• 21.06.2010 00:47

  • von Pete Fink

Johnson siegt im Sonoma-Chaos - Ekström kann glänzen

Marcos Ambrose schenkt Jimmie Johnson dessen ersten Rundkurssieg - ein bärenstarker Mattias Ekström führt und wird in einen Dreher verwickelt

(Motorsport-Total.com) - Des einen Leid, des anderen Freud. Dieses uralte Sprichwort passt perfekt auf die Szenerie beim Toyota/Save Mart 350, das in Marcos Ambrose (Waltrip-Toyota) eine absolut tragische Figur, und in Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) einen strahlenden Sieger sah. Früh war klar, dass sich der Sonoma-Sieg zwischen diesen beiden Kontrahenten entscheiden würde, doch das Zustandekommen ließ an Dramatik nur wenig zu wünschen übrig.

Titel-Bild zur News: Marcos Ambrose, Jimmie Johnson

Jimmie Johnson und Marcos Ambrose bestimmmten das Sonoma-Rennen

Johnson, der vor allem in der Anfangsphase das dominierende Auto hatte, wurde von Ambrose im Rennverlauf zunehmend bedrängt. Aufgrund einer unterschiedlichen Spritstrategie gelang es dem Australier sogar am blau-weißen Hendrick-Chevrolet vorbei zu gehen und diese Führung auch nach dem letzten Boxenstopp haarscharf zu behalten. Dann schlug das NASCAR-Schicksal unbarmherzig zu.#w1#


Fotos: NASCAR in Sonoma


Acht Runden vor dem Ende wollte Spitzenreiter Ambrose Benzin sparen und schaltete dazu in der siebten und letzten Gelbphase seinen Toyota-Motor aus. Dies ist beileibe kein unübliches Prozedere, denn aufgrund der drei möglichen Green-White-Chequered-Verlängerungen kann es im Finale auf jeden Tropfen Sprit ankommen. Das NASCAR-Regelbuch sieht lediglich vor, dass der Speed des Pace-Cars eingehalten werden muss.

Als Ambrose also mit ausgeschaltetem Motor über die Start-/Ziellinie rollte, hinter der sich ein steiler Anstieg befand, musste der ehemalige V8-Supercar-Champion sein Fahrzeug mittels der Kipphebelschaltung wieder befeuern. Dies misslang, der 33-Jährige stand für einige Sekunden hilflos in der Bergaufpassage und Johnson, sowie fünf andere Konkurrenten, zogen an Ambrose vorbei.

Johnson nimmt das Ambrose-Geschenk an

Marcos Ambrose, Jimmie Johnson

Bis acht Runden vor Schluss war Marcos Ambrose dicht vor dem Sieg Zoom

Ein unglaubliches Missgeschick, denn NASCAR verwehrte es der Startnummer 47 folgerichtig, seine Spitzenposition wieder einzunehmen. Und weil am Sonntagabend außer Ambrose kein anderer Pilot in der Liga von Jimmie Johnson spielte, hatte dieser in den verbleibenden sechs Runden nach dem Restart keine Probleme mehr: Ungefährdet gewann der NASCAR-Dauerchampion sein erstes Rundkursrennen, Ambrose wurde ein zutiefst enttäuschter Sechster.

"Ich dachte, Marcos würde einen Defekt haben", beschrieb Johnson die kuriose und gleichzeitig so bittere Szene. "Aber ich musste meinen Speed beibehalten und dachte mir nur: 'Okay, dann nehme ich dieses Geschenk halt an.'" Für den Kalifornier ging damit eine Aufgabe seines persönlichen Lastenhefts zu Ende, denn dieser ominöse Rundkurssieg stand auf seiner Prioritätenliste ganz weit oben.

Schon auf der Meisterfeier direkt nach seinem vierten NASCAR-Titel in Folge antwortete Johnson im Herbst 2009 auf die Frage, was er denn jetzt noch zu erreichen gedenke, mit dem Wunsch nach diesem Nicht-Ovalsieg. Seine GrandAm-Gastpiele in Daytona sowie umfangreiche Testfahrten unterstreichen, wie sehr dieser bislang nicht zustande gekommene Erfolg an seinem fahrerischen Ego gekratzt haben mag. Dies ist seit Sonoma Geschichte: "Das ist einfach wunderbar", jubelte Johnson. "Ich selbst und das ganze Team haben für diesen Erfolg unglaublich hart gearbeitet."

Ambrose hingegen war verständlicherweise untröstlich: "Meine Box hat mir gesagt, ich solle den Motor abstellen", erklärte der Sonoma-Geheimfavorit die Situation. "Aus irgendeinem Grund sprang er nicht mehr an. Wahrscheinlich ist es meine Schuld. Ich kenne die Regeln, aber ich bin extrem enttäuscht." Unter dem Strich fehlten dem Mega-Pechvogel nur acht Runden zu seinem ersten Sprint-Cup-Sieg überhaupt.

Robby Gordon dankt Kevin Harvick

Denny Hamlin

Kurios: Denny Hamlin drehte eine Sonoma-Runde komplett im Blindflug Zoom

Zweiter wurde Robby Gordon, der bei seinem kalifornischen Heimrennen eine blitzsaubere Vorstellung ablieferte. Der Gordon-Toyota kam durch eine Dreistopp-Strategie weit nach vorne und musste daher im Finale auf relativ alten Reifen seine Position verteidigen. 44 Runden hatten die Goodyear-Gummis bereits auf dem Buckel und eine Verlängerung hätte den tapferen Einzelkämpfer Gordon wohl in arge Benzinprobleme gebracht. Doch dazu kam es nicht.

"Das ist für uns alle ein unglaublicher Schub in Sachen Moral", freute sich der Allrounder, der mit diesem zweiten Platz auch einen erheblichen Sprung im so wichtigen Kampf um die Top 35 der Ownerwertung machte. Zudem war es seine beste Platzierung seit Watkins Glen 2005, als Robby Gordon ebenfalls Zweiter wurde. "Im August werden wir auf dem 'Glen' ein Feuerwerk abbrennen", lautete seine mutige Ankündigung.

Einen Dank attestierte er auch Sprint-Cup-Tabellenführer Kevin Harvick, der Gordon im Sonoma-Finale dicht im Heck saß, den Toyota Camry mit der Startnummer sieben aber nicht aus dem Weg räumte. Harvick (3.) waren die Punkte wichtiger als ein Privat-Scharmützel mit Gordon: "Ich hatte schon das Gefühl, dass ich auch mit Jimmie mithalten hätte können. Wir waren immer weit vorne zu finden und das gelingt uns fast jede Woche. Wir werden ganz einfach so weitermachen."

Polesitter und Vorjahressieger Kasey Kahne (Petty) landete als bester Ford-Pilot auf Platz vier vor einem beinhart agierenden Jeff Gordon (5.). Gleich dreimal in 110 turbulenten Runden war der Hendrick-Pilot Auslöser einer der vielen Karambolagen. Besonders Martin Truex Jr. (Waltrip-Toyota; 42.) war das unschuldige Opfer einer der Gordon-Attacken - und hatte anschließend einen ganz dicken Hals.

Truex stinksauer auf Jeff Gordon

Max Papis, Denny Hamlin

Der Massencrash: Auch Martin Truex Jr. (oben links) war darin verwickelt Zoom

Wie sein Waltrip-Teamkollege Ambrose mischte auch Truex munter vorne mit. In Runde 62 übertrieb es Jeff Gordon beim Anbremsen auf Turn 11, was Truex in einen Dreher schickte. Das warf ihn weit zurück und rächte sich nur wenig später: Als es beim nächsten Restart zum so gefürchteten Ziehharmonikaeffekt kam, rauschten sechs Piloten - unter anderem Truex - im hinteren Mittelfeld zusammen.

Der Massencrash geschah in der unübersichtlichen Linksbiegung vor Start und Ziel, was NASCAR sogar zu einer Rennunterbrechung zwang. "Das werde ich mir merken", lautete der Truex-Kommentar, während sich Gordon nach dem Rennen entschuldigte: "Darauf bin ich wirklich nicht stolz", sagte der vierfache NASCAR-Champion. "Wenn es eine Revanche geben wird, dann verstehe ich das. Ich kann nur sagen, dass das keine Absicht war."

Greg Biffle (Roush-Ford) konnte sich hingegen aus allen Vorfällen heraushalten und fuhr Platz sieben heraus. Boris Said wurde Achter und holte damit für das kleine Latitude-Team ein Klasseresultat. Auch Said war immer im vorderen Mittelfeld zu finden und erledigte seinen letzten Stopp früh. Als es im Rennverlauf zu Green-Flag-Stopps kam, lag der Latitude-Ford mit der Startnummer 26 zwischenzeitlich sogar mit 14 Sekunden Vorsprung in Front.

Doch natürlich erwischte Said eine der insgesamt sieben Gelbphasen. Beim Restart wurde er von Brad Keselowskis Penske-Dodge in den Sand geschoben, rettete das Auto jedoch und holte in der Folge die erste Top-10-Platzierung für das neue Roush-Satellitenteam. Rang neun ging an Tony Stewart, dessen Stewart/Haas-Chevrolet mit einer Zweistopp-Strategie zu keinem Zeitpunkt ein ernsthafter Siegkandidat war.

Platz zehn zu wenig für Montoya

Mattias Ekström

Selten: Juan Pablo Montoya und Mattias Ekström in einem gemeinsamen Rennen Zoom

Gleiches gilt auch für Juan Pablo Montoya, dessen zehnter Platz im Kampf um den Chase vermutlich zu wenig war. Der Kolumbianer erlebte einen ereignisreichen Tag: Sichtlich unzufrieden mit dem Handling seines Earnhardt/Ganassi-Chevrolets steuerte er gleich in der ersten Gelbphase die Box an. Vier neue Reifen entpuppten sich als starke Waffe, weshalb sich Montoya binnen 20 Runden von Rang 21 auf drei nach vorne arbeitete.

In der Folge hielt er eine Top-10-Platzierung, fing sich im Kampfgetümmel von Sonoma aber einen verbeulten vorderen Kotflügel ein. Daher dauerte sein letzter Stopp mit 23 Sekunden viel zu lange. Montoya wurde aus den Top 20 hinaus katapultiert und hatte im Anschluss eine beinharte Auseinandersetzung mit Joey Logano (Gibbs-Toyota), was für den NASCAR-Youngster mit einem Dreher endete.

Montoya lag danach sogar nur auf Platz 32 und hatte lediglich noch 35 Runden Zeit, den verlorenen Boden wieder gut zu machen. Im Parallelflug mit Tony Stewart pflügte sich dieses Duo durch das Feld, doch mehr als Rang neun (Stewart) und zehn (Montoya) waren nicht mehr möglich. Zu stark zeigte sich die Konkurrenz um Johnson, Ambrose und Co.

Ekström beim Debüt mit Führungsrunden

Marcos Ambrose, Jimmie Johnson, Mattias Ekström

Jimmie Johnson und Marcos Ambrose jagen Mattias Ekström die Führung ab Zoom

Ähnlich ereignisreich verlief auch ein bärenstarkes NASCAR-Debüt von Mattias Ekström. Von Startplatz 38 aus hielt sich der Schwede zunächst vornehm zurück und sparte Sprit und Reifen. Als die Konkurrenz vor ihm zum Tanken ging, blieb der Red-Bull-Toyota mit der Startnummer 83 lange auf der Strecke. Und die US-Amerikaner trauten ihren Augen kaum, als Ekström in Runde 37 plötzlich auf Position eins lag!

Ganze sieben Umläufe lang hielt der zweifache DTM-Champion den Platz an der Sonne, bevor die von hinten heranstürmenden Johnson und Ambrose auf neueren Reifen an ihm vorbeiziehen konnten. Als Ekström in Runde 49 schließlich zum Tanken gehen musste, warf ihn das auf Rang 21 zurück. Durch die nächste Tanksequenz gelangte er wieder in die Top 10, doch dann wurde es für den NASCAR-Rookie erst so richtig turbulent.

Ekström war in Runde 62 eines der Opfer einer Jeff-Gordon-Attacke, was jedoch ohne Karosserieschäden blieb. Als Kurt Busch (Penske-Dodge) wenig später bei einem Restart den vor ihm fahrenden Montoya auf Ekström schob, löste dies weiter hinten den Massencrash in Runde 67 aus. Auch dies ging aus Red-Bull-Sicht glimpflich aus. Sein nächster Tankstopp in Runde 80 warf ihn natürlich wieder zurück, doch ein Top-10-Resultat war nach wie vor greifbar. Bis Runde 92.

NASCAR an Ekström: Grüß Gott und ab ins Kiesbett

Mattias Ekström

In Runde 92 wurde Mattias Ekström in seinen ersten NASCAR-Dreher geschickt Zoom

Im Kampf um Platz zwölf geriet Ekström mit "Bad Brad" Keselowski und dessen bereits waidwunden Penske-Dodge aneinander. Der Schwede befand sich dabei im harten Infight einer größeren Verfolgergruppe, die sich gegenseitig arg beharkte. Sein Pech: Als er Keselowski geschnupft hatte, lag er wie auf dem Präsentierteller genau an der Spitze dieser Gruppe, die mächtig drängelte. Ein Ekström-Dreher und ein Ausritt durch das Kiesbett waren die fast logische Folge. Anders formuliert: Ein kleiner NASCAR-Willkommensgruß der Sprint-Cup-Kollegen.

Nur: Im Gegensatz zur DTM wird in solchen Fällen in der NASCAR-Renneitung natürlich niemand aktiv. Ekström musste danach an die Box und ließ sich frische Reifen aufziehen. Weil er in der Grünphase den Anschluss an das Feld verloren hatte, jagte er in freier Fahrt hinter der Meute her und erzielte dabei Rundenzeiten auf dem Niveau der Top 5. Als das Feld in der siebten und letzten Gelbphase noch einmal zusammengeführt wurde, profitierte der Sprint-Cup-Gaststarter von seinen neuen Reifen und arbeitete sich von Rang 34 noch auf Platz 21 nach vorne.

Unter dem Strich wäre also tatsächlich ein Top-10-Resultat möglich gewesen. Doch viel wichtiger waren seine sieben Führungsrunden, die in NASCAR-USA für diverse hochgezogene Augenbrauen sorgten. So blieb es Jan Magnussen vorbehalten, als Zwölfter die beste Platzierung der beiden Europa-Rookies zu holen. Der Däne schaffte es, seinen Phoenix-Chevrolet aus allen Scharmützeln heraus zu halten und holte sich so eine beachtliche Platzierung ab. Allerdings war dessen Debütfahrt auch weit weniger spektakulär als die eines grandiosen Ekströms, der nach dem turbulenten Sonoma-Sonntag sicherlich nicht weniger Appetit auf weitere NASCAR-Abstecher haben dürfte.

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