ich bin absoluter Teamplayer. Ich habe mich so gefreut für alle unsere Mechaniker und das ganze Team. Sie haben die Autos nach dem 24-Stunden-Rennen komplett aufgebaut. Ich hätte ihnen natürlich gerne den Doppelsieg gegönnt."

Stattdessen wurde es ein Einzelsieg, doch dieser schreibt bereits genug Superlativen: Hochwind und Otto holten den ersten Sieg eines Fahrzeugs mit alternativem Kraftstoff in der Geschichte der Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS).

Gleichzeitig war der Sieg des Volkswagen Golf GTI Clubsport 24h #79 der erste NLS-Gesamtsieg für VW. Zwar stehen 789 Klassensiege und fünf Meistertitel zu Buche, aber bislang kein einziger Gesamterfolg. Das änderte sich nun.

"Hase-Igel"-Strategie zahlt sich aus

Max Kruse Racing setzte bei NLS Light auf eine klassische "Hase-und-Igel"-Strategie, wie sie bei Langstreckenrennen bis in die 2000er-Jahre gängig war: Ein Auto - die #19 mit Leuchter und Heiko Hammel - gab an der Spitze das Tempo vor, während das Schwesterauto - die #79 - mit materialschonender Fahrweise und weniger Boxenstopps auf Lauerstellung ging.

Die #79 von Hochwind und Otto schlug mit den klassischen Endurance-Defensivwaffen zu: Materialschonung und weniger Boxenstopps. Mit 9-Runden-Stints sparte sich die #79 gegenüber den meisten Fahrzeugen in der Spitzengruppe einen Boxenstopp.

Das war so gewollt: "Zwei unterschiedliche Strategien - das hat mit Mindestboxenzeit und dem Speed zu tun. Die #76 war nicht in der ersten Startreihe und im Zweikampf verlierst du Zeit. Also haben wir das Auto auf 9-Runden-Stints gesetzt. Sie konnten unser normales Tempo nicht fahren, weil sie im Verkehr steckten. Wir haben das bewusst aufgeteilt."

Leuchter spielt darauf an, dass die GT4-Fahrzeuge, die mit den Golfs um den Gesamtsieg kämpften, auf der Geraden schneller sind und die TCR-basierten Volkswagen in den Kurven aufhalten. Stints von neun Runden erfordern eine mit dem Golf um drei bis vier Sekunden langsamere Gangart, die in diesem Fall Sinn machte.

Die Strategie stammte übrigens nicht von ihm: "Ich bin zwar abseits der Strecke der operative Kopf und verantwortlich dafür, welche Programme wir fahren und suche die Fahrer aus. Aber an den Rennwochenenden bin ich einfach nur Fahrer. An der Rennstrecke ist Timo Schupp der Teamchef." Er legte die Strategie in Absprache mit den Ingenieuren fest.

Ausfallgrund noch nicht final geklärt

Die #19 hingegen war kompromisslos auf Attacke ausgelegt. Leuchter übernahm den Start und fuhr mit maximalem Einsatz einen Vorsprung heraus - die ersten Runden "100 Prozent Attacke". Später habe er etwas verwaltet, erklärt er, aber mehrere Gelb- und Code-60-Phasen bremsten ihn aus.

Besonders ärgerlich: "In einer Gelbzone, nicht mal Code 60, habe ich im Stefan-Bellof-S hinter einem anderem Fahrzeug festgehangen. Der fuhr 50!" Dadurch kam Philipp Gresek im Plusline-BMW #155 (R. Gresek/P. Gresek) aus der Klasse SP8T an ihm vorbei.

Leuchter zollt Respekt: "Philipp hat das wie ein Profi gemacht. Er hat mich sich zurechtgelegt und ist dann eiskalt vorbeigegangen. Kompliment dafür." Der BMW führte eine Runde lang, bevor er wegen der längeren Boxenstandzeiten zurückfiel.

Der Ausfallgrund der dominanten #19 ist noch nicht final geklärt

Der Ausfallgrund der dominanten #19 ist noch nicht final geklärt Zoom

Der Ausfallgrund für die #19 20 Minuten vor Schluss ist noch nicht in Gänze geklärt. "Wir wissen, dass die Batteriespannung abgesunken ist", sagt Leuchter. Ein erster Verdacht fällt auf die Onboard-Kamera. Die innovative Entwicklung mit drei Perspektiven (vorne, hinten, Fahrer) wird derzeit in der NLS erprobt und sorgte bereits bei Falken Motorsport bei NLS2 für einen ungeplanten Boxenstopp.

Der Verdacht des Teams ist aktuell die Lichtmaschine. Diese ist beim Golf 8 GTI TCR, auf dem der Clubsport basiert, bewusst klein gehalten und tief im Motorraum vergraben. Das hat Performance-Gründe.

Möglicherweise war diese mit der Dreifachbelastung der üblichen Betriebssysteme, Fahrerkühlung und der Kamera inklusive Kühlung (Hammel zufolge liefen deren Kühllüfter beim Ausfall auf Hochtouren) überfordert oder musste ständig am Limit laufen. Andererseits hat der Golf gerade erst das 24-Stunden-Rennen mit heftiger Zusatzbeleuchtung problemlos überstanden.

Timo Hochwind und Nico Otto sorgten für den ersten Sieg eines AT-Fahrzeugs in der NLS

Timo Hochwind und Nico Otto sorgten für den ersten Sieg eines AT-Fahrzeugs in der NLS Zoom

Leuchter gibt zu, dass der Ausfall spürbar geschmerzt habe. "Es tut mir vor allem für Heiko wahnsinnig leid. Er hat das vorne perfekt verwaltet und ist ein Top-Teamkollege. Ich glaube, als Fahrerpaarung sind wir derzeit schwer zu schlagen. Deshalb tut es mir leid, dass er nicht das Resultat bekommt, das er verdient hätte."

Ein persönlicher Sieg trotz Ausfall

Die Enttäuschung über den Ausfall war dennoch schnell verarbeitet: "Zwei Minuten war ich enttäuscht, dann überwog die Freude fürs Team. Ich sehe ja tagtäglich, wie die Mechaniker an ihre Grenzen gehen. Die Arbeit von zweieinhalb Jahren zahlt sich jetzt aus. Die Freude kommt wirklich aus dem Herzen."

Timo Hochwind, mittlerweile Stammfahrer bei Max Kruse Racing, wurde von Leuchter selbst entdeckt und gefördert. Nico Otto sitzt auf Leuchters Empfehlung im Werksauto. "Ich habe mich so gefreut für die beiden. Und auch für unseren Ingenieur: Den nennen wir 'Ross Brawn aus Boppard'. Der hatte so viel Pech in den letzten Jahren - und jetzt das. Für mich fühlt sich das wie ein Sieg an."

So war die Freude im von Volkswagen unterstützten Projekt leicht getrübt, aber dennoch groß: "Natürlich wäre es mit einem Doppelsieg eine noch schönere VW-Party gewesen. Aber dieser Sieg passt genau in unser Konzept. Nachhaltigkeit und Performance müssen Hand in Hand gehen."

Zum Einsatz kommt ein zu großen Anteilen aus erneuerbaren Komponenten bestehender E20-Kraftstoff, der von Volkswagen und Shell entwickelt wurde. Die AT-Klasse erlebt am Nürburgring aktuell einen Boom. Zahlreiche Rennserien weltweit haben bereits auf alternative Kraftstoffe umgestellt oder werden dies in Kürze tun. Der Sieg ist damit perfekte Werbung zur Dekarbonisierung des Motorsports.

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