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"Unkontrollierter Reifen" beim Boxenstopp: Ist NASCAR zu penibel?

Immer wieder werden Fahrer bei NASCAR-Rennen wegen eines "unkontrollierten Reifens" bestraft - Zeigt NASCAR wirklich das richtige Fingerspitzengefühl?

Liebe Leserinnen und Leser,

Titel-Bild zur News: Joe Gibbs

Denny Hamlin wurde bei einem Boxenstopp in Texas bestraft Zoom

die Regel für einen "unkontrollierten Reifen" beim Boxenstopp führt bei NASCAR-Rennen immer wieder zu Strafen gegen die Fahrer - und zu einer Menge Unmut! Ist die Regel überhaupt in dieser Form sinnig oder einfach zu kompliziert, um sie mit einer klaren Linie durchzusetzen? NASCAR geht hier einfach zu penibel zur Sache und sorgt mit der nicht konstanten Regelauslegung immer wieder für Diskussionen.

Der Passus im Regelwerk soll für Sicherheit während der Boxenstopps sorgen. Ein Reifen darf deshalb niemals mehr als eine Armlänge eines Crewmitglieds entfernt sein. Ist das Rad weiter weg, gilt es als "unkontrolliert". Genau in diesem Moment spricht NASCAR eine Strafe aus. Eigentlich ganz einfach, wenn NASCAR nicht diesen Interpretationsspielraum hätte, wie lang eine Armlänge wirklich reicht. In diesem Falle helfen auch zig Kameraperspektiven und Wiederholungen nichts - der Videobeweis lässt grüßen! Während manche Fahrer schon wegen wenigen Zentimetern bestraft wurden, kamen andere Fahrer mit deutlicheren Vergehen davon.

Ein Beispiel dafür ist das Texas-Frühjahrsrennen aus dem Jahr 2018: Ryan Blaney erhielt hier eine Strafe, weil ein Reifen deutlich mehr als eine Armlänge vom Crewmitglied weggerollt war. Alles in Ordnung, aber dann wurde Kevin Harvick für ein deutlich heftigeres Vergehen nicht bestraft: Hier rollte der Reifen sogar aus der Box heraus und dennoch entschied sich NASCAR dagegen, den Stewart-Haas-Piloten zu bestrafen. NASCAR räumte hier anschließend aber eine Fehlentscheidung ein.

In Dover erhielt Kyle Larson im vergangenen Jahr eine Strafe (siehe Tweet): Ja, der Reifen war definitiv mehr als eine Armlänge vom Teammitglied entfernt, aber niemals "außer Kontrolle" oder "unkontrolliert". Er wurde lediglich vom nächsten Crewmitglied übernommen. Jedoch wird "unkontrolliert" eben mit der Distanz zum Crewmitglied definiert. Dieses Beispiel zeigt, dass es Vorgehen gibt, die NASCAR erlauben könnte, um den Teams mehr Freiheiten zu verschaffen.

Texas-Sieger Hamlin wurde beim Rennen am vergangenen Sonntag auch wegen solch eines Verstoßes bestraft. Die Bilder zeigen: es war sehr knapp und der Reifen könnte etwas über eine Armlänge vom Crewmitglied weg gewesen sein - wird hier eigentlich von einem kurzen oder langen Arm ausgegangen? Es war eine wirklich harte Entscheidung, weil weder die Boxenmannschaften noch die Fahrer offensichtlich in Gefahr gebracht wurden.

Crewchief Christopher Gabehart hadert mit der Entscheidung seitens NASCAR, obwohl er die klare Auslegung seitens der Regelhüter lobt: "Sie haben einen guten Job gemacht und die Regel schwarz und weiß formuliert." Es sollte also jedem Team klar sein, wann ein Vergehen vorliegt und was erlaubt ist. Laut NASCAR-Experte Larry McReynolds gibt es seitens der Crewchiefs deshalb wenig Kritik gegenüber den Entscheidungen seitens NASCAR.


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Jetzt gibt es zwei Vorgehensweisen: Entweder lässt NASCAR Fingerspitzengefühl zu und gibt den Regelhütern etwas Spielraum oder es wird jedes Vergehen bestraft - ohne jegliche Ausnahme. In beiden Fällen wird es Diskussionen über die Entscheidungen geben.

Es könnte an der Zeit sein, die Regel zu ändern. Sie könnte transparenter, klarer und vielleicht auch etwas mehr im Sinne des Racings definiert werden. Sollte ein Reifen aus der Box rollen, klar zu einer Gefahr für Mensch und Maschine werden oder das Rennen beeinflussen, muss das Team bestraft werden. Sollte ein "unkontrollierter Reifen" jedoch keinerlei Einfluss auf das Rennen haben und die Sicherheit nicht beeinträchtigen, sollte NASCAR mehr Feingefühl beweisen.

Andre Wiegold